Stadtentwicklung in Wien: Die Sorgen der Naschmarkt-Standler
Der Ton am Naschmarkt ist rau: „Ich weiß von nix! Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Stadt macht, was sie will, nur nicht das, was sinnvoll wäre“, ärgert sich Wolfgang Himmelsbacher. Seine Familie betreibt seit 60 Jahren einen Gemüsestand, die Meinung der Geschäftstreibenden würde aber niemanden interessieren. Grund für seinen Ärger sind die Pläne für die umstrittene Umgestaltung des Markts.
Nachdem die Idee einer Markthalle am Naschmarkt-Parkplatz auf heftige Proteste stieß, legte Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) am Montag ein neues Konzept vor. Vorgesehen sind drei Zonen: ein Park, eine Mulitfunktionsfläche samt Flohmarkt sowie der Bereich für den Bauernmarkt. Parkplätze fallen zur Gänze weg. Basis der Neugestaltung ist eine vorausgegangene Bürgerbefragung.
Fressmeile
Auf die Frage, was er von der Bürgerbefragung halte, winkt Himmelsbacher nach jemandem. „Das kann Ihnen der Alfred beantworten.“ Gemeint ist Alfred Dorfer, der Kabarettist. Gekleidet in eine blaue Schürze hilft der Schauspieler beim Gemüseverkauf. Als Anrainer engagiert sich Dorfer auch bei der Bürgerinitiative „Freiraum Naschmarkt“, die sich gegen eine Bebauung einsetzt.
„Es war immer klar, dass die Stadt ihre Pläne durchpeitschen will. Bei der Befragung wurden auch keine Alternativen abgefragt. Es findet keine Kommunikation statt. Wenn man den Markt zu einer Fressmeile machen will, soll man es offen sagen.“
Eine Halle zu errichten hält Dorfer für „Schwachsinn“. Vom Tisch ist eine solche nämlich nicht. Auf dem Bereich des Bauernmarktes ist weiterhin die „Möglichkeit einer Bebauung“ vorgesehen. „So wie sich der Markt entwickelt, mache man ihn kaputt“, kritisiert der Kabarettist.
Bei manchen Standlern stößt man auf Wut und Resignation. Ihre Meinung würde nicht zählen. Was kommt, das kommt, beendet man das leidige Thema.
Besorgt sind viele wegen des Aussterbens von Blumenhändlern und Fleischhauern, die Gastro-Lokale würden überhand nehmen. Früher sei der Naschmarkt der „Garten Eden“ gewesen, wie Gerhard Urbanek es beschreibt.
Was ihn weniger stört, ist der Wegfall der Parkplätze: „Die Menschen müssen sich daran gewöhnen, dass die Autos aus der Stadt raus müssen. Außerdem gibt es rundherum genug Parkhäuser.“
Innerhalb der Familie Urbanek sieht man das unterschiedlich, Sohn Thomas hält den Wegfall aller Stellplätze für einen „Schmarrn“. Begrüßt wird von ihm das Vorhaben für mehr Frei- und Bewegungsraum.
Einigkeit gibt es bei der Ablehnung einer Halle oder Überdachung. Auch die Stammkundschaft, hält jede Art von geschlossener Bebauung für „furchtbar“.
„Dann kommen wahrscheinlich noch mehr Lokale“, fürchtet Thomas Urbanek. Damit ist er nicht allein, die mögliche Bebauung der Bauernmarktfläche bereitet auch der Bürgerinitiative „Freiraum Naschmarkt“ Sorgen. Per Aussendung lehnt man schon jetzt eine Gastro-Zone ab: „Aus Sicht der Anrainer soll der Bereich auch in Zukunft ausschließlich Händlern von Frischwaren zur Verfügung gestellt werden.“
Grüner Magnet
Sich wie im Freien fühlen, obwohl man drinnen sitzt. Genau das sei es, was den Gästen am Naschmarkt gefällt, wie Kellnerin Florentina im Restaurant „deli“ erklärt. „Der Naschmarkt ist ein besonderer Ort in Wien. Hier herrscht ein anderer Flair, es ist familiärer und offener.“
Sie steht an fünf Tagen die Woche im Lokal und kennt die Kundschaft, darunter viele Stammgäste und Touristen. „Die meisten reisen mit den Öffis an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass fehlende Parkplätze ein Problem werden“, sagt Florentina. Mehr Begrünung würde in Zukunft noch mehr Menschen auf den Markt ziehen. „Im Frühling und Sommer wird der Naschmarkt wie ein Magnet sein“, ist sich Florentina sicher.
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