Wiens ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch will zurück zur erfolgreichen „Mitte-Rechts-Politik“ – und düpiert Bund und Parteichef. Am Montag stehen Krisensitzungen an. Und: Die Causa Wien Energie birgt neuen Sprengstoff.
Eigentlich lief für die Wiener ÖVP zuletzt alles ziemlich rund. Die Stadtregierung aus SPÖ und Neos geriet aufgrund schlechter Krisen-PR in der Causa Wien Energie in die Defensive – die oppositionelle ÖVP ging auf Konfrontationskurs und bereitet sich auf eine U-Kommission vor, die noch dieses Jahr starten soll.
Dann kam am Samstag der Rücktritt von ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner – und alte Gräben rissen auf.
Die Wiener Landespartei galt lange als türkise Hochburg, in der man Sebastian Kurz noch die Treue hielt, als andere Länder schon auf Distanz gingen. Als Sachslehner, die auch als Mandatarin im Gemeinderat sitzt, der eigenen Partei am Samstag vorwarf, sich den Grünen „anzubiedern“, sprang man ihr in Wien bei und übte ebenfalls Kritik an der eigenen Bundespartei.
Er sei „stolz“, dass Sachslehner „weiterhin jene Mitte-Rechts-Politik vertritt“, für die man in Wien gewählt wurde, postete ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch auf Facebook. Und: „Daran sollten sich auch andere vielleicht wieder erinnern.“ Es folgten mehrere Likes von Parteikollegen.
Eine klare Botschaft an den Bund und den dortigen Klubchef August Wöginger, der Sachslehner am Freitag beim umstrittenen Klimabonus für Asylwerber zurechtgewiesen hatte.
Aber auch ein Signal an den eigenen Landesparteichef Karl Mahrer, der sich die Annäherung an die SPÖ als Ziel gesetzt hat. Seine Devise: Weg vom harten Oppositionskurs, hin zu einer Regierungsbeteiligung nach der nächsten Wien-Wahl.
Diesen Kurs hat sich Mahrer bei seiner Kür zum Parteichef absegnen lassen. Dass er so manchem Türkisen, der in der Ära Kurz in Wien groß wurde, nicht schmeckt, ist jedoch offenkundig. Die Liste derer, die lieber Wölbitschs „Mitte-Rechts-Politik“ machen würden, ist gar nicht so kurz.
Unterstützer
Erst am Freitag ist etwa Manfred Juraczka, Ex-Parteichef und jetzt Dritter Landtagspräsident, seiner Kollegin Sachslehner beim Klimabonus beigesprungen.
Auch Stefan Trittner, Bezirksparteichef in Ottakring, äußerte sich via Facebook kritisch zur Linie der Bundespartei. Dass er im Brotberuf Sprecher des ÖVP-geführten Finanzministeriums ist, dürfte Trittner im Eifer des Gefechts entfallen sein.
Die Stimmung zwischen Wölbitsch – der einst unter Gernot Blümel groß wurde – und Mahrer war noch nie die beste. Am Samstag erreichte sie einen neuen Tiefpunkt. Nicht zuletzt, weil Landesgeschäftsführer Markus Keschmann – via Mail an die Mitglieder – eigentlich die Devise ausgegeben hatte, die Causa Sachslehner nicht öffentlich zu kommentieren. Da passte das Posting des Klubchefs so gar nicht ins Bild.
Wie es weitergeht, wird sich am Montag, weisen. Dem Vernehmen nach ist ein Krisengespräch zwischen Mahrer und Wölbitsch anberaumt. Am Nachmittag tagt, wie länger geplant, der Landesparteivorstand.
Unklare Machtverhältnisse
Wie ein etwaiger Machtkampf zwischen Mahrer und Wölbitsch ausgehen würde, ist unklar. Letzterer weiß im Gemeinderat mehrere Mandatare hinter sich, die zurück zur „kantigen Mitte-Rechts-Politik“ wollen, die der Wiener ÖVP bei der vergangenen Wahl ein starkes Ergebnis verschafft hat.
Dass die Meinungsverschiedenheiten rund um den Kurs der Stadtpartei heute, Montag, ein Ende finden, ist so gut wie ausgeschlossen. Denn bald startet die U-Kommission zur Causa Wien Energie. Da droht neues Ungemach.
Ärger um Wien Energie
Wölbitsch hat sich in dem Thema auf die SPÖ eingeschossen – was, wie man hört, sowohl in der ÖVP-Bundespartei (sie erteilte Wölbitsch offenbar einen Rüffel) als auch in der Wirtschaftskammer unter Präsident Walter Ruck auf wenig Gegenliebe stößt.
Pikant ist angesichts dessen, wer für die ÖVP in der U-Kommission Platz nehmen soll: Neben Wölbitsch selbst wurden die Namen Juraczka und Sachslehner kolportiert. Offiziell präsentiert werden soll das Team in Kürze.
Kritik kam am Wochenende aus Tirol, wo man sich im Wahlkampf für die Landtagswahl am 25. September befindet – und wenig Freude mit den Debatten in Wien hat.
Der wortgewaltige Wirtschaftsbund- und Seilbahnen-Chef Franz Hörl sparte in einem Interview nicht mit Kritik an Sachslehner: Deren Rücktrittsrede halte er für „unsolidarisch“. Dass sie abgetreten sei, sei „notwendig“ gewesen, sonst hätte man „vonseiten der Partei“ Schritte gesetzt.
Zarits als Nachfolger?
Die Führungsspitze im Bund scheint vom türkisen Kurs unterdessen weiter abzukommen. Unter den kolportierten Nachfolgern von Sachslehner als ÖVP-Generalsekretär findet sich Kurt Egger, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes. Auch Christoph Zarits, Generalsekretär im Arbeitnehmerbund ÖAAB wird genannt. Beides spricht dafür, dass die Bünde gestärkt werden.
Zugleich, so scheint es, will man weg vom aggressiveren türkisen Migrationskurs und sich „auf die Wurzeln der Volkspartei“ – sprich: die Wirtschaftskompetenz – besinnen, wie man hört. Wohl auch um während der herrschenden Finanz-und Energiekrise ein Zeichen zu setzen.
Dazu passt, dass sich Bundeskanzler Karl Nehammer in der Causa Wien Energie als kompetenter Retter positionieren wollte.
Viele Wiener Funktionäre, die unter Kurz zur Partei fanden oder unter ihm groß wurden – wie etwa Sachslehner – wird man davon erst überzeugen müssen. Nicht zuletzt angesichts der konstant niedrigen Umfragewerte.
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