Österreichs Weltkulturerbe: Vom Jauken, Gautschen und Dudeln
Die UNESCO-Kommission in Österreich listet insgesamt 157 immaterielle Kulturgüter. Der jüngste Neuzugang ist das uralte Handwerk des Freihandschmiedens. In knapp 100 heimischen Betrieben wird glühender Stahl noch in Handarbeit in Form gebracht, also ganz ohne Maschinen.
In Wien sind es überhaupt nur mehr fünf Betriebe, wie die Schlosserei Truchlar. Werkstätten wie diese ähneln jenen, die schon vor Hunderten von Jahren existierten. „Das Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir nach individuellen Vorgaben und ohne Formen arbeiten“, erklärt Michael Truchlar.
Fast vergessene Bräuche
Beim Blick in die UNESCO-Liste finden sich noch mehr alte Praktiken, die auch hierzulande nicht jedem bekannt sein dürften. Ein (unvollständiger) Überblick:
Jauken: Als „gefiederte Rennpferde des kleinen Mannes“ waren einst die Wiener Hochflugtauben bekannt. Die seltene Rasse wird für „Preisflüge“ ausgebildet, wobei ein Schwarm „aufgejaukt“ wird.
Vor allem in den Arbeiterbezirken Ottakring und Hernals gab es Hunderte Flugtaubensportler. Heute gibt es nur noch wenige, die das Jauken professionell betreiben. Für Vogelliebhaber sind die Flugkünstler im Tiergarten Schönbrunn zu sehen.
Dudeln: Alpines Jodeln, aber auf wienerisch. Das Dudeln geht auf Tiroler Sängerschaften zurück, es gibt aber deutliche Unterschiede. Beim Dudeln ist zum Beispiel keine Mittelstimme zu hören.
Was auch weniger geschulte Ohren bemerken: Anstelle eines Textes werden nur Silben gesungen, die aber keinen Sinn ergeben. Im Gegensatz zum Jodeln findet das Dudeln auch nicht im Freien, sondern beim Heurigen in Begleitung von Instrumenten statt.
Hauerkrone: 2022 waren am Neustifter Kirtag erstmals Frauen als „Hiata“ (Weinhüter) zugelassen. Zeit war’s, schließlich geht der Umzug selbst auf eine Frau zurück.
Nach einem Ernteausfall 1752 baten Weinbauern Kaiserin Maria Theresia um Steuerfreiheit. Die Kaiserin gewährte ihnen den Wunsch und erhielt zum Dank eine Erntedankkrone. Später gab die Kaiserin das Geschenk mit dem Auftrag zurück, alljährlich einen Kirtag ihr zu Ehren abzuhalten.
Gautschen: Der Brauch wird in ganz Österreich ausgeführt. Es handelt sich um eine Wassertaufe nach der Lehrzeit zum Drucker und soll die Lehrlinge von ihren Fehlern während der Ausbildung reinwaschen.
Bei der Zeremonie gibt es einen Gautschmeister, die Packer sind fürs Grobe zuständig. Seinen Ursprung hat die Gautsch im 15. Jahrhundert. Was sich seither geändert hat: Damals schwammen mit großer Wahrscheinlichkeit noch keine Gummienten und anderes Plastikgetier im Taufbecken.
Patscher Schellenschlagerinnen: Im Jahr 1958 nahmen die Tiroler Frauen in Patsch die Schellen selbst in die Hand. Am damaligen Unsinnigen Donnerstag, dem letzten Tag vor der Fastenzeit, konnten sich die Männer nicht zum traditionellen Umzug aufraffen. An ihrer Stelle marschierten die Frauen durch den Ort – und tun es bis heute.
Nach Größe aufgereiht wie die Orgelpfeifen, ziehen sie in Zweierreihen der Anführerin hinterher. In der männerdominierten Tiroler Fasnacht stellen sie eine Ausnahme dar. Mütter und Großmütter geben ihre Kostüme an ihre Töchter und Enkelinnen weiter und auch die einst männliche Rolle des „Vorhupfers“ wurde von Frauen abgelöst.
Bewerbung für Wiener Würstelstände
Hoffen dürfen Fans der Wiener Würstelstandkultur. Es gibt Bemühungen, die Stände als Kulturerbe zu verankern. Zu einer aktuellen Bewerbung gibt es laut Kommission noch keine Entscheidung, aber: „Ablehnungen sind selten, meist gibt es Rückstellungen wegen formaler Fehler.“
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