Prozess: Wiener Polizist rieb Obdachlosem Pfefferspray ins Gesicht

LANDESGERICHT FÜR STRAFSACHEN WIEN
Der Polizist entging einem Schuldspruch, das Verfahren wurde diversionell erledigt.

Ein Wiener Polizist hat sich am Mittwoch am Landesgericht verantworten müssen, weil er am 26. März 2020 einem Obdachlosen grundlos Pfefferspray ins Gesicht gerieben hatte. Die Anklage lautete auf Körperverletzung und Fälschung eines Beweismittels - der Beamte hatte im Nachhinein den Pfefferspray-Einsatz zu legitimieren versucht, indem er eine - so der Vorwurf - inhaltlich unrichtige Meldung legte. Er entging einer Verurteilung, das Verfahren wurde diversionell erledigt.

Indem sich der Beamte zur Zahlung einer Geldbuße von 1.500 Euro bereit erklärte, wurde die Causa vorerst ruhend gestellt. Sollte der Betrag binnen 14 Tagen bezahlt werden und die Staatsanwaltschaft der Diversion zustimmen - die Sitzungsvertreterin gab dazu in der Verhandlung keine Erklärung ab -, wäre die Angelegenheit für den ranghohen Polizisten endgültig erledigt.

Richter: "Glaube nicht, dass Sie ihn quälen wollten"

Der Richter hatte dem Angeklagten nach Durchführung des Beweisverfahrens die Diversion mit der Begründung angeboten, dieser versehe bereits seit vielen Jahren Dienst und habe sich bis zum Vorfall nichts zuschulden kommen lassen. Außerdem sei „in keinster Weise erwiesen“, dass der Beamte dem Obdachlosen eine Verletzung zugefügt hatte. „Ich glaube auch nicht, dass Sie ihn quälen wollten“, stellte der Richter fest.

Der Angeklagte hatte gemeinsam mit zwei jüngeren Kollegen - eine Frau und ein Mann - vor einer Tagesbetreuungsstätte für Obdachlose in Wien-Josefstadt Kontrollen hinsichtlich des coronabedingt behördlich festgesetzten Abstandhaltens durchgeführt. Weil das spätere Opfer ein Sackerl bei sich hatte, das er angesichts der Polizisten offenkundig verschwinden lassen wollte, wurde er näher in Augenschein genommen.

Man vermutete, in dem Sackerl könnten sich Drogen befinden - in Wahrheit waren es Alkoholika. Der Obdachlose soll den Polizisten bei der Amtshandlung immer wieder körperlich zu nahe gekommen sein, worauf ihn einer wegschob. Darauf stürzte der Mann rücklings in ein Blumenbett und blieb liegen.

„Er hat einfach die Augen zugemacht“, schilderte der Angeklagte. Man habe zunächst „Schmerzreize gesetzt“, um den Obdachlosen zum Aufstehen zu bewegen. Da dies nichts bewirkte, streifte sich der Angeklagte Handschuhe über, „und dann hat's bei mir komplett ausg'setzt“, gab er zu Protokoll. Er holte den Pfefferspray hervor, sprühte seinen Angaben zufolge „zwei kleine Tropfen“ auf Mittel- und Zeigefinger „und bin ihm damit von oben nach unten quer ins Gesicht gefahren“.

Polizist kann sich Verhalten nicht erklären

Er wisse heute nicht mehr, was da in ihn gefahren sei, sagte der Polizist: „So bin ich nicht, so war ich nicht, die Härte vertret' ich nicht.“ Er sei damals aufgrund der Corona-Pandemie mit Überstunden stark belastet gewesen, außerdem habe ihm seine Ex-Frau aus Angst vor dem Virus das Besuchsrecht für die gemeinsamen Kinder gestrichen gehabt.

„Wollten Sie ihn quälen? Wollten Sie ihm heimzahlen, dass er ein Sandler ist?“, erkundigte sich der Richter. - „Absolut nicht. Es war nicht meine erste Amtshandlung mit einem Obdachlosen.“ Der Angeklagte versicherte außerdem, der Betroffene habe nicht aufgeschrien, sondern nur mit „leichtem Stöhnen“ reagiert.

Seine beiden Kollegen, die als Zeugen geladen waren, beteuerten, der Mann - ein Ungar, dessen aktueller Aufenthalt ungeklärt ist, er konnte daher nicht als Zeuge geladen werden - habe „keine Rötungen“ bzw. „keine offensichtliche Verletzungen im Gesicht“ gehabt: „Dem hat augenscheinlich nix gefehlt.“

Der Vorfall war bei der Staatsanwaltschaft gelandet, weil eine Sozialarbeiterin ihn durch ein Fenster der Einrichtung beobachtet und publik gemacht hatte. Nachdem gegen ihn Ermittlungen eingeleitet wurden, hatte der Beamte zunächst behauptet, er habe den Obdachlosen mit Desinfektionsmittel eingerieben.

Um den Einsatz des Pfeffersprays legitimieren zu können, der ihm zwecks Beweissicherung abgenommen worden war, behauptete er, er habe diesen ein paar Wochen zuvor betätigt gehabt, als er am Westbahnhof mutmaßliche Drogendealer verfolgte. Dabei sei er mit dem Spray in der Hand ausgerutscht, hingefallen „und im Stolpern unter die Abdeckung der Sprühklappe gerutscht“. Diese Behauptung hielt der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung aufrecht.

Ob die Sache disziplinarrechtliche Konsequenzen hat, wird behördenintern entschieden. Der Beamte war nach Bekanntwerden des Vorfalls vorläufig vom Dienst suspendiert worden.

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