Ärztevertreter wollen allerdings nicht glauben, dass es sich bloß um eine temporäre Personalknappheit handle. Vielmehr orten sie tiefgreifende strukturelle Probleme hinter den Engpässen. Allen voran das noch unter Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) eingeleitete Spitalskonzept 2030. Es sieht die Bündelung der medizinischen Leistungen auf nur mehr sechs Standorte (+AKH) vor, wodurch die Versorgung effizienter werden soll (siehe Grafik).
„Statt fünf gibt es jetzt nur mehr drei Urologie-Abteilungen“, schildert Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer und Kurienobmann der Spitalsärzte. Während des Transformationsprozesses sei jedoch einiges an Personal verloren gegangen. Kollegen, die die Veränderung nicht mitmachen wollten, seien in den niedergelassenen Bereich oder in die Pension gewechselt. „Diese Abgänge wurden aber vom Wigev nicht ausgeglichen, weshalb in Summe jetzt die Kapazitäten geringer sind“, sagt der Kammer-Vertreter.
Er befürchtet demnächst auch in anderen Fächern, wie HNO oder Dermatologie, gröbere Engpässe, wo im Rahmen des Spitalskonzepts ebenfalls Verlagerungen bzw. Zusammenlegungen von Abteilungen geplant sind.
Im Wigev widerspricht man heftig: „Insgesamt ist im Zuge der Umsetzung des neuen Leistungsorganisationskonzepts der Gesamtleistungsumfang nicht reduziert worden“, betont ein Sprecher.
Ähnlich umstritten ist die Frage, wie sehr die Gastpatienten das Wiener Spitalssystem an die Kapazitätsgrenze bringen. Laut Wigev würden sie in der Urologie bis zu 20 Prozent ausmachen, die meisten kämen aus Niederösterreich.
„Das Argument, dass sie die Kapazitäten belasten, ist richtig. Aber dieses Faktum ist nicht neu. Ich wüsste nicht, dass es zuletzt einen Anstieg der Gastpatienten gegeben hätte“, sagt Ferenci.
Im Wigev spricht man von einem konstant hohen Niveau. Bleibt die Frage, warum sich so viele Niederösterreicher auch bei vergleichsweise banalen Beschwerden, wie Nierensteinen, lieber in Wien als daheim behandeln lassen. „Offensichtlich übt die besondere medizinische Expertise unserer Kollegen eine beträchtliche Sogwirkung aus“, sagt der Wigev-Sprecher.
Zuletzt hatte sich Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) über diese Schieflage beschwert. Der Spielraum der Stadt, hier gegenzusteuern, ist aber beschränkt. Patienten mit akuten Beschwerden können nicht weggeschickt werden. „Bei elektiven Eingriffen, die ohne negative Auswirkungen auf den Patienten auch in den Bundesländern durchgeführt werden können, weisen wir auf diese Möglichkeit hin“, sagt der Sprecher. „Darüberhinausgehend haben wir auf den Zufluss von Patienten keinerlei Einfluss.“
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