Lobautunnel: Wiener Wirtschaftskammer will Ministeranklage Gewesslers

Lobautunnel: Wiener Wirtschaftskammer will Ministeranklage Gewesslers
Den Tunnel nicht umzusetzen, verstoße gegen geltendes Recht: "Politische und finanzielle Haftung" gefordert.

Die Wiener Wirtschaftskammer holt sich in ihrem Vorgehen gegen die Lobautunnel-Absage erneut rechtlichen Beistand - und stellt die Möglichkeit einer Ministeranklage der zuständigen Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) in den Raum.

Die Weisung der Ministerin an die Asfinag, den Tunnel nicht zu bauen, sei "rechtlich nicht möglich und außerdem rechtswidrig", sagt der Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer. Er hat für die Wiener Wirtschaftskammer ein Rechtsgutachten erstellt.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestünde in diesem Fall auch eine rechtliche Verantwortung der Ministerin gegenüber dem Nationalrat, heißt es darin. "Dieser könnte mit einfacher Mehrheit Anklage wegen schuldhafter Rechtsverletzung beim Verfassungsgerichtshof erheben", so Mayer.

"Konsequenzen ziehen"

"Der Rechtsstaat gilt auch für die Spitzenpolitik", sagt Wiens Wirtschaftskammer-Chef Walter Ruck. Er fordert vom Aufsichtsrat der Asfinag, den Baustopp durch einen umgehenden Beschluss zurückzunehmen. "Auch die Ministerin ist aufgefordert, Konsequenzen zu ziehen."

Die Mitglieder des Nationalrats seien "aufgerufen, zu handeln und zu ahnden", sagt Ruck. Auch einen Misstrauensantrag gegen Gewessler bringt er ins Spiel.

Der Baustopp könne auch zivilrechtliche Folgen haben - etwa Schadenersatzklagen: Der bisher angelaufene direkte wirtschaftliche Schaden, der für Ersatzansprüche relevant ist, habe die dreistellige Euro-Millionenhöhe bereits deutlich überschritten, heißt es seitens der Wirtschaftskammer.

Auch der Gesellschaftsrechtsexperte Jörg Zehetner (KWR Rechtsanwälte) hat dazu ein Gutachten erstellt. Würden Vertragspartner ihre Schadenersatzansprüche einklagen, wäre dies "erfolgversprechend".

Ein direkter volkswirtschaftlicher Schaden ergebe sich auch für die Stadt Wien, so Ruck. Im "guten Vertrauen auf die Vereinbarung", dass der Tunnel gebaut wird, habe die Stadt 1,7 Milliarden Euro in die Seestadt Aspern investiert, die bis heute auf die Anbindung an das höherrangige Straßennetz wartet.

ÖVP unter Druck

Wie realistisch eine Ministeranklage Gewessler ist, steht auf einem anderen Blatt: Für einen solchen Antrag an den VfGH braucht es eine einfache Mehrheit im Nationalrat - und somit auch die Stimmen der ÖVP, die mit den Grünen in einer Koalition sitzt.

Die ÖVP hat sich immer für den Lobautunnel ausgesprochen, aber bisher keine Schritte gegen Gewessler gesetzt. Auch sie gerät nun weiter unter Druck.

Die Vorgeschichte: Im Dezember 2021 schlug Umweltministerin Leonore Gewessler das (vermeintlich) letzte Kapitel des Lobautunnels auf - und stoppte das seit Jahrzehnten umstrittene Straßenbauprojekt. Dass das nicht ganz so endgültig sein dürfte, zeichnete sich schon damals ab. 

Stadt Wien, Land Niederösterreich und Wirtschaftskammer Wien kündigten postwendend ein gemeinsames Vorgehen und auch Klagen gegen diese Entscheidung an. 

Der Tunnel selbst soll laut Ursprungsplan 8,2 Kilometer lang werden und soll in 60 Metern Tiefe unter der Donau verlaufen. Er wäre damit Teil der geplanten Wiener Nordostumfahrung und somit auch des „Regionenrings“ um Wien. 

Debatten seit den 90ern

Das Ringen um das Projekt ist seit jeher hart umkämpft. Umweltschützer befürchten massive Eingriffe ins Öko-System. Befürworter pochen hingegen auf die dringend notwendige Entlastung der Donaustadt und argumentieren damit, so den Schwerverkehr aus der Stadt hinaus leiten zu können. Die ersten Pläne gibt es schon seit Mitte der 90er-Jahre.

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