Politiker im Burn-out: "Manche steigen auf einen drauf, wenn man am Boden liegt"
Gerhard Zatlokal kennt man. Seit er im 2020 einen Pool auf dem Gürtel aufstellen ließ, auch über die Bezirksgrenzen hinweg. Ein Gespräch über Befehlsausgaben im Rathaus, sein Burn-out und wie Nachfolger Dietmar Baurecht sein Amt anlegen will.
KURIER: Herr Bezirksvorsteher, vier Monate im Amt liegen noch vor Ihnen. Sind Sie froh, dass es bald vorbei ist?
Gerhard Zatlokal: Eigentlich nicht. Loslassen ist immer schwierig. Überhaupt, weil in den vergangenen Jahren viel aufgebaut wurde. Es ist schon Wehmut dabei. Von den vierzehneinhalb Jahren waren zwölf Jahre hervorragend. Da hätte ich keinen anderen Job machen wollen. In den vergangenen zwei Jahren war das Arbeiten sehr mühselig.
Ihr Verhältnis zur Rathaus-SPÖ hat sich in dieser Zeit sehr verschlechtert.
Zatlokal: Begonnen hat es mit meinem Pool. Heute ist das Wort Pool im Rathaus ein Unwort – des Jahres, des Jahrzehnts. Seitdem ist das Verhältnis mehr als angespannt.
Auch mit dem Bürgermeister?
Zatlokal: Ja, durchaus. Früher war das Arbeiten anders. Ich kann mich nicht erinnern, dass unter Michael Häupl so etwas gewesen wäre. Er hat mir freie Hand gegeben, ich konnte arbeiten. Häupl hätte zum Hörer gegriffen und mir auf gut Wienerisch erklärt, was nicht geht. Das ist das, was mir jetzt fehlt.
Bei der ÖVP spricht man oft von Message Control. Gibt es die in der SPÖ auch?
Zatlokal: Ja. Aber man kann nicht ganz Wien von oben mit einer Befehlsausgabe nach unten regieren und wollen, dass sich bis zum letzten Bezirksrat alle daran halten. Jeder Bezirk ist anders. Das kann nicht funktionieren.
Ihnen wird ein unterkühltes Verhältnis zu SPÖ-Verkehrsstadträtin Ulli Sima nachgesagt. Fiel Ihnen die Zusammenarbeit mit der Grünen Birgit Hebein leichter?
Zatlokal: Hebein habe ich gesagt, welche Projekte ich mache – sie hat das zur Kenntnis genommen. Jetzt geht alles über das Büro der Stadträtin. Sie sagt, was geht und was nicht geht.
Ein Beispiel?
Zatlokal: Die verkehrsfreie Zone vor der Schule in der Gasgasse. Im März waren Eltern bei mir und haben gefragt, wie wir die Sicherheit der Kinder erhöhen können. Ein Geländer hätte nichts gebracht, also habe ich eine verkehrsfreie Zone vorgeschlagen. In einem dreiviertel Jahr haben wir die gemacht. Das würde ich heute so nicht mehr über die Bühne bringen.
Sie setzen sich für Radwege ein. Hatten Sie nicht, wie einige Ihrer Parteikollegen, Angst, die Stimmen der Autofahrer zur verlieren?
Zatlokal: Die Politik ist da, um ein Gleichgewicht herzustellen. Wenn man jahrzehntelang viel Platz für die Autos hergibt, zu Ungunsten der Radfahrer und Fußgänger, muss man anfangen, auszugleichen. Ich mache Politik für die Menschen, also auch für Radfahrer.
So wie Sie sehen das aber die wenigsten in der SPÖ.
Zatlokal: Wir haben gar keine andere Wahl. Wenn wir es in den nächsten zehn Jahren nicht schaffen, die Stadt bei 40 Grad bewohnbar zu machen, dann wird es leere Wohnungen geben. Alle, die Geld haben, werden hinaus ins Grüne fahren und die, die kein Geld haben, müssen da bleiben.
