Wo die Sujets sehr wohl zu sehen sind, ist der neue Bildband „Das Plakat in der Stadt“, in dem aufbereitet wurde, wie sich in den vergangenen hundert Jahren das Stadtbild verändert hat.
Es begann mit einem Dienstzettel
Es existiert ein Dienstzettel vom 27. Juni 1923, auf dem der damalige Finanzstadtrat Hugo Breitner den Direktor der städtischen Sammlungen fragte, ob die Plakate in Wien gesammelt werden.
Diesem Wunsch wird bis heute nachgekommen. In der Wienbibliothek im Rathaus gibt es mittlerweile 400.000 Exemplare – eine der größten Plakatsammlungen der Welt ist so entstanden. Sie sei wie ein „Tagebuch der Straße“, sagt Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Und dieses Tagebuch wächst jedes Jahr um etwa 3.000 Plakate.
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Auch die Geschichte der Plakate selbst wird in dem Buch aufgearbeitet. Wien, so erfährt man beim Schmökern, war ein Vorreiter, was die Plakatierungen in der Stadt betraf. Um 1900 gab es bereits rund 1.700 Anschlagstellen. In Berlin und München gab es jeweils nur rund 700, einzig Paris hatte mit 3.000 Stellen mehr.
"Es gibt kein Entrinnen"
Sich über (penetrante) Werbung aufzuregen, dürfte schon damals en vogue gewesen sein – Schriftsteller Karl Kraus schrieb im Jahr 1909 in der Zeitschrift Die Fackel, dass es „vor der Kakophonie auf den Wänden aus den einander überlagernden und übertönenden Bildern (...) kein Entrinnen gibt“.
Dass man in den 1920ern beschloss, alle Plakate aufzuheben, hängt auch mit einer politischen Änderung zusammen. Von der neuen Sozialdemokratie wurde nach dem Ersten Weltkrieg das Ankündigungswesen in der Stadt monopolisiert. Im September 1921 beschloss der Gemeinderat die Gründung der Gewista. Nur zwei Jahre später wurden mit der Wipag (Wiener Plakatierungs- und Anzeigen-Gesellschaft) auch die privat bewirtschafteten Plakatflächen übernommen.
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Sie richteten sich nicht mehr an die Fußgänger, sondern an die Autofahrer und mussten darum aus größerer Entfernung und in kürzerer Zeit erkennbar sein. Alles hat sich im Lauf der Jahre dann aber auch wieder nicht geändert. Ins Hawelka kann man schließlich immer noch gehen.
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Die Begründung: Man wolle das Stadtbild vor „regelloser Plakatierung“ schützen, außerdem sei so eine professionelle Bewirtschaftung im Interesse der städtischen Einnahmen möglich.
Größer und sichtbarer
Nicht nur die abgebildeten Sujets zeigen die Entwicklung der Gesellschaft – anhand der Größe kann man feststellen, wann sich das Mobilitätsverhalten geändert hat. In den 1950er-Jahren dominierten noch Plakate in der Größe A0, also Zwei-Bogen-Plakate. Ab den 1960er-Jahren waren vermehrt 24- oder 48-Bogen-Sujets an den Wänden zu sehen.
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