ÖVP-Neujahrsrede: „Die Ausländer“ und Karl Mahrers Wunsch nach Normalität

37. LANDESPARTEITAG DER ÖVP WIEN: MAHRER
Der Wiener ÖVP-Chef wandelte in einer kantigen Neujahrsansprache auf den Spuren der FPÖ – eine Analyse.

Karl Mahrer wünscht sich Normalität. Nicht die neue Normalität, von der während Corona die Rede war –, sondern eine alte Normalität.

Was normal ist (und was nicht), darüber lässt sich an sich vortrefflich diskutieren. Zumindest für die Wiener ÖVP hat Obmann Karl Mahrer die Frage schon beantwortet – und zwar in einer rund halbstündigen Neujahrsrede, die er am Donnerstagabend in der Aula der Wissenschaften vor rund 500 geladenen Parteimitgliedern hielt.

„Ist das normal?“, rief Mahrer immer wieder laut in die Sitzreihen, um sich sofort selbst die Antwort zu geben. „Nein, das ist nicht normal“. Das Frage-Antwort-Spiel war das zentrale rhetorische Element der Rede. Was Mahrer abnormal findet, das teilte er den aktuellen und früheren Funktionären (darunter Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol, Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat, Bezirkschef Markus Figl und Gemeinderätin und Ex-ÖVP-Geschäftsführerin Laura Sachslehner) in angriffigen Worten mit.

Kantige Linie

Die Causa Wien Energie, die Teuerung und der Kindergartenskandal fanden da Platz, ebenso wie der Leerstand und die „Gender-Unkultur“. Kern der neuen, kantigeren Linie der Wiener ÖVP ist aber die Migration und Integration – oder, wie es Mahrer nennt: „die Ausländer“.

Nicht normal sei etwa, dass es auf dem Brunnenmarkt „heute fast keine österreichischen Stände mehr gibt“, dass „in vielen Klassen nur noch ein österreichisches Kind sitzt“ oder dass „die Kriminalitäts-Hotspots durch Fremde immer mehr werden“. Auch dass manche Straßen „mit einer türkischen Bäckerei beginnen und einem Gebetshaus enden“, konstatiert Mahrer. „Dazwischen gibt es kein deutsches Wort.“

Die Schuldige hat Mahrer schon gefunden: die SPÖ, die Migration mit „gesetzwidrigen Sozialleistungen anheizt“ und Menschen „die Staatsbürgerschaft wie in einem Selbstbedienungsladen nachwerfen will“. Die „Ausländer“ kämen nach Wien, weil „sie hier nicht arbeiten müssen, aber viel anstellen dürfen“.

„Sagen“, sagte Mahrer, dürfe man all das freilich nicht, „ohne als Rassist verunglimpft zu werden“. Dafür, dass die SPÖ dennoch so viele Wähler habe, hat er eine Erklärung: Die Wiener, insinuiert Mahrer, „leiden an Stockholm-Syndrom“ und hätten sich an ihren Entführer gewöhnt.

Ob man auf einer ÖVP-, oder auf einer FPÖ-Veranstaltung ist, lässt sich zwischendurch nur noch schwer beantworten. Die Zeit der philosophisch-ideologischen Wertedebatten, wie sie sein Vorgänger Gernot Blümel noch führte, sind Vergangenheit. Die Funktionäre bedenken Mahrer jedenfalls mit Applaus und stehenden Ovationen. Zuletzt hatte man Mahrer vorgeworfen, keine klare politische Linie zu haben und sich der SPÖ anzudienen. Das ist jetzt vorbei. (Dass Mahrer betont, „konstruktive“ Opposition sein zu wollen, ist da nur noch Kosmetik.)

Übrigens: Karl Mahrer ist im Sternzeichen Fische. Warum das wichtig ist? Bevor er auf die Bühne trat, sollte eine Astrologin das Publikum mit einem Ausblick auf das Jahr warmspielen. (Ja, da reagierte so mancher doch irritiert.)

Was die Fische im Jahr 2023 besonders auszeichne? Unter anderem ihre große Empathie.

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