Wie in den Wiener Außenbezirken jetzt Erdgeschoßzonen belebt werden
Trist schaut es aus. Die Auslage ist zugeklebt, das Packpapier hat sich teilweise abgelöst, die Scheibe wurde eingeschlagen und mit Graffitis besprüht. Nur anhand des Türschilds ist noch zu erkennen, dass es hier einmal ein nettes Geschäft gegeben haben muss. „Le Fleur“ hat es geheißen – ein Blumenladen.
Das Geschäftslokal liegt an der Ecke Hasnerstraße/Pfenniggeldgasse in Ottakring. Dort, in unmittelbarer Nähe der Thaliastraße, gibt es „deutlichen und sichtbaren Handlungsbedarf“, sagt Christian Bartik. Er leitet die Förderabteilung in der Wiener Wirtschaftsagentur.
Diese nimmt sich jetzt in einem neuen Projekt der Belebung von Erdgeschoßzonen in den Außenbezirken an. Und zwar nicht nur mit einer individuellen Förderung für das Aufsperren eines Geschäfts. (Diese wurde von 15.000 auf 25.000 Euro erhöht, ein Mietvertrag von drei Jahren ist nicht mehr notwendig). Sondern mit gezielter Belebung des gesamten Grätzels. „Erdgeschoßzonen sind ein klassisches Beispiel dafür, wo sich der Markt nicht selbst regelt“, sagt Gerhard Hirczi, Chef der Wirtschaftsagentur.
Aufsperren in der Krise
Das Problem mit den Leerständen in den Erdgeschoßzonen ist kein neues, aber Corona hat es mancherorts verschärft. Nicht unbedingt, weil der Anteil der Leerstände so stark gestiegen wäre, sondern weil die Nachfrage nach Geschäftslokalen sinkt. Aufsperren in der Krise, das muss man sich erst einmal trauen.
Die Wiener Wirtschaftskammer hat jüngst ausgerechnet, dass so derzeit 240 Millionen Euro an Wertschöpfung des Bruttoregionalprodukts verloren gehen. Das entspricht 2.047 Arbeitsplätzen.
Nur an den Wirtschaftstreibenden liegt das aber nicht. Manche Erdgeschoßlokale sind klein, schlecht geschnitten oder verfügen nicht über die notwendige Infrastruktur. Heißt: Der neue Mieter müsste viel Geld investieren.
Weiteres Problem: Vermieter stehen vor allem Zwischennutzungsprojekten oft skeptisch gegenüber. Aus Angst, Mieter nicht mehr „loszuwerden“, lassen viele ihre Geschäftsflächen lieber gleich leer stehen. Das ist nicht nur schlecht für die Wirtschaft, sondern auch für die Grätzel.
„Es bringt mir der schönste Shop nichts, wenn die Umgebungsqualität nicht passt“, sagt Gerhard Hirczi. Deshalb analysiert die Wirtschaftsagentur nun sogenannte „Problemlagen“ in den Bezirken, vor allem außerhalb des Gürtels. Und zwar solche, die durchaus Potenzial haben.
Das erwähnte Eck Hasnerstraße/Pfenniggeldgasse ist so eine „Problemlage mit Potenzial“. Nicht einmal eine Minute von der Thaliastraße entfernt, ist dort nichts mehr von „belebter Einkaufsstraße“ zu bemerken. Drei der vier Geschäftslokale an der Kreuzung stehen leer.
Aber wer sich nicht in der ersten Sekunde abschrecken lässt, erkennt, dass hier etwas entstehen könnte. Die Gehsteige sind breit, die Fassaden schön, das Eck hat Platzcharakter, wie viele in Ottakring.
Vernetzung
Deshalb ist der 16. Bezirk nun der erste, der an der Grätzel-Initiative der Wirtschaftsagentur teilnimmt.
Der Fokus liegt auf dem 55 Hektar großen Areal zwischen Johann-Nepomuk-Berger-Platz und Maroltingergasse/Sonnleitengasse bzw. Arnethgasse und Hasnerstraße. Ein gründerzeitlich geprägtes Gebiet, in dem viele Menschen leben (und auch einkaufen) und in dem es schon funktionierende Gewerbebetriebe gibt.
Und das durch die Umgestaltung der Thaliastraße bald noch aufgewertet wird.
Damit die Leerstände bald belebt sind, arbeitet die Wirtschaftsagentur mit dem Bezirk zusammen – und mit den Stakeholdern dort: Gebietsbetreuung, Vereine, Initiativen. Diese „Vernetzung“ mache das Projekt so spannend, sagt Bezirksvorsteher Franz Prokop (SPÖ) – und könnte die Lebensqualität in den Grätzeln erhöhen. Denn Leerstände, sagt Prokop, würden schließlich „niemandem Spaß machen“.
Kommentare