Nicht Wurscht: Gesunder Kommerz am Würstelstand
Der Wiener Würstelstand ist für manche – wenn auch nicht für die UNESCO – ein immaterielles Kulturerbe. Ein aussterbendes, die Standlerzahlen sinken seit Jahren.
Langsam, aber doch macht sich eine Gegenbewegung breit, die mit Altem bricht und den Würstelstand zu einer neuen Marke werden lässt.
Die neuste Eröffnung ist das „Eh scho Wuascht“ am Zentralfriedhof. Drei Jahre lang stand der Imbiss an der Simmeringer Hauptstraße 234 leer, dann fuhr die Waldviertlerin Patricia Pölzl bei einer Fiakerrundfahrt vorbei. „Ich bin Fan der Würstelstandkultur und finde es unglaublich schade, dass sie ausstirbt. Ich denke aber nicht, dass die Jungen keine Lust mehr auf Würstelstände haben. Es gibt nur leider viel zu wenige, bei denen man regionales Fleisch im angenehmen, modernen Ambiente bekommt.“
Männerdomäne
Frankfurter, Buren- und Bratwürste (ab 4 Euro) bezieht sie von der Fleischerei Ferdinand Wild aus dem Gaweinstal im Weinviertel. Die vegane Seitanwurst macht die Brigittenauer Feinkost von Peter Hiel. Zur Neuerfindung des Würstelstands gehört auch ein stylishes Neon-Logo.
Die Wurst in der Schnapsflasche hat Gunther Gerger designt. Manchen ist er wegen seiner „Vernischas“ bekannt, gezeigt wurden „Fart Faces“, also Ärsche mit Ohren. Sein Wuascht-Design will Pölzl in Zukunft auf Kappen zum Kauf anbieten.
Pölz, hat aber nicht alles gegen das „Hipster“-Logo ausgetauscht: „Mir ist wichtig, den Charme zu erhalten, darum habe ich die alten Schilder und Schriftzüge belassen“, erzählt sie dem KURIER. Die Reaktionen auf die Umgestaltung seien sehr positiv. Was hinzukommt: „Würstelstände sind sehr männerdominiert. Viele sind überrascht, dass ich die Chefin bin, finden es aber cool.“
Auf der Karte stehen auch Mehlspeisen, Kaffee und einige hausgemachten Schnäpsen. Nicht gerade das herkömmliche Angebot.
Daran, was es an einem „echten“ Würstelstand geben darf, scheiden sich die Geister. Sebastian Neuschler kümmert das wenig. Bei seinem „Alles Wurscht“ im 1. Bezirk stehen die Kunden für Calamari fritti und Beef Tatare an. Am zweiten Imbiss in der Trabrennstraße 7 (Leopoldstadt) ist das Pastrami Sandwich der Bestseller. Nachhaltige Würste liegen ebenfalls am Grill.
Das Wurscht-Maskottchen gibt es als T-Shirt und Pullover zu kaufen. Aber wieso sollte man das wollen? „Aus demselben Grund, wieso man mit dem Sackerl vom Öfferl rumläuft: Weil’s die Leute cool finden.“ Neuschler hat für sein Konzept schon Anfragen aus Berlin und New York, plant sogar mehr: einen „Alles Zucker“-Wagen und einen Pommes-Imbiss „Alles fritti“ am Alsergrund.
Würstelstände würden aktuell eine Kommerzialisierung erfahren, aber: „Es ist eine gesunde Kommerzialisierung. Durch die guten Produkte, die wir anbieten, müssen anderen nachziehen.“
Eh scho Wuascht
Regionale Wurst-Basics, Bio-Gebäck und ein großes Schnapssortiment. Glühwein-Events am Wochenende, Schanigarten im Sommer. Geöffnet Mi. bis So. von 10 bis 18 Uhr. Simmeringer Hauptstraße 234, 1110 Wien
Yu-Go Grillage
Balkan-Imbiss für nachhaltige Cevapcici (6,50 Euro) aus Rindfleisch, Kalbsbratwürste (7,50 Euro) und Trüffel Pommes (7,50 Euro). Geöffnet täglich von 11 bis 23 Uhr. Lugner City OG, Gablenzgasse 3, 1150 Wien
Leberkas Pepi
Filialen in 1010, 1100 und 1220 Wien, Leberkäse in über 20 Sorten sowie kultige Strampler oder Socken.
Eh Wurst
Rein veganer Imbiss für Bosna, Currywurst, Bratwurst, Leberkäse sowie Hotdog Specials (6,80 Euro). Fr. und Sa. Glühwein und Erdäpfelgulasch. Geöffnet Mo. bis Sa. 12 bis 21 Uhr, Neustiftgasse 81, 1070 Wien
Döner Brutal
Döner aus Bio-Schulterspitz vom Almrind (5,90 Euro) im Sauerteigbrot oder mit selbst gemachtem Seitan aus rotem Linsen-Miso. Langos, Dürüm und Specials. Geöffnet Mo. bis Sa. 11 bis 19 Uhr. Gumpendorfer Straße 33, 1060 Wien
Bei „Eh Wurst“ in der Neustiftgasse 81 wird nicht nur auf Billigfleisch, sondern auf alle tierischen Produkte verzichtet. Das Konzept geht auf, Inhaber Raphael Rosdobutko ist in Salzburg auf der Suche nach einem zweiten Imbissstand. Auch er hat seit Kurzem eigene T-Shirts.
Döner-Philosophie
Dass auch Kebab mehr als nur billig sein kann, machen Javier Mancilla und Xaver Kislinger mit „Döner Brutal“ auf der Gumpendorfer Straße 33 (Mariahilf) vor. Verwendet wird Bio-Schulterspitz vom Almrind und Sauerteigbrot.
Seit zwei Wochen verkauft man auch von einem Künstler entworfene T-Shirts, die von der Decke hängen. Verkaufstaktisch gesehen ist das nicht der beste Ort. „Es ist auch eher ein Spaßprojekt, ohne Philosophie dahinter“, erklärt Kislinger. Später versucht er sich doch an einer philosophischen Betrachtung: „In Ottakring würde es keiner tragen. Hier finden es die Akademiker-Kinder cool.“ Mancilla ergänzt: „Es geht auch um Zugehörigkeit.“
Essen vom Balkan gehört für Mario Bernatovic zu Wien dazu. „Es ist bisher nur viel zu wenig zugänglich.“ Darum hat der kroatische Haubenkoch die “Yu-Go Grillage“ in der Lugner City eröffnet, später soll ein Standort im 1. Bezirk folgen.
Aushängeschild sind die Cevapcici (6,50 Euro), hergestellt aus reinem Rindfleisch, das halal ist. Das Lepinja (Fladenbrot) wird mit Rindsuppe bestrichen auf den Grill gelegt. Den Sliwowitz trinkt man vor dem Essen, auch wenn es (aufgerundet) erst 11 Uhr ist. „Das ist bei uns normal“, ruft eine Dame beim KURIER-Besuch vom Nebentisch. Der Plan, Österreichern die Esskultur des Balkans näherzubringen, geht auf.
Den „Yu-Go“-Style kann man auch in Form von Pullovern und T-Shirts kaufen. Der Slogan ist eine Abwandlung eines vulgären Spruchs und bedeutet übersetzt: „Gib mir Cevapcici, ich weiß, dass du welche hast.“
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