Späte Taufe für die Namenlosen: Wiener Parks werden erstmals benannt
Das Erste, was man auf dieser Welt bekommt, ist ein Name. Menschen kriegen einen, zahme Tiere auch, selbst Gegenstände werden benannt. Besonders wichtig sind den Wienerinnen und Wienern aber die Namen von sogenannten Verkehrsflächen, also Straßen, Gassen oder Parks. Ganze Kommissionen werden eingesetzt, um den passenden Namen dafür zu finden. Und dennoch gibt es sie, die namenlosen Wiener Orte.
Dass diese Verkehrsflächen keinen offiziellen Namen haben, fällt aber meistens gar nicht auf. Beim kürzlich benannten „Fuchu-Park“ in Hernals war das etwa der Fall.
Anlässlich der 30-jährigen Freundschaft des Bezirks mit der japanischen Stadt Fuchu wurde der Park Anfang Oktober benannt.
Volksnamen
Über die Tatsache, dass der Park davor jahrzehntelang keinen offiziellen Namen hatte, täuschte ein inoffizieller Volksname hinweg. Bis vor Kurzem nannten die Hernalser diesen Park nämlich noch „Kastanienpark“.
Nach den dortigen Kastanienbäumen, heißt es aus dem Büro von Bezirksvorsteher Peter Jagsch (SPÖ). Volksnamen erwachsen aber nicht nur aus Baumarten: Der „Christine-Nöstlinger-Park“ zum Beispiel wurde wegen der angrenzenden Lidlgasse bis zu seiner Benennung jahrelang „Lidlpark“ genannt.
Hin und wieder fällt es aber auf, dass ein Platz keinen offiziellen Namen trägt – wenn auch nur ganz zufällig. Vor der Umgestaltung des Loquaiplatzes und des dazugehörigen Parks etwa hat die Bezirksvorstehung Mariahilf bemerkt, dass der Park nie offiziell nach dem Kommunalpolitiker Ferdinand Loquai benannt wurde.
Anstatt Platz und Park umzubenennen – wie es aufgrund von Loquais Antisemitismus gefordert wurde – wird nun nur der namenlose Park erstmals offiziell benannt. „Schmalzhoftempelpark“ wird er zukünftig heißen. Nach der ehemaligen Synagoge, die sich bis 1939 dort in der Nähe befand, heißt es aus dem Büro von Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (SPÖ). Der Platz dagegen wird auch weiterhin den Namen Loquai tragen.
Keine Adressänderungen
Dafür gibt es einen speziellen Grund: „In Wien soll es tunlichst nicht zu Adressänderungen kommen“, sagt Peter Autengruber von der Historikerkommission zur Prüfung der Wiener Straßennamen. Das sei ein zu großer bürokratischer Aufwand für die Anrainer und könnte auch bei Einsatzfahrzeugen für Verwirrung sorgen.
Straßennamen
88 Prozent der Wiener Straßen sind nach Männern benannt. Um das Geschlechterverhältnis auszugleichen, gab es bei Benennungen zuletzt einen Überhang zugunsten von Frauen
Gemeindebauten
1.800 gibt es in Wien. Nur 400 haben einen offiziellen Namen
Die häufigsten Namen
Die Person mit den meisten Verkehrsflächen ist Bruno Kreisky (Bild). Nach im wurden ein Platz, ein Gemeindebau, ein Park und eine Gasse benannt. Auf Platz 2 liegt Architektin Margarete Schütte-Lihotzky
Benennungen
Jeder kann eine Benennung initiieren. Im Bezirksparlament wird diskutiert, die Entscheidung fällt im Referat für Verkehrsflächenbenennungen
Parks dagegen haben keine Adresse – und hin und wieder auch noch keinen Namen. „Früher wurden Parks fast gar nicht benannt. Nur die großen, wie Schönbrunn, Volksgarten oder Burggarten“, sagt Autengruber. In den vergangenen 20 Jahren sei die Benennung von Parks aber in Mode gekommen.
