Ursula Stenzel kommt rasch zur Sache: Gleich im Vorwort ihrer nun vorliegenden Autobiografie rechtfertigt sie den wohl umstrittensten Schritt in ihrer Polit-Karriere: Den Wechsel von der ÖVP zur FPÖ 2015. Er sei keineswegs ein Bruch in ihrer Vita gewesen, vielmehr ein Übertritt zu der in ihren Augen damals „besseren konservativen Partei“, schreibt sie. „Der letzte Auslöser war die sogenannte Flüchtlingskrise im Spätsommer des Jahres 2015, die ich als eine Invasion ohne Waffen und das österreichische 9/11 empfand“.
Ein Satz, der zeigt: Auch in ihrer Polit-Pension hat Stenzel ihren Hang zu provokanten Sagern nicht verloren. Wurden sie in ihrer aktiven Zeit oft als spontane Ausrutscher erklärt, wird man dies allerdings von auf Buchseiten niedergeschriebenen Statements kaum behaupten können.
Einzigartige Karriere
Reichlich Stoff für ein Buch bietet Stenzels Leben allemal: Vom ZiB-Studio über das Europa-Parlament in die Bezirksvorstehung Innere Stadt, von der ÖVP zur FPÖ – zumindest für österreichische Verhältnisse hat die heute 76-Jährige eine wohl einzigartige Polit-Karriere hingelegt.
Breiten Raum räumt Stenzel ihrer Herkunft ein, die vielschichtiger nicht sein könnte. So finden sich in ihrer Verwandtschaft väterlicherseits überzeugte Sozialdemokraten, während die Mutter aus einer bürgerlich-jüdischen Familie stammt, die (wie Stenzels Vater und Schwester) mit viel Glück die NS-Zeit überlebte.
Nach journalistschen Gehversuchen gelingt ihr im ORF ein rascher Aufstieg – keine Selbstverständlichkeit für eine Frau in dieser Zeit – bis sie schließlich 1975 erste Moderatorin der ZiB2 wird.
In den folgenden Kapiteln wechseln einander Episoden auf Auslandsreisen und grundsätzliche politische Betrachtungen (vor allem die Sorge vor einer Migrationswelle) ab, gespickt mit bemerkenswertem Detailwissen.
So erinnert sich Stenzel noch, dass ihr der damalige ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel in einem „groß karierten, bunten Hemd“ entgegentrat, als er ihr 1996 die Spitzenkandidatur für die EU-Wahl anbot.
Zurück nach Wien
Stenzel sagte zu und sollte bis 2006 EU-Parlamentarierin sein – um dann Bezirkschefin in der Inneren Stadt zu werden. Es ist wohl sinnbildlich für diese merkwürdige Polit-Karriere, wie Stenzel in ihrem Buch heikle EU-Delegationsreisen nach Afghanistan oder Nordkorea mit derselben Ausführlichkeit schildert wie das Gezerre um die Tiefgarage am Neuen Markt.
Nach ihrem Wechsel zur FPÖ hätte 2020 noch einmal eine Karriere-Wende hinzukommen können. Tatsächlich wollte Heinz-Christian Strache sie für seine Liste gewinnen, verrät Stenzel. Aber: „Wenn etwas ein Fehler war, dann die Abspaltung seiner Liste von der FPÖ.“
Bei allen Verwerfungen endet das Buch versöhnlich. Mit einer Entschuldigung bei Ex-Kollegen Armin Wolf, den sie einst mit einem NS-Richter verglichen hatte.
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