Ist die SPÖ mittlerweile die falsche Partei für Sie?
Zatlokal: Das zu beurteilen, ist schwierig, weil für mich nie die Partei im Vordergrund stand, sondern die Menschen.
Nun zu Ihnen, Herr Baurecht. Wie geht es Ihnen, wenn Sie all das hören? Sie stimmen ja inhaltlich mit Ihrem Vorgänger überein.
Dietmar Baurecht: Man sagt, der Gerhard sei ungeduldig. Aber er ist auch beharrlich. Und ich bin das auch. Einigungen mit Magistratsabteilungen müssen halten.
Wie legen Sie Ihr Amt an?
Baurecht: Für uns sind Grünmaßnahmen das Wichtigste. 50 Prozent des Bezirks sind verbaut, ein Drittel ist Verkehrsfläche, 10 Prozent sind Grünfläche. Wo soll ich Maßnahmen setzen außer hier? Ich muss die Verkehrsflächen nehmen.
Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Baurecht: Ich bin ein kompromissorientierter Mensch, will Themen gemeinsam umsetzen. Wenn ich Lösungen habe, die in Teilen umsetzbar sind, dann werden wir das so machen. Der Rest kommt später.
Herr Zatlokal, lässt das Rathaus den Bezirksvorstehern zu wenig Handlungsfreiheit?
Zatlokal: Ich kann nicht wegen jeden Grashalms im Rathaus fragen. Die Bezirksvorsteher sind aufgestellt und gewählt. Dann muss man Vertrauen haben, dass das, was sie machen, passt. Das hat mir viel Kraft und Substanz gekostet.
Sie waren jetzt sieben Wochen auf Reha.
Zatlokal: Ich hatte ein Burn-out. Der Job ist immer anstrengend, aber die vergangenen zwei Jahre haben mir den Rest gegeben.
Die Querelen mit dem Rathaus meinen Sie?
Zatlokal: Ich bin der Typ, der sich alles zu Herzen nimmt und die Welt retten will. Die Arbeitsweise der neuen Stadträtin hat mich gebremst. Und wenn einem dann im Bezirk auch der Rückhalt fehlt, belastet das die Psyche. Manche steigen auf einen drauf, wenn man eh schon am Boden liegt – nur damit sie drei Zentimeter größer sind. Im November bin ich zusammengebrochen. Jetzt geht es mir wieder gut.
Sind Sie enttäuscht?
Zatlokal: Ja, ich dachte, dass es nicht sein kann, dass bei der Regierungsumbildung plötzlich Projekte, die auf Schiene waren, nicht mehr zählen. Ich habe versprochen, dass, wenn der Ikea aufsperrt, die Verkehrsorganisation so ist, wie sie gehört. Die haben mich am Schmäh gehalten. 14 Tage, bevor der Ikea eröffnet wurde, haben sie mir gesagt: „Das geht nicht.“ Dann war der Leiter der MA 46 auf Urlaub, die Stadträtin war nicht erreichbar. Als beide zurück waren, war es nur noch eine Woche bis zur Eröffnung. Dann haben sie gesagt: „Das geht sich nicht aus. “ Also ja, sicher bin ich enttäuscht. Vielleicht ist es gut, wenn ich weg bin.
Wird es unter Bezirksvorsteher Baurecht einen zweiten Gürtel-Pool geben?
Baurecht: Darüber habe noch nicht nachgedacht. Warum immer der Gürtel-Pool? Es kann ja auch was anderes sein.
Herr Zatlokal, was machen Sie in der Pension?
Zatlokal: Jetzt mache ich das, was in meiner Partei nicht so geschätzt wird: Ich führe gute Gespräche – mit NGOs, Vereinen. Ich will mich ehrenamtlich engagieren, parteipolitische Arbeit mache ich keine mehr.
Treten Sie aus der SPÖ aus?
Zatlokal: Wenn ich austrete, dann, solange ich im Amt bin.
Also tun Sie’s oder nicht?
Zatlokal: Darüber habe ich mir den Kopf noch nicht zerbrochen.
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