Neuer Bezirksvorsteher: "Die U5 wird Hernals nachhaltig verändern“
Vor drei Wochen folgte Peter Jagsch seiner Langzeit-Vorgängerin Ilse Pfeffer (beide SPÖ) als Hernalser Bezirksvorsteher nach. Der gelernte Anlagenmonteur kennt den Bezirk bestens: 2001 wurde er Bezirksrat, 2004 Klubvorsitzender, 2015 Pfeffers Stellvertreter.
Der 51-Jährige übernimmt den Posten in einer spannenden Zeit, stehen doch einige wegweisende Projekte im Bezirk an. Allen voran der Bau der U5: 2032, so der aktuelle Zeitplan, soll die neue Linie bis zum Bahnhof Hernals führen. „Das wird den Bezirk nachhaltig verändern“, sagt Jagsch.
Der KURIER hat mit dem neuen Bezirkschef ausführlich über seine Art, Politik zu machen sowie anstehende Projekte gesprochen - vom „Supergrätzel Zeillergasse" bis zum Postsportplatz. Eines hat sich dabei deutlich gezeigt: Wie auch an anderen Orten der Stadt sind Verkehrsberuhigung, Begrünung und Neuaufteilung der Verkehrsflächen auch in Hernals die bestimmenden Themen der kommenden Jahre.
KURIER: Was nehmen Sie von Ihrer Vorgängerin mit?
Peter Jagsch: Ilse Pfeffer hat zumir gesagt: Du brauchst auf alle Fälle Besonnenheit. Du musst vorsichtig sein, keine Ho-ruck-Antworten zu geben, die noch nicht wohl durchdacht sind.
Und gibt es etwas, das sie anders machen wollen?
Jeder Mensch ist anders. Ich bin gelernter Anlagenmonteur, Ilse Pfeffer studierte Psychologin. Daher haben wir einen unterschiedlichen Zugang zum Leben, aber wir haben uns alle in der Familie der Sozialdemokratie gefunden. Das ist das Schöne an der Bandbreite innerhalb der SPÖ: Man hat die verschiedensten Menschen aus den verschiedensten Bereichen und trotzdem arbeiten wir an denselben Zielen.
Was macht Sie als Politiker aus?
Mich treibt das Thema Arbeit sehr an. Mir ist wichtig, dass die Menschen eine Beschäftigung haben, von der sie leben können. Viele fragen etwa, warum kostet ein Projekt so viel? Aber Kosten sind ja umgelegt Entgelt für geleistete Arbeit. Das muss man auch berücksichtigen. Ohne zu sagen: Koste es, was es wolle. Das war ein anderer. (lacht)
Was sind die drängendsten politischen Aufgaben bis 2030?
Das wichtigste Thema ist die gemeinsame Planung der U5 mit Stadt und Wiener Linien. Das wird den Bezirk nachhaltig verändern.
Was kann der Bezirk da beeinflussen?
Es geht es um grundsätzliche Fragen wie: Wo könnte ein Zugang sein, wie soll der aussehen? In der Kalvarienberggasse soll ein Zugang südlich des Elterleinplatzes entstehen. Es war allen Bezirksparteien wichtig, auch dieser Seite des Bezirks einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Der nächste Schritt wird sein, sich gemeinsam die Oberflächengestaltung zu überlegen. Wie organisiert man den Individualverkehr, wenn die U-Bahn da ist? Aber auch: Wie organisiert man ihn während der Großbaustelle? Es wird eine große Herausforderung, die Verkehrsströme für alle Beteiligten verträglich zu lenken.
Ein Thema ist auch eine mögliche Verkehrsberuhigung am Elterleinplatz sowie rund um die Station Hernals.
Der Wunsch ist da, es gibt auch Beschlüsse seitens der SPÖ-Gremien. Wenn schon die U5 kommt, sollte man doch die Chance nutzen, den Platz so verkehrsberuhigt wie möglich und so verkehrsdurchlässig wie nötig zu gestalten.
Die Hernalser Hauptstraße ist natürlich eine Hauptverkehrsader..
..aber nach drei Jahren Totalsperre werden sich neue Verkehrswege etabliert haben. Dann ist die Frage, möchte ich den heutigen Zustand wieder herbeiführen oder versuchen wir, daraus positives Kapital zu schlagen, indem man die Aufenthaltsqualität verbessert?
