Stadttiere: Jetzt wohnen auch Tauben im Gemeindebau
Vor rund zwei Wochen sind Tauben in den Südtiroler Hof, einen Gemeindebau im 4. Bezirk, eingezogen. Sie haben ein extra für sie eingerichtetes Dachgeschoß bezogen: mit frischem Wasser, artgerechtem Futter, Nistplätzen und täglicher Betreuung. Sie können dort über zwei Dachluken ein- und ausfliegen.
Der Hintergrund: Man möchte die Population der Stadttauben in diesem Gebiet kontrollieren und kranke Tiere rechtzeitig versorgen. Der Hauptbahnhof sorgt angeblich für eine Taubenplage auch im Gemeindebau. Im Taubenschlag werden die Eier entsorgt und durch Gipseier getauscht. Kranke Tiere werden in Laxenburg behandelt und ausgesetzt, schlimmstenfalls auch eingeschläfert.
Image und Pilotprojekt
Es ist ein Pilotprojekt des Wildtierservices in Laxenburg, das hier mit Wiener Wohnen kooperiert. „Andere Standorte sind in Planung“, sagt Günther Annerl, Leiter des Wildtierservice. Wo, ist aber noch unklar. Dass es weitere „Taubenhotels“ in Gemeindebauten geben wird, sei jedenfalls nicht auszuschließen. Die Gemeindebaubewohner wurden über den Zuzug jedenfalls nicht gefragt, nur informiert.
Population
In Wien gibt es laut Zählung des Wildtierservice 50.000 bis 60.000 Tauben, die meisten leben im innerstädtischen Gebiet
Gute Navigatoren
Die Vögel verstehen Zeit und Raum ähnlich gut wie Affen und verfügen über ein gutes Navigationssystem. Setzt man sie am Stadtrand aus, finden sie stets zurück
20 Jahre
Tauben leben drei bis vier Jahre, ihre maximale Lebenserwartung liegt aber bei 20 langen Jahren
Die Stadt hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Image der Taube zu wandeln – also weg von der „fliegenden Ratte“. Daran soll eben auch das Forschungsprojekt „Stadttauben“ vom Wildtierservice arbeiten. „Die Tiere sind intelligent und gehören zur Stadt“, sagt Annerl. Daten und Fakten werden dazu erhoben: An drei Tagen wurden jeweils zweimal die Tauben in der Stadt gezählt.
So entsteht eine Karte, die zeigt, wo sich besonders viele Tauben aufhalten: wie etwa am Handelskai, Volkstheater oder Volksgarten. Außerdem werden die Tauben in der Wildtierstation beringt. Sie bekommen einen Ring über den Fuß, der ihren Bezirk und das Alter anzeigt. Und man kümmert sich auch um gefundene oder verletzte Taubenküken, die abgegeben werden. Die Küken sehen übrigens aus wie kleine Raben mit gelben Federn.
Zeitgemäßer Wandel
Aber woher kommt der Sinneswandel der Stadt? 2014 wurde noch mit der „fliegenden Ratte“ kampagnisiert. „Wer Tauben füttert, füttert Ratten“. Diesen Spruch kennt man nur zu gut. Dafür musste die Stadt Kritik ernten.
Das Umdenken startete bereits 2019 mit einem Forschungsprojekt. Auslöser war die Gründung des Wildtierservice Wien, das zur MA49 (Forst und Landwirtschaftsbetrieb) gehört – also noch bevor der jetzt zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) sein Amt übernahm. Aber auch er sieht das Projekt als eine „sinnvolle Initiative, die zu einem zeitgemäßen Umgang mit Tauben in einer Großstadt beitragen soll“.
Der Ursprung der Taube ist zudem fast göttlich ist: die Taube war Symboltier der Liebesgöttinnen in Mesopotamien, Griechenland und im Römischen Reich.
Sie steht im Christentum für den Heiligen Geist und brachte Noah am Ende der Sintflut einen Olivenzweig. Die Stadttaube stammt von der Haustaube ab. Aber der Kot sorgt für viel Ärger, Schmutz und Kosten.
Übrigens wurde schon einmal ein Taubenschlag eingerichtet – und zwar im Dach des Amtshauses in Meidling. Nach zehn Jahren und 3.000 getauschten Eiern war das Fazit: die Tauben hatten sich vermehrt. „Rund 80 Tauben wohnten am Dach und draußen auf der Straße wurde ihr Platz von neuen ersetzt“, so eine Sprecherin der Tierschutz Ombudsstelle, die damals dafür zuständig war. Das Dilemma war und ist das massive Futterangebot, heißt es dort.
Für Annerl ist der Taubenschlag im Gemeindebau hingegen Teil des Ganzen: „Wir wollen eine gesunde Taubenpopulation, die wichtig für die Biodiversität ist“. Daher sei es auch wissenschaftlich begleitet. Die Taube sei etwa auch ein Nahrungsmittel für den Stadtfuchs, so Annerl.
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