Stich zwischen Saft und Sandwich: Zur Impfung in den Supermarkt
„Wenn es darum geht, die Impfungen zu den Menschen zu bringen, sind wir kreativ“, sagt Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Deshalb kann man sich in Wien aktuell nicht nur im Stephansdom, vor diversen Moscheen, beim Film-Festival auf dem Rathausplatz oder unterm Riesenrad impfen lassen (siehe Kasten rechts), sondern seit Mittwoch auch an der Supermarktkassa. Von medizinischem Personal natürlich.
"Deafs a bissal mehr sein?" - Impfen im Supermarkt jetzt möglich
Groß ist der Ansturm zum Start der Aktion Mittwochfrüh im Billa Plus in der Millennium City in der Brigittenau zwar noch nicht – wenn man von den Dutzenden Journalisten, Fotografen und Kameramännern einmal absieht. Während des mehr als einstündigen KURIER-Lokalaugenscheins entscheiden sich gerade einmal zwei Menschen dafür, sich in der improvisierten Impfstation zwischen Obstregalen, Sandwiches und gekühlten Softdrinks ihren ersten bzw. einzigen Stich abzuholen.
Bei Stadt und Rewe-Gruppe hofft man, dass noch möglichst viele der 20.000 Kunden, die den Markt wöchentlich frequentieren, das Angebot spontan wahrnehmen. Als Entscheidungshilfe gibt’s zur Impfung einen Frucht-Drink geschenkt.
„Nie war es unkomplizierter, sich impfen zu lassen“, sagt Hacker über die Aktion.
Junge Bezirke
Auch im Billa in der Favoritner Franz-Koci-Straße 8 und bei Penny in der Simmeringer Hauptstraße 59–61 werden die Vakzine von Johnson & Johnson und Biontech/Pfizer kostenlos und ohne vorherige Anmeldung verabreicht. Neu ist, dass man sich den Impfstoff aussuchen kann.
Dass die Pilotversuche ausgerechnet in Favoriten, Simmering und in der Brigittenau stattfinden, habe primär mit dem Durchschnittsalter in diesen Bezirken zu tun, erklärt Hacker.
Während in Bezirken mit älterer Bevölkerung tendenziell mehr Personen geimpft seien, handle es sich hier um besonders kinderreiche, sprich junge Bezirke. Der hohe Migrantenanteil sei jedenfalls nicht der Kernfaktor, betont der Stadtrat. Immerhin sei die Impfquote in anderen migrantenreichen Bezirken wie der Leopoldstadt oder Rudolfsheim-Fünfhaus doch ganz passabel.
Mit der Nachfrage zeigt sich Hacker prinzipiell zufrieden. Pro Tag würden in Wien 6.000 bis 10.000 Impfungen durchgeführt – davon etwa ein Drittel im niederschwelligen Bereich. Insgesamt konnten in den Impfstationen ohne Termin bis dato rund 64.000 Personen geimpft werden. Spitzenreiter ist die Station in der Lugner City mit 1.911 Impfungen.
Bekannte Motive
Fragt man die Billa-Plus-Kunden, die sich am Mittwoch neben den Kassen impfen ließen, nach ihren Motiven, hört man dasselbe wie im Stephansdom oder vor der Moschee. Die meisten fürchten Einschränkungen für Ungeimpfte oder schätzen die Nähe zur Impfstation.
Ein junger Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, führt noch einen weiteren Grund ins Treffen: „Ich lass’ mich impfen, weil mir das ständige Testen auf die Nerven geht.“ Wie berichtet, hat Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erst am Dienstag verkündet, dass PCR-Tests in Wien ab 1. September nur noch 48 statt 72 Stunden und Antigentests nur noch 24 Stunden gültig sein werden.
„Eine Spontanentscheidung auf dem Weg zur Donauinsel“ sei die Impfung für sie gewesen, sagt Erna Grundl, die allererste Patientin in der Billa-Impfstation. Auch sie kritisiert, dass man ohne Impfung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werde.
Wo überall geimpft wird
In Wien gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich mit Termin, aber auch ohne vorherige Anmeldung impfen zu lassen. Verabreicht werden die Vakzine von Johnson & Johnson sowie von BioNTech/Pfizer - künftig wahlweise. Bei den Impfungen ohne Termin sind bloß ein Lichtbildausweis sowie – falls vorhanden – eine eCard mitzubringen.
Nähere Informationen: impfservice.wien
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