Dass immer neue zu benennende Flächen gesucht werden, hänge damit zusammen, dass sich Wertvorstellungen in der Gesellschaft im Laufe der Zeit verändern. Wurde früher hauptsächlich Männern die Ehre zuteil, als Namensgeber für eine Fläche zu fungieren, versuchen die Bezirke nun, ihre Straßen und Parks nach Frauen zu benennen. Nur 12 Prozent der Wiener Verkehrsflächen seien derzeit nach Frauen benannt, sagt Autengruber. „So ein Aufholprozess braucht Zeit“ – und namenlose Flächen. Wie viele dieser Orte ohne Namen es in Wien gibt, ist nicht bekannt. Erahnen können das nur die Bezirke – und oft auch sie nicht. Denn namenlose Flächen scheinen nirgends auf. Steht eine Benennung ins Haus, wird aktiv nach den Flächen gesucht.
Keine Lebendbenennungen
Damit eine Straße, eine Gasse oder ein Park aber überhaupt zu einem Namen kommen, muss der Namensgeber einige Kriterien erfüllen. Die Person müsse etwa einen „Verdienst um Wien“ erbracht haben, sagt Autengruber. Beispiele seien bekannte Politiker, aber auch Pioniere der Wissenschaft oder der Kunst. Eine gewisse Bezirksverbundenheit sei ebenfalls von Vorteil aber nicht zwingend notwendig.
Außerdem müsste die Person tot sein. „Wien ist da eine Ausnahme. In vielen anderen Städten gibt es Lebendbenennungen“, sagt Autengruber. Das könne aber durchaus zu Problemen führen: In Graz zum Beispiel wurde das Fußballstadion 1995 nach dem Schauspieler Arnold Schwarzenegger benannt. Als dieser 2005 als Gouverneur von Kalifornien aber das Gnadengesuch eines zum Tode Verurteilten ablehnte, entbrannte in Österreich eine Debatte, die auch zur Umbenennung des Stadions führte.
„Man weiß eben nie, wie sich eine Person in ihrer Zukunft noch entwickelt“, sagt Autengruber. Nicht jeder kann also Namensgeber für eine Verkehrsfläche werden, ein Ansuchen initiieren aber schon.
Vor allem in den Stadtentwicklungsgebieten sei in den vergangenen Jahren durch die Entstehung neuer Flächen einiges an Benennungen möglich gewesen, sagt Autengruber. In den Innenbezirken dagegen brauche es Kreativität. Nicht selten wird deshalb aktiv nach Flächen gesucht. Etwa in Margareten, wo man eine vergleichsweise kleine Grünfläche nach Drahdiwaberl-Sänger Stefan Weber benannt hat.
Gemeindebauten
Dort, wo mittlerweile auch namenlose Parks knapp werden, behilft man sich mit der Benennung von Gemeindebauten, sagt Autengruber. Zuletzt etwa wurde in der Kaiser-Ebersdorfer-Straße in Simmering dem Wehrmachtsdeserteur und Aktivisten Richard Wadani ein Gemeindebau gewidmet.
Denn – und das mag für viele überraschend kommen – von den 1.800 Wiener Gemeindebauten haben laut Autengruber nur circa 400 einen Namen. Zwar seien einige dieser Gebäude schon in der Zwischenkriegszeit benannt worden, größeres Interesse habe aber nicht bestanden. „Es ist wie bei den Parks. Früher gab es einfach nicht die Notwendigkeit, Gemeindebauten zu benennen. Man hat sich nur auf Straßen konzentriert.“
Promenaden seien deshalb bisher ebenso außer Acht gelassen worden. Bereits in diesem Jahr aber sind 16 Promenaden benannt worden – etwa die Adele-Jellinek-Promenade in der Leopoldstadt, die nun Teil des Donaukanal-Ufers ist. Namenlose Flächen, die künftig benannt werden wollen, lassen sich also durchaus noch finden.
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