Alles Wurscht: Warum ein Würstelstand auf Calamari, Bosna und Champagner setzt

Alles Wurscht: Warum ein Würstelstand auf Calamari, Bosna und Champagner setzt
Die Neuinterpretation des Wiener Würstelstands setzt auf Champagner und regionale Wurst. Ein Abstecher zum „Alles Wurscht“.

Mit einem kleinen Imbissgäbelchen werden die Calamari Fritti aufgespießt und vom Herren im feinen Zwirn verspeist. Dazu gönnt er sich drei Viertel einer Frucade.

Vor dem Ausschankfenster steht ein junges Pärchen. Sie lassen sich vegane Bosna mit getrüffelten Pommes zum Mitnehmen einpacken. „Bis später“ sagt der junge Mann lachend und sie ziehen Richtung Universität von dannen.

Der Calamari-Genießer hingegen schaut ernst auf seine teure Armbanduhr, spießt das letzte Calamari auf und verschwindet in den Untiefen der Wiener Börse. Eine typische Szene beim „Alles Wurscht“-Würstelstand von Haubenkoch Sebastian Neuschler.

Alles Wurscht

Es ist eine Neuinterpretation des klassischen Wiener Würstelstands, aber neben der Käsekrainer stehen hier auch Beef-Tartar, Champagner oder fermentiertes Gemüse auf der Speisekarte.

„Diese Standlkultur muss hochgehalten werden. Und gleichzeitig müssen wir erkennen, dass der Überfluss ein Ende braucht und wir im Winter keine Erdbeeren essen müssen“, sagt Koch und Standlbetreiber Sebastian Neuschler, der mit seinen Produkten großen Wert auf Regionalität und Qualität legt.

Das Konzept kommt an, in nur wenigen Wochen gibt es etliche Stammkunden. Der Umsatz stimmt auch ohne Touristen.

Große Pläne

Seit Mitte November hat der etwas andere Würstelstand seine Verkaufsfenster geöffnet, „sie rennen uns die Bude ein“, berichtet Neuschler. Schon jetzt, zwei Monate nach der Gründung ist ein zweites Standl geplant.

Und das obwohl mitten in einer umsichgreifenden Pandemie gegründet wurde. „Der Würstelstand ist krisensicher. Wir haben uns mit der Pandemie und Lockdowns daran gewöhnt Speisen mit hoher Qualität mitzunehmen und setzen hohe Ansprüche an sie – auch außerhalb von Restaurants. “ sagt Neuschler. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und die Pandemie hat viel nachhaltig verändert.“

Würstelstand-Romantik

Trotzdem ist der Stand nicht aus der Krise geboren. „Ich habe immer schon den romantischen Traum gehabt, einen Würstelstand zu betreiben, und jetzt ist er Realität geworden. Hier treffen Mistkübler auf Banker und kommen ins Gespräch. So etwas passiert nur am Würstelstand – oder im Fußballstadion,“ so der Neo-Standlbetreiber.

Außerdem: „Unsere Kunden sind König aber hier sind wir Kaiser. Anders als in der hochklassischen Gastronomie wo nach den Kunden gebuckelt wird. Wir begegnen einander auf Augenhöhe, egal wer vor dem Stand auftaucht.

Vom Haubenrestaurant zum Standl

Neuschler kommt aus der Top-Gastronomie. Er ist hohe Qualität und große Küchen gewöhnt. Nun steht er bei Wind und Wetter zu zweit