"Stolz auf Wien": Pleiten waren einkalkuliert
Die politische Botschaft der Stadt war klar und unmissverständlich, als sie am 14. September 2020 ihre Beteiligungs-GmbH "Stolz auf Wien" präsentierte: Man sei angetreten, um wirtschaftlich gesunde Unternehmen, die nur aufgrund der Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten schlitterten, zu retten.
Und zwar mit Eigenkapital, das man seitens der Stadt und einiger privater Förderer zur Verfügung stellte. Wer sich um Mittel bewerben wolle, müsse ein strenges Verfahren durchlaufen, beteuerte man – schließlich handle es sich um Steuergeld.
Bilanz durchwachsen
In 40 Wiener Unternehmen – deutlich weniger als geplant – hat man bis heute investiert. Die Bilanz ist drei Jahre nach Gründung von "Stolz auf Wien" allerdings durchwachsen: Zuletzt schlitterten gleich fünf Unternehmen, an denen die städtische GmbH beteiligt ist, in die Insolvenz.
Getroffen hat es vor allem die krisengebeutelte Gastronomie: Im Juli 2022 konnte die Restaurant-Bar "Berger & Lohn" saniert werden, im Dezember musste der Bäcker "Gragger & Cie" Insolvenz anmelden. Zu Jahresanfang traf es das Café Ritter, die Restaurant-Kette "Habibi & Hawara" und zuletzt das "taste" am Donaukanal. Die Firmen können teils nur einen Bruchteil der Filialen weiterführen, Mitarbeiter verlieren Jobs.
Risiko
Bleibt die Frage: Haben die Verantwortlichen bei "Stolz auf Wien" zu unvorsichtig investiert? Waren die Bewertungen zu risikoreich?
"Nein", sagt Barbara Forsthuber, Geschäftsführerin von "Stolz auf Wien", im Gespräch mit dem KURIER. Sie findet offene Worte, die in der Kommunikation der politisch verantwortlichen SPÖ bisher zu kurz kamen: "Wir haben immer damit gerechnet, dass es nicht alle schaffen werden."
Und: "Es war immer klar, dass bei uns Unternehmen vorstellig werden, die auf dem freien Finanzmarkt kein Geld mehr erhalten." Also jene, denen wenig andere Möglichkeiten bleiben: Es sei "eine harte Entscheidung für Unternehmer, bis zu 20 Prozent abzugeben und uns Mitsprache zuzugestehen", sagt Forsthuber.
Der Prozess, dem sich die Unternehmen aussetzen müssten, sei "ausführlich und besteht aus Screening, Bewertung und Beirat. Sie werden durchleuchtet, um sicherzustellen, dass die Businesspläne plausibel sind und das Geld, mit dem sich die GmbH beteiligt, nach den geplanten sieben Jahren rückführbar ist."
Externer Prüfer bestellt
Umso irritierender ist auch die plötzliche Insolvenz von "Habibi & Hawara", mit denen sich "Stolz auf Wien" erst vor wenigen Monaten einigte. Forsthuber kündigt eine strenge Prüfung an: "Auch wir sind überrascht. Es gab vor einem halben Jahr keine Anzeichen, dass es so endet." Jetzt soll ein externer Wirtschaftsprüfer "aufklären, was passiert ist."
Vom Konzept hinter "Stolz auf Wien" ist Forsthuber weiter überzeugt: "Wir werden weiter unserer Verantwortung gegenüber den Unternehmen gerecht." Viele seien "von einer Krise in die nächste geschlittert. Nach Corona kam die Teuerung. Und viele haben sich erst gemeldet, als andere Hilfen, etwa die Kurzarbeit, ausgelaufen sind."
Bei anderen Firmen unter dem städtischen Schutzschirm drohe "aus jetziger Sicht kein Ungemach". Nachsatz: "Auf lange Sicht sind weitere Sanierungen nicht ausgeschlossen." Im Moment sei man mit weiteren acht Unternehmen befasst, die um Hilfe angesucht haben. Details zu den Summen, die man in die Firmen investiere, nennt man nie.
Insgesamt 40 Unternehmen haben seit 2020 Unterstützung von „Stolz auf Wien“ erhalten. Unter einem der Ersten war das Luxus-Lokal Vestibül im Burgtheater. Es ist bisher auch das Einzige, das seine Anteile von der Stadt wieder zurückerwerben konnte.
Erst seit wenigen Wochen neu dabei ist die Roberto American Bar GmbH. Während der Pandemie wagte man, das insgesamt dritte Lokal am Neuen Markt zu eröffnen. Die dortige Platzumgestaltung und Corona sorgten für Startschwierigkeiten, nun kehren die Touristen und heimische Gäste aber wieder zurück, erklärt Chef Roberto Pavlovic.
Im Grand Café am Alsergrund sei der Betrieb ein "täglicher Ritt auf der Rasierklinge", sagt Stefan Köfl, der das Lokal im Jänner 2020 übernahm. Durch "Stolz auf Wien" habe man aber inzwischen "die Kurve gekriegt".
Gut steht es auch um die Trattoria Martinelli der Familie Barbaro. Das seit 30 Jahren bestehende Restaurant brauchte vor rund einem Jahr schnelle Hilfe. Heuer ist das Lokal im neuen Michelin-Guide aufgelistet. Auf der Liste von "Stolz auf Wien" finden sich noch mehr namhafte Betriebe: die Tschauner Bühne, die Sattlerei, die Wienerwald-Kette oder der Schmuckhersteller Frey Wille.
ÖVP stellt Anfrage
Das kritisiert auch die Wiener ÖVP, die derzeit versucht, mittels schriftlicher Anfrage an den zuständigen Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) Klarheit über den Schaden zu erlangen, der "Stolz auf Wien" durch die Insolvenzen entstehe.
Das Förderinstrument sei eine "intransparente Blackbox", sagt ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch. Er ortet nicht zuletzt Schwächen in der Abwicklung: Die Prüfung der Unternehmen dauere zu lange, sodass die Hilfe oft zu spät komme. "Das Instrument wurde als unbürokratisch beworben. Das ist es aber nicht."
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