Es gibt schon Berichte über Druck auf Mieter entlang der U5-Trasse, weil Hausbesitzer Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln wollen. Was kann man dagegen tun?
Es gibt immer wieder Versuche, Häuser zu kaufen und Kapital daraus zu schlagen. Das kann nicht zulasten der Mieterinnen und Mieter gehen. Daher lade ich alle ein: Wenn Sie sich benachteiligt fühlen, melden Sie sich bei mir. Ich bemühe mich, jedem so gut ich kann zu helfen und sie vor allem an die richtigen, rechtskundigen Stellen weiterzuleiten. Wir kennen ja einige Spielchen schon, die Hausverwaltungen treiben.
Im Dezember hat der Bezirk den Magistrat beauftragt, ein verkehrsberuhigtes Supergrätzel rund um die Zeillergasse zu prüfen. Wie wird das weitergehen?
In diesem Gebiet wird eine neue Hauptwasserleitung gebaut. Und wenn dann schon der eine oder andere Straßenzug aufgemacht werden muss, macht es Sinn sich zu überlegen, wie man dann die Oberflächengestaltung neu organisiert. Da werden wir einen transparenten Prozess starten, um die Interessen der Bevölkerung einzubinden. Ein intelligenter Mensch hat einmal zu mir gesagt: Der öffentliche Raum ist nicht beliebig vermehrbar. Es geht darum, Neuverteilungen zu finden und daran arbeiten wir.
Hernals soll auch ein „Fußgänger*Innen-Pilotbezirk“ werden.
Mein persönlicher Schwerpunkt liegt auf dem zu Fuß gehen, weil zu Fuß gehen wir alle. Selbst Autofahrer gehen zu Fuß zum Auto. Wir haben auch einen Auftrag an den Magistrat beschlossen, einen „Masterplan Gehen“ zu entwickeln. Erst wird evaluiert, um zu sehen, wo wir Defizite haben, danach sollen diese Defizite nach einem Prioritätenplan abgearbeitet werden.
Zu Fuß gehen ist das eine, Radfahren das andere. Hernals hat einen unterdurchschnittlichen Anteil an Radwegen. Erst unlängst wurde der Radweg in der Vollbadgasse unter Verweis auf die mangelnden Stellplätze für die Apotheke dort beendet..
..das ist nur zum Teil richtig. Wir haben eine Verkehrszählung durchführen lassen und nachdem nur drei Radfahrer in einer Verkehrsspitzenstunde den Radweg benutzt haben, war das de facto nicht argumentierbar.
Die Alszeile ist Teil des Basis-Hauptradwegenetz. Soll hier ein baulich getrennter Radweg kommen?
Wir prüfen ständig, wie man die Situation verbessern kann. Aber ich habe nur den Straßenquerschnitt, den ich habe. Ich habe die Straßenbahn und einen massiven Anteil an Wohnbau, der nicht ausreichend mit eigenen Stellplätzen versorgt ist. Ich kann dort nicht Tausenden Anrainern sagen, ich nehme euch den Parkplatz weg. Das geht nicht. Und Vorschläge anderer Parteien, man möge doch alle Bäume fällen und stattdessen einen Radweg bauen, lösen bei mir auch keine Begeisterungsstürme aus.
Aber die häufigere Forderung ist ja: Radwege statt Parkplätze.
Die Diskussion ist nicht fair.
Warum nicht?
Es muss doch ein Miteinander möglich sein.
Aber Sie sagen selbst, der Platz für ein Miteinander ist nicht da.
Deswegen überlegen wir, wie wir das organisieren können. Mit der Zeit gibt es auch eine Bewusstseinsveränderung. Und je stärker die ist, desto stärker kann ich anpassen. Aber ich kann nicht hergehen und 240 Stellplätze streichen. Das kann man nicht mit dem Vorschlaghammer realisieren, das verhärtet nur die Fronten.
Dafür würden Sie Sicherheit für die Radfahrenden gewinnen.
Den durchgängigen Radweg könnte ich trotzdem nicht garantieren, das gibt die Topografie nicht her. Ich habe auch Ein- und Ausfahrten, ich habe Ladezonen. Und was sage ich den Menschen, die auf ein Fahrzeug angewiesen sind? Daher haben wir die 30er-Zone etabliert, damit der Verkehr langsamer wird. Wir arbeiten weiterhin an Lösungen, aber die werden nicht sofort präsentiert werden können. Ich darf auch nur politisch realisieren, wofür ich von der Verkehrsbehörde das Okay bekomme. Wir haben etwa prüfen lassen, ob man einen Zweirichtungsradweg einrichten kann, wenn man bis Neuwaldegg eine Parkspur ausräumt. Da sagt die Verkehrsbehörde, das ist zu schmal für einen Zweirichtungsradweg. Du bist als Bezirkspolitiker nicht allmächtig, auch wenn es manche glauben.
Weiter unten in der Alszeile, am Leopold-Kunschak-Platz, gibt es seit einiger Zeit einen Markt. Wie läuft der?
Die Rückmeldungen der Bevölkerung sind nur positiv und auch die Standler sind sehr zufrieden. Es gibt sogar schon eine Warteliste.
Mittelfristig soll der Platz auch umgestaltet werden.
Mittel- bis langfristig. Wir werden die Bürger in Zusammenarbeit mit der Gebietsbetreuung fragen, wie sie sich den Platz in Zukunft vorstellen. Ich habe immer gesagt, wenn der Markt sich etabliert, soll er natürlich im Zentrum der Überlegungen stehen, aber alles andere ist zu diskutieren. Luftlinie 250 Meter daneben entsteht auch die neue U5-Station Hernals, da muss man sich auch anschauen, welche Gegenbeziehungen sich hier aufbauen.
Ein Thema ist auch der Name des Platzes.
Über die Person Leopold Kunschak ist schon viel diskutiert worden. Am Ende werde ich die Anrainer dazu befragen, ob sie dazu bereit sind, alle ihre Dokumente auf eigene Rechnung umschreiben zu lassen. Oder ob nicht ein neu gestalteter Raum vor dem Kunschak-Platz eine neue Namensgebung bekommen soll.
Ein weiteres, großes Projekt ist die Umgestaltung des Postsportplatzes. Wie sieht es da aus?
Wenn es konkrete Planungen gibt, wird sich die Post AG mit uns in Verbindung setzen. Es gibt unterschiedliche Philosophien: Die einen sagen, wenn man höher baut, verbraucht man weniger Grundfläche. Aber wenn ich höher baue, kann es negative Auswirkungen für die weiter östlich gelegenen Wohngebiete haben, weil dort eine Frischluftschneise vom Wienerwald in die Stadt führt. Aber für so etwas gibt es Experten, da werde ich mich nicht wichtig machen. Wir müssen am Ende des Tages einen politischen Kompromiss schaffen, der für alle Beteiligten tragbar ist.
Stünden Sie als Vermittler bereit?
Wenn es notwendig ist, lade ich sowohl die Post AG als auch den PSV zu mir ein. Mir ist wichtig, dass diese Sport- und Freizeitfläche im Bezirk erhalten bleibt. Als Grünraum, als Erholungsraum, als Sportraum. Das ist für viele ein Ort der Begegnung. Ich verstehe auch die Post, die als Aktiengesellschaft sagt, ich muss die Revitalisierung irgendwie finanzieren. Aber man muss auch die entsprechende Infrastruktur schaffen, wenn dort 2.500 Menschen zuziehen. Kindergärten, Schulen, Ärzte, Mobilität. Das muss verträglich sein: Für die, die schon da sind und für die, die dazukommen. Aber ich kann nicht sagen, ich baue 1.000 Wohnungen und der Rest interessiert mich nicht.
Zuletzt gab es Ärger über angebliche Baumfällungen am Gelände, Ihre Vorgängerin wollte das prüfen.
Sie hat die zuständigen Behörden eingeschalten, aber mir liegt noch kein Bericht vor. Ich kenne auch nur einige Fotos und da sieht es rein formalrechtlich nicht nach Fällungen aus. Es hat aber so ausgesehen, als hätten sie nur mehr Marterpfähle stehen gelassen. Ob das so klug ist, weiß ich nicht. Aber das muss der Eigentümer verantworten.
Ilse Pfeffer war 20 Jahre im Amt. Werden wir 2040 auch noch ein Interview mit Bezirksvorsteher Jagsch führen?
2040 wäre ich 70 Jahre alt, dafür gebe ich keine notarielle Bestätigung ab. Aber so lange wir als SPÖ und ich als Person das Vertrauen der Bevölkerung habe, die Tätigkeit eines Bezirksvorstehers auszuüben, gerne. Ich möchte zumindest alles daran setzen, dass wir nach der nächsten Wahl 2025 noch so ein Interview führen können. Das ist mein erstes Ziel.
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