"Die Schwalben werden bei uns in immer schlechterem Zustand abgegeben. Vor vier Tagen waren sie vielleicht noch ein bisschen matt, aber jetzt kommen auch viele bereits sterbende Tiere zu uns", sagt Scheidl. Und auch unter den geretteten Schwalben ist die Sterblichkeitsrate leider sehr hoch - trotzdem heißt es jetzt "Gas geben und zusammenhalten".
Gerade kommen zwei Damen in lila Vöslauer-Weste mit einem großen Karton herein. Sie kommen aus Bad Vöslau, direkt vom Vöslauer-Betriebsgelände. "Bei uns am Verladeplatz war eine große Vogelansammlung, wir haben jetzt alle verfügbaren Lagerarbeiter zusammengetrommelt, die noch dabei sind, die Schwalben einzusammeln. Aber mit diesen sind wir schon mal losgefahren", erzählt eine der beiden. Eine gute Entscheidung, denn bei der Rettung der empfindlichen Tiere zählt jede Minute. Seit fast fünf Tagen haben sie nichts mehr zu fressen und sind völlig ausgekühlt.
Nicht selbst versorgen
Deshalb rät Scheidl auch ausdrücklich dazu, die Tiere so schnell wie möglich ins Tierschutzhaus Vösendorf zu bringen, anstatt zu versuchen, sie zu Hause aufzupäppeln. "Sie fressen ja auch nicht aus der Schüssel, man muss sie wirklich händisch füttern und das alle zwei bis drei Stunden rund um die Uhr." Etwas, das auch in Vösendorf nur mit Hilfe von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern möglich ist, die das Team bei der Versorgung der Tiere auch über Nacht unterstützen.
So wie Amelie, die am Vortag schon hier war, um eingesammelte Schwalben abzugeben und gleich dageblieben ist. Heute schult sie schon die neuen Freiwilligen ein. "Erst nimmst du die Schwalbe aus der Box und wärmst sie ein bisschen in der Hand", erklärt die vierfache Mutter, die heute eine ihrer Töchter zum Helfen mitgenommen hat. Die Schwalbenherz schlägt schnell, die filigranen Füße krallen sich in der leicht geschlossenen Faust an einem Finger fest.
Dann zeigt Amelie vor, wie man am besten den kleinen Schnabel öffnet, ohne dabei das Tier zu verletzen. "Das Schnabelöffnen ist die Kür", sagt eine andere Freiwillige lachend. Mit einer Pinzette wird den Vögeln ein eingeweichtes Heimchen in den Schnabel gesteckt, mit einem Wattestäbchen leicht nachgeschoben. Dann geht es zurück in die Box, die mit der Anzahl und der Uhrzeit der letzten Fütterung beschriftet ist. Eine lange Reihe solcher Boxen steht den ganzen Gang entlang auf Wärmematten und vor Wärmelampen.
Schwalben vom Boden aufsammeln
Der Ernst der Lage ist hier allen bewusst, auch denen, die in einem nicht enden wollenden Strom die Zugvögel in Schuhschachteln und Kartons abgeben. "Eine Schwalbe, die am Boden sitzt, ist immer ein Notfall", sagt Scheidl. Diese geschwächten Tiere gelte es vorsichtig einzusammeln, mit einem Schal oder Handtuch in eine Box zu geben und so schnell wie möglich in die Auffangstation zu bringen. "Schwalben, die oben auf Fensterbrettern oder Balkonen sitzen, sollte man beobachten, aber in Ruhe lassen. Wenn man sie stört, fliegen sie auf und das kostet sie wieder Energie, die sie eigentlich brauchen".
Kurze Aufregung im Erstversorgungsraum. Eine Schwalbe ist entkommen und oben auf das Fenstersims geflattert. Amelie steigt kurzerhand auf die Heizung und holt den verschreckten Vogel mit ruhiger Hand herunter. "Ja, so ist es brav", sagt sie mit weicher Stimme zur Schwalbe, die nur mit dem kleinen Kopf aus ihrer Hand hervorschaut.
Es sind die Nachzügler, die man hier im Tierschutzhaus findet. "Die Mauersegler sind schon weg, die Rauchschwalben auch. Wir haben hier vor allem die Mehlschwalben, die müssten jetzt eigentlich ziehen", sagt Scheidl. In wenigen Tagen lässt das Wetter hoffentlich den Vogelzug der aufgepäppelten Schwalben zu. "Dann werden wir sie an geeigneten Orten wieder auswildern", sagt Scheidl. "Viel Zeit haben sie nicht mehr."
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