Wenn Mosaike Wiener Stadtgeschichte erzählen
Zur Winterzeit wirken die Straßen Wiens oft grau und kalt. Aber mit nur einem Blick nach oben, auf die Fassaden der Häuser, können Spaziergänge plötzlich eine ganz neue Farbe bekommen. Grund dafür sind die vielen bunten Mosaike auf den Häusern in der Stadt.
Das Mosaik-Gemälde „Ziegelarbeiterinnen“ in der Laxenburgerstraße 12 im 10. Bezirk etwa. Es ist groß und bunt – und erinnert an die düstere Geschichte der Ziegelarbeiter am Wienerberg, an harte Arbeit und Ausbeutung. Auch das Mosaik „Zeiserlwagen“ an der Fassade des Gemeindebaus an der Amortgasse 1 im 14. Bezirk ist farbenprächtig. Es zeigt die ab 1825 verkehrende Stellwagenlinie, die die Menschen aus der Stadt zur Sommerfrische in die Vorstädte brachte.
Das sind nur zwei der vielen Kunstwerke, die das selbst ernannte Forscherteam – der Wiener Fotograf Lukas Arnold und der Historiker Marcello La Speranza – in ihrem Buch „Mosaikwelt Wien“ festgehalten haben. „Wir nehmen Leser mit auf eine Zeitreise durch die Stadtgeschichte. Von den Anfängen der Stadt bis hin zur Gegenwart“, sagt Arnold.
Der rote Turm
Auch in der Rotenturmstraße 23 beim Schwedenplatz sind Mosaik-Steinchen an der Fassade befestigt: Der dargestellte Turm mit seinem schachbrettartigen Muster und dem Ziegeldach erregt schnell die Aufmerksamkeit der Passantinnen und Passanten. Zusammen mit dem davor platzierten Tor soll er eine mittelalterliche Stadtbefestigung darstellen.
Früher soll hier, zwischen den Gleisen der Straßenbahn und den Häusern Schwedenplatz 23 und 25, ein roter Turm gestanden sein. Immer wieder ist der rote Turm umgebaut worden, ehe ihn Maria Theresia und ihr Sohn Joseph 1776 entfernen lassen haben sollen. Seit dem Jahr 1862 schlägt sich der rote Turm auch in der Straßenbezeichnung nieder: Die Rotenturmstraße war geboren. (Und kommt übrigens auch in Erich Kästners Kinderbuchklassiker „Das doppelte Lottchen“ kurz vor, Anm.)
Intensive Recherchen
Bevor es zum Mosaik-Buch kam, war Autor Lukas Arnold zwei Monate lang in ganz Wien unterwegs, wie er im KURIER-Gespräch erzählt. „Um die zehn Stunden pro Tag habe ich die Kunstwerke aufgesucht und dokumentiert.“ Nach der Recherche des Fotografen konnten mehr als 250 Adressen von Mosaiken, Sgraffiti und Reliefen gefunden und dokumentiert werden. Das Buch verfügt über alle notwendigen Informationen, die Interessierte brauchen, um die Häuser mit den Mosaiken finden und die Geschichten, die hinter den Bildern steckt, verstehen zu können.
Nachkriegszeit
3000 v. Chr.
Der Ursprung des Mosaiks liegt im heutigen Irak. Nahe der Stadt Ur fand man einst die ältesten Mosaike der Welt.
Leopold Forstner
Der Material-Künstler des Wiener Jugendstils war bekannt für seine Mosaiktechnik. Von ihm stammt etwa das Hochaltarmosaik in der Kirche am Steinhof.
5 Millionen
So viele Mosaikstücke wurden beim größte Mosaik-Kunstwerk der Welt verwendet. Es befindet sich im Hisham-Palast
im Westjordanland.
Die meisten Mosaikbilder in Wien wurden vor allem in den 1950er-Jahren in der Nachkriegszeit geschaffen. Die Stadt wendete damals rund drei Millionen Schilling pro Jahr für Kunstwerke wie diese auf. Insgesamt zehn Jahre wurde damals in dieses Projekt investiert.
Die Schaffung von Mosaiken an den Hausfassaden diente aber nicht nur der Neugestaltung und Verschönerung der Stadt, es sollten vor allem Bilder der Identitäten der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt geschaffen werden.
Das Buch „Mosaikwelt Wien“ ist für 24,50 Euro über den Verlag Mokka erhältlich.
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