40 Prozent mehr Kunden
Auch wenn viele es nicht so direkt ausdrücken würden wie Frau Brezik, die Hemmschwelle, in den Sozialmarkt zu gehen, hat zuletzt – gezwungenermaßen – stark abgenommen. Obwohl es trotz Teuerung für die meisten Menschen nicht einfach sei, sich einzugestehen, dass sie Hilfe brauchen, ist laut Samariterbund die Anzahl der Kunden um 40 Prozent höher als vor einem Jahr. 22.000 Kunden kommen derzeit allein in die Wiener Märkte. Kein Wunder, in Österreich sind 17,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Das entspricht 1.555.000 Menschen.
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Die Sozialmärkte stellt das vor eine Herausforderung, denn immer häufiger werden bestimmte Produkte knapp. „Da spielen mehrere Faktoren zusammen. Die Lebensmittelwertigkeit hat sich für Lebensmittelketten verändert, was im Sinne der Nachhaltigkeit gut ist. Aber natürlich bleibt für uns weniger Ware übrig. Gleichzeitig machen die Preise fast allen zu schaffen, wodurch die Spendenfreudigkeit abgenommen hat“, erklärt Georg Jelenko, der beim Samariterbund die Sozialmärkte leitet.
Zuletzt startete der Samariterbund deshalb einen Aufruf für Lebensmittelspenden. „Unterstützen kann jeder. Ob finanziell, per Sachspende oder als Ehrenamtlicher“, betont die Präsidentin des Wiener Samariterbunds, Susanne Drapalik. Man freue sich auch über ein Packerl Nudeln. Neben Grundnahrungsmitteln seien Hygieneartikel gefragt.
Dass es das Angebot braucht, zeigt das Beispiel des 37-jährigen Stefan Prvulovic. Er arbeitet als Entrümpler, gewisse Produkte kann er sich aber nur mehr schwer leisten: „Das erste Mal herzukommen, war eine Überwindung. Aber ich achte auf meine Ernährung und die Preise für Obst und Gemüse in Supermärkten sind eine Frechheit. Das günstigere Angebot hier hilft mir, über die Runden zu kommen.“
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Der ernährungsbewusste Entrümpler, dessen Wagerl voll mit Bananen und Paradeisern ist, ist einer von rund 300 Kunden, die täglich in der Böckhgasse einkaufen. Eine durchschnittliche Familie kann sich so monatlich 200 Euro sparen. Ein Betrag, der einen Unterschied macht: „Das ist für viele nicht vorstellbar, aber unsere Kunden kämpfen das ganze Monat um jeden Cent, damit am Ende was übrig ist. Viele sparen den ganzen Sommer für den Schulstart“, schildert Jelenko. Betroffen seien vor allem Alleinerzieherinnen, Mindestpensionisten sowie Migranten.
In der „Suppenküche“ hat mittlerweile jeder sein Mittagessen bekommen. Jetzt sitzen die Menschen zusammen, tratschen und scherzen mit dem Koch. In diesem Moment scheint der Kampf gegen die Einsamkeit genauso wichtig wie jener gegen den Hunger. Jelenko bestätigt diesen Eindruck: „Wir können hier vielleicht nicht die Armut bekämpfen, aber wir können zumindest den davon betroffenen Menschen helfen.“
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