Wer füttert, riskiert 36 Euro Strafe

Tierfreundin Brigitte Martzak ignoriert das prinzipielle Tauben-Fütterungsverbot. Die Müllvermeidungskampagne der Stadt Wien findet sie „Kreaturen-verachtend“.
Vogelfreunde bekämpfen Aktion scharf gegen Müllsünder: "Stadt will die Tiere ausrotten".

Wenn Brigitte Martzak an Tauben denkt, kommen ihr Brieftauben in den Sinn. "Hochintelligente Vögel mit ausgeprägtem Sozialverhalten." Oder Friedenstauben. Oder Hochzeitstauben. Deshalb steigt der Obfrau des Vereins "Event & Plattform gegen Tierleid" die Zornesröte ins Gesicht, wenn sie im Park eines der orangen Hinweisschilder der MA48 erblickt, auf denen in Großbuchstaben "Wer Tauben füttert, füttert Ratten!" steht. Um die Botschaft zu untermauern, ist eine Taube mit Rattenkopf abgebildet. "Ein lang vorbereiteter Skandal", findet Frau Martzak. Ihrer Meinung nach "beabsichtigt die Stadt Wien die Ausrottung der Tiere".

Hinter der "Kreaturen-verachtenden Kampagne" stehe Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ), die es sich in Zusammenarbeit mit der Tierschutz-Ombudsstelle zum Ziel gesetzt habe, "das Image der Vögel noch mehr zu schädigen". Quasi "Ratten der Lüfte", statt anmutige Friedenssymbole.

Eine Argumentation, die seitens der Stadt mit zwei Worten kommentiert wird: "Absolut absurd."

"Hungertod"

Martzak steht mit ihrer Kritik allerdings nicht ganz allein da. Auch Hans Lutsch, Sprecher der ARGE Stadttauben Salzburg, übt Kritik an der Wiener Tauben-Politik. "Wenn man die Vögel nicht füttert, setzt man sie bewusst dem Hungertod aus", ist er überzeugt.

Dass es dennoch geschätzte 150.000 Tauben in Wien gibt, habe mit deren Arterhaltungsreflex zu tun: "Je mehr Ausfälle eine Taubenpopulation verzeichnet, desto höher ist die Nachwuchsrate." Das Wiener Fütterungsverbot, das wohl auch auf die Reduzierung der Tauben abziele, verursache also nicht nur Tierleid, sondern sei auch noch kontraproduktiv. In Salzburg habe das dortige Fütterungsverbot die Anzahl der Vögel jedenfalls nicht verringert.

Für die Kampagne der MA48 fehle jede rechtliche Basis, "artgerechtes Füttern kann nicht bestraft werden", glauben sowohl Lutsch als auch Martzak. Im konkreten Fall hieße das: "Körndln füttern ist erlaubt."

Für Wien fordert Martzak nun spezielle Fütterungsstellen. "Außerhalb der Stadt wäre genügend Platz vorhanden, um Taubenkobel einzurichten – wo man durch Geburtenkontrolle die Population gezielt rückführen könnte."

Im Büro Sima lässt man sich auf die Debatte, ob "richtiges" Füttern legal ist, gar nicht erst ein. "Zeigen Sie mir jemanden, der artgerecht füttert", sagt eine Sprecherin zum KURIER. Statt mit eiweißhältigen Körnern würden die Tauben mit Speiseresten aller Art gefüttert. Von Pizzaschnitten, über Burger-Reste bis hin zu alten Semmeln. Und das verstoße eben gegen die Sauberkeitsregeln.

Zwölf Organmandate

Verfehlungen dieser Art werden von den Wiener "WasteWatchern" geahndet. Seit Beginn des Jahres stellten sie auf öffentlichen Plätzen bereits zwölf Organmandate à 36 Euro gegen unbelehrbare Taubenfütterer aus. In weitaus mehr Fällen habe man die Bürger dagegen erfolgreich aufgeklärt. "Ein Fall, in dem nur Körner gestreut hätte, ist mir nicht bekannt", betont die Sima-Sprecherin.

Tierschutz-Ombudsfrau Eva-Maria Persy weist den Vorwurf, ausgerechnet sie unterstütze die Ausrottung der Tauben, entschieden zurück. Dass die Vögel im Stadtgebiet auf gezieltes Füttern angewiesen wären, sei ebenfalls "Blödsinn".

"Unsere Botschaft ist, dass die Tiere nicht falsch gefüttert werden sollen", erklärt Persy. "Die Leute schmeißen ja alle möglichen Speisereste weg – aber das schadet den Tauben mehr, als es ihnen nützt."

Zudem sei im Amtshaus Meidling bereits ein Taubenkobel eingerichtet worden, wo durch den Austausch der Eier gegen Attrappen auch Geburtenkontrolle betrieben werde.

Tauben gelten nicht nur als Überträger von Krankheitskeimen, ihre Exkremente setzen auch Gebäude-Fassaden und Denkmälern gehörig zu.

Welche Ausmaße die Taubenplage annehmen kann, wissen auch die Wiener Linien. Rund eine Million Euro kostete sie im Vorjahr die Sanierung des Bahnhofs Floridsdorf, wo Fahrgäste jahrelang besonders unter den Vögeln und ihren Hinterlassenschaften zu leiden hatten.

In einer Zwischendecke der U-Bahn-Station hatten sich über die Jahre hinweg unzählige Tauben angesiedelt. Kot, Federn und die Kadaver der toten Tiere fielen zum Ärger der Passagiere aus den Deckenelementen.

Sanierung

In Zusammenarbeit mit Tierschutzorganisationen entschlossen sich die Wiener Linien schließlich, die Deckenteile zu tauschen, um den Tauben den Zugang zu versperren.

Die Arbeiten waren nicht gerade einfach: Wegen der enormen Mengen an Taubenkot und verwesenden Tieren mussten die Arbeiter und freiwilligen Helfer während der Sanierung und Reinigung Schutzkleidung samt Handschuhen und Atemschutz tragen. Die Jungtiere wurden vom Verein Wildtierhilfe übernommen.

Auch die Wiener Bevölkerung hat mehrheitlich keine Freude mit den grauen Federtieren. 66 Prozent befürworten Strafen für Taubenfütterer. Das ergab im Vorjahr eine Umfrage im Auftrag von Umweltstadträtin Ulli Sima  (SPÖ).

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