Es ist nicht das klassische Kultur-Grätzel, in dem sich Stefanie Gunzy mit ihrem Atelier niedergelassen hat. Links und rechts des kleinen Gassenlokals in der grauen Hernalser Hauptstraße liegen ein Bodenleger und eine Baufirma, gegenüber befinden sich nebeneinander ein Wok-Imbiss, eine Kfz-Werkstatt, ein Bordell und ein ehemaliges polnisches Lebensmittelgeschäft, über dem noch immer der Schriftzug „Korona“ prangt und das man heute wohl nicht mehr so nennen würde, auch nicht mit „K“ geschrieben.
„Ich bin ein Mensch, der gerne Sachen an unüblichen Orten veranstaltet“, sagt Gunzy. Die 37-jährige feministische Künstlerin und Aktivistin ist gerne hier, eben weil es nicht hip und gentrifiziert ist, zumindest bisher. Ab 2032 soll die U5 zum Elterleinplatz führen, rege Renovierungs- und Bautätigkeit im Grätzel lässt bereits erahnen, wohin die Reise geht. Auch Gunzy muss in zwei Jahren aus ihrer Wohnung ganz in der Nähe ausziehen, das Haus wird abgerissen und durch einen Neubau mit Eigentumswohnungen ersetzt.
Frauengeschichte
Vor zehn Jahren hat sie damit begonnen, alte Frauenfotografien mit alten Rahmen und alten, neuen sowie abgewandelten Parolen feministischer Bewegungen zu versehen. Anfangs für sich selbst, schnell waren Freundinnen begeistert, dann folgte ein Testballon mit einem Stand auf einem Weihnachtsmarkt. „Nach vier Stunden war ich ausverkauft“, erzählt sie noch heute leicht verwundert.
Seit damals tourt sie mit ihren Unikaten unter dem Namen „riot grrrl arts“ über Märkte und Pop-up-Stores und hat sich eine Fangemeinde erarbeitet. „Es geht darum, Frauengeschichte sichtbar zu machen und zum Teil zu dekonstruieren“, beschreibt sie die Idee hinter den Werken.
Nach Jahren des Nebenbei-Kunst-Machens in der eigenen Wohnung war es dann Zeit für den nächsten Schritt. Gunzy kündigte ihren Job im Sozialbereich, fand das Gassenlokal und zog im Frühjahr 2021 ein. Kurz darauf folgte die Autorin und Cartoonistin Stefanie Sargnagel, die auf der Suche nach einem Ort für Lager und Versand ihrer T-Shirts war und mit der sich Gunzy bis heute das Atelier teilt.
Ein erster gemeinsamer Lagerverkauf im vorigen Jahr wurde umgehend gut besucht, für 2022 sind monatliche Pop-up-Verkäufe vorgesehen. Der erste beginnt am 8. März, dem internationalen Frauentag oder in Gunzys Worten: dem feministischen Kampftag (siehe Infobox unten).
Name
Zu sehen ist er noch nicht, doch Gunzy hat bereits einen Namen für ihr Atelier: Marsha & Magnus. Die Namensgeber: Marsha P. Johnson, US-Aktivistin, und Magnus Hirschfeld, deutscher Arzt und Gründer der ersten Homosexuellen-Bewegung.
Pop-up–Termine
Vorerst wird das Atelier nur einmal im Monat temporär für Verkäufe geöffnet. Das erste Pop-up in diesem Jahr geht von 8. bis 11. März über die Bühne, die nächsten von 27. bis 30. April und 18. bis 21. Mai.
Das ist aber nicht alles. So wie sie mit ihrer Kunst Frauengeschichte sichtbar machen will, will sie mit ihrem Atelier dazu beitragen, Kunst sichtbar zu machen, die zum klassischen Galeriebetrieb oftmals keinen Zugang findet. Ob queere (ein Sammelbegriff für Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität und/oder nicht heterosexueller Orientierung, Anm.) Künstlerinnen oder Persons of Color, Diversität ist das Stichwort. Gunzy: „Ich orientiere mich an dem, was es nicht gibt, weil was es schon gibt, brauch ich nicht machen.“
Zukunftspläne
Vorerst lädt sie Kunstschaffende aus ihrem über Jahre aufgebauten Netzwerk zu den Pop-up-Verkäufen ein. Das Ziel wäre es, irgendwann einen dauerhaften Concept Store an dem Standort zu etablieren, aber Gunzy will es Schritt für Schritt angehen.
Darüber hinaus wünscht sie sich aber auch, ins Grätzel hinaus zu wirken, eine Art Nachbarschafts-Anlaufstation zu werden: „Es wäre schon cool, wenn wir dazu beitragen können, dass sich hier auch etwas tut.“ So steht auch eine Grätzeloase vor dem Atelier auf der Wunschliste. Zuvor steht aber lokale Vernetzung auf dem Programm. Etwa mit dem Kulturnetz Hernals, das ein paar Gassen weiter seine Basis hat. „Hernals hat da schon etwas zu bieten“, sagt Gunzy. Aber mehr geht ja immer.
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