Polizeichef Pürstl: Terrorgefahr bleibt auch 2024 Thema

Polizeichef Pürstl: Terrorgefahr bleibt auch 2024 Thema
Wiens Landespolizeipräsident über Gewalt in der Privatsphäre, Pro-Palästina-Demos und Aktionen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten.

Pro Monat werden in Wien 350 bis 360 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. "2023 waren es ein paar weniger", sagte Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl dieser Tage im APA-Gespräch. Gewalt in der Privatsphäre bedeute in der Regel Gewalt gegen Frauen oder Gewalt gegen Kinder. "Unsere Beamte sind angewiesen, da sehr gut hinzuschauen", betonte Wiens oberster Polizist.

Gewalt in der Privatsphäre

"Wir haben in Wien ein sehr gutes System im sicherheitspolizeilichen Bereich, wo es den Bediensteten vor Ort möglich ist, die Situation einzuschätzen, und dann, wenn es notwendig ist, ein Betretungsverbot verbunden mit einem Annäherungsverbot auszusprechen" sagte Pürstl. In Wien gebe es insbesondere einen "Gewalt in der Privatsphäre-Support", dem Polizeipräsidenten zufolge eine Art Journaldienst, den die ersteinschreitenden Beamtinnen und Beamten anzurufen haben. In dem Journaldienst helfen Menschen, die im Bereich Gewalt in der Privatsphäre spezialisiert sind, bei der weiteren Behandlung des jeweiligen Falles weiter, erstellen auch mit Hilfe diverser Tools Risikoanalysen für die Gefährder. Die Spezialistinnen und Spezialisten treffen dann eine Prognose. "Da sind wir in Wien federführend", sagte der Landespolizeipräsident.

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Für die weitere Betreuung der Opfer läuft in der Bundeshauptstadt seit Herbst 2023 ein Probebetrieb für ein Opferschutzzentrum, "das das Ziel hat, dass dort Spezialisten der Prävention arbeiten, die für die gesamte Gefährdungseinschätzung von sogenannten Hochrisikogefährdern zuständig sind. Darunter verstehen wir solche, wo eine schwere Körperverletzung oder gar eine Todesfolge sogar erwartet werden kann". Diese Spezialisten seien dann für den Opferschutz aller Betroffenen zuständig. 

Terrorgefahr 2024 aufrecht

Die Terrorgefahr sei laut dem Wiener Landespolizeipräsidenten gekommen, um zu bleiben. "Ich glaube, dass uns auch 2024 das Thema Terrorgefahr begleiten wird, das nimmt uns niemand mehr weg. Es ist diese abstrakte Gefahr da, überhaupt so lange die Lage im Nahen Osten so ist, wie sie ist, und es ist überhaupt keine Besserung zu sehen. Aber es ist auch im Mittleren Osten überhaupt keine Veränderung zu sehen."

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Der Chef der Wiener Polizei sprach auch die Notwendigkeit der nachrichtendienstlichen bzw. staatspolizeilichen Beobachtung der Pro-Palästina-Demos an. "Das ist eine Mischung aus Ordnungs- und Sicherheitspolizei auf der einen Seite und staatspolizeilichen Aufgaben auf der anderen Seite." Pürstl betonte, dass es wichtig sei, im Kampf gegen den Terrorismus eine Balance im Vorgehen der Polizei zu finden. "Indem man Maßnahmen setzt, mit denen die Bevölkerung das Vertrauen hat, dass 'die es schon machen'. Auf der anderen Seite nicht zu übertreiben in den Maßnahmen und Dinge zu verunmöglichen, die die Menschen haben wollen. Man könnte ja Veranstaltungen einfach nicht stattfinden lassen, man könnte sagen, 'bitte macht Kirchen zu', nur dann wäre ja genau das erreicht, was jeder Terrorist will, nämlich den Staat, die Regierungen und die Gesellschaft zu destabilisieren."

Dass im Zuge der Pro-Palästina-Demos "natürlich auch Hass geschürt wurde und im Zuge dessen es auch vermehrt zu antisemitischen Äußerungen kommt, war ganz klar", sagte Pürstl. Man habe eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). 

20.000 Versammlungen erwartet

Zwischen 10.000 und 11.000 Versammlungen hat die Wiener Polizei im Vorjahr registriert. "Da waren natürlich auch viele kleine dabei, bei denen die Polizei keine Arbeit hatte. Es gab 2023 aber auch viele Großdemos, auch durchaus heikle", so Pürstl. Für heuer erwartet er "vermutlich eine Verdopplung", nicht zuletzt wegen des Wahljahrs.

Herausfordernd waren neben den Versammlungen im Gefolge des Überfalls der Hamas auf Israel dem Landespolizeipräsidenten zufolge besonders die Demonstrationen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten zur sogenannten Gaskonferenz in der Bundeshauptstadt im März 2023. Im Zuzge der Versammlungen gegen die Gaskonferenz gab es 160 Festnahmen. 

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Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 160 Einsätze der Wiener Polizei im Zusammenhang mit Aktionen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Davon betrafen dem Polizeipräsident zufolge etwa 100 Klebeaktionen, und davon waren 80 Fälle, "wo die Polizei dann tatsächlich loslösen musste". Das sei natürlich eine "Riesenherausforderung vor allem für eine Großstadt", sagte Pürstl. "Dass das Unmut erregt, wenn man im Stau steht und draufkommt, dass man nicht deshalb steht, weil es einen Unfall gegeben hat oder schlichtweg es eine Verkehrsüberlastung gibt, sondern weil da Menschen protestieren mit genau dem Ziel, den Verkehr zu behindern, daran besteht kein Zweifel. Wir als Polizei müssen da den Ball flach halten, andererseits zeigen, dass wir etwas unternehmen." Der Polizeipräsident ergänzte: "Wir haben die meisten dieser Aktionen binnen einer Stunde, oft sogar binnen 20 Minuten aufgelöst."

Wie geht es mit Klimaaktivisten weiter?

Pürstl meinte, es sei schwer, eine Prognose abzugeben, wie es 2024 mit Aktionen der Klimaaktivistinnen und -aktivisten weitergehe, "nämlich mit der Art und Weise, wie diese Klimaaktionen fortgesetzt werden". Er wies darauf hin, dass sich Demonstrierende zuletzt auf der Südautobahn beim Knoten Mödling mit den sogenannten Mumienhänden festgeklebt hätten. "Da musste man dann aufstemmen rundherum, das ist eine schwere Sachbeschädigung wie es im Bilderbuch steht, da kommen wir dann schon ins Strafrechtliche hinein. Da hat dann niemand mehr Verständnis dafür, wenn die Infrastruktur beschädigt wird."

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Etwa 630 Festnahmen und rund 1.400 Anzeigen gab es im Zusammenhang mit Klimaaktionen in Wien, sagte Pürstl. "Im übrigen hat das natürlich auch etwas gekostet. Da sind wir schon bei etwa 1,6 Millionen Euro, die wir in den Personalaufwand investiert haben und die wir anderwertig besser hätten nutzen können. Wer da einschreitet und dafür da ist, kann für andere Tätigkeiten nicht verwendet werden." Die Zahl der Anzeigen wegen Aktionen wutentbrannter Autofahrerinnen und Autofahrer bewege sich im Bereich einer Handvoll, unter zehn.

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