Standvergabe: Todesdrohung auf dem Wiener Christkindlmarkt
Vor dem Rathaus steht bald ein Lamborghini. Nein, nicht das Auto, ein handbemaltes Karussell. Das Karussell der Marke Lamborghini ist eine der Hauptattraktionen des neuen Christkindlmarkts auf dem Rathausplatz. Der fungiert ab sofort auch unter neuem Namen: Wiener Christkindlmarkt.
Die Neubenennung ist der vorläufige Höhepunkt einer Geschichte, die vor drei Jahren mit harscher Kritik am intransparenten Vergabesystem ihren Ausgang nahm. Und heuer mit einer Todesdrohung gegen den Chef des Stadt Wien Marketings, Michael Draxler, und Personenschutz für einen weiteren Mitarbeiter endete.
Undurchsichtig
Es war 2019, als dem KURIER bekannt wurde, wie undurchsichtig das System Christkindlmarkt in Wien ist – nicht nur, aber vor allem bei jenem auf dem Rathausplatz. Zu tun hat das in erster Linie mit dessen bisherigem Veranstalter: dem Verein zur Förderung des Marktgewerbes – und seinem Obmann Akan Keskin.
Dem Wiener Gastronomen und ehemaligen Wirtschaftskammer-Funktionär, der als SPÖ-nah gilt, wurde nicht nur einmal Freunderlwirtschaft bei der Vergabe seiner Stände nachgesagt. Dass seine Tochter einen der wenigen, aber äußerst lukrativen Gastro-Stände vor dem Rathaus betreiben konnte, brachte das Fass zum Überlaufen (Keskin betonte stets, sie habe ein gutes Konzept vorgelegt). Dazu: die immer gleichen Stände, viel Ramsch, wenig Qualität.
Mehr Qualität, weniger Ramsch
Nach anhaltender Kritik – und wohl auch einer Rüge aus dem Rathaus – änderte Keskin sein Konzept etwas ab, führte ein Punktesystem für die Vergabe ein und wollte auch kleinen Handwerksbetrieben einen Standplatz geben. Doch der Stadt war das zu wenig: Im April dieses Jahres entzog sie Keskin die Agenden – und präsentierte ein neues, eigenes Konzept. Erklärtes Ziel: mehr Qualität, weniger Ramsch. Umgesetzt wird es vom Stadt Wien Marketing.
Zwei Drittel der insgesamt 100 Stände, die heuer vor dem Rathaus aufgestellt werden (20 Prozent davon sind Gastro-Stände), werden von Markstandlern betrieben, die auch bisher schon auf dem Rathausplatz vertreten waren. Der Protest jener, die nicht mehr zum Zug kommen, ist groß. Und es blieb in zwei Fällen nicht bei einer lapidaren Unmutsäußerung.
"Tod Draxler"
Im Juni wurde der Eingang zum Büro des Stadt Wien Marketings mit drei schwarzen Kreuzen beschmiert. Außerdem zu lesen: „Tod Draxler“. Damit gemeint: Michael Draxler, gemeinsam mit Paul Weis Geschäftsführer des Stadt Wien Marketings. Ein weiterer Mitarbeiter wurde via Telefon bedroht. „Wir wissen, wo du wohnst. Wir wissen, wo deine Kinder in die Schule gehen“, soll der Anrufer gesagt haben. Das Stadt Wien Marketing meldete beide Vorfälle der Polizei. Sie sprach gegen eine Person ein Betretungsverbot und ein Annäherungsverbot aus.
Die Familie des Mitarbeiters wurde nach den Drohanrufen von ihrer Wohnung kurzerhand in ein Hotel umquartiert, der ganzen Familie wurde zwischenzeitlich Personenschutz zur Verfügung gestellt. „Natürlich gibt es Unzufriedenheit. Aber es darf eine rote Linie nicht überschritten werden. Und das sind Drohungen“, sagt Weis.
Keine namentliche Nennung
Das Zugeständnis zur völligen Transparenz bei der Standvergabe hat deshalb jetzt eine ungeahnte Grenze erreicht. Welche Kriterien die Bewerbung beinhalten muss, wie hoch die Miete für die jeweilige Standkategorie (neun gibt es) ist – das bleibe weiterhin einsehbar. Die Namen jener Expertinnen und Experten von Stadt Wien Marketing, Wirtschaftsagentur, Marktamt, Wien Tourismus und Wirtschaftskammer, die als Kommission über die Standvergabe entscheiden, werden allerdings namentlich nicht genannt. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.
Alles links und rechts des Christkindlmarkts hat das Stadt-Wien-Marketing auch bisher schon veranstaltet. Heuer erstmals ist es auch für den Weihnachtsmarkt an sich zuständig. Die Schwerpunkte – mehr Platz und höhere Aufenthaltsqualität, auch für Kinder – präsentierten gestern, Donnerstag, Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ), der Wiener Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck und Neos-Märktesprecher Markus Ornig.
Der Wiener Christkindlmarkt öffnet am 19. November und geht bis 26. Dezember (Öffnungszeiten: www.christkindlmarkt.at). Das Programm und die Neuerungen im Überblick:
- Fahrgeschäfte: In der Mitte des Platzes wird ein Karussell stehen, 12 Meter hoch und handbemalt. Außerdem wird es erstmals auch ein (kleines) Riesenrad und einen Rentierzug geben.
- Kinderhütte: Fast könnte man meinen, die Christkindlwerkstatt ist zurück. Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr (am Wochenende ab 11 Uhr) können Kinder dort Lebkuchenhäuser bauen, Briefe ans Christkind schreiben, Baumschmuck basteln, Kerzen verzieren. Für die Eltern grenzt ein Indoor-Kaffeehaus an.
- Krippenpfad: 15 Stationen umfasst der Krippenpfad, den der Wiener Krippenverein in Handarbeit hergestellt hat. Herzerlbaum und Mistelzweigpavillon gibt’s auch wieder.
- Eislaufen: 3.000 Quadratmeter Eisfläche stehen bis 8. Jänner zur Verfügung. Es gibt den Traumpfad und eine Eisfläche für Kinder (gratis).
- Kulinarik und Handwerk: 100 Stände werden auf dem Wiener Christkindlmarkt aufgestellt. Speisen und Getränke kommen erstmals vorwiegend in Bio-Qualität und ausschließlich in Mehrweg-Gebinden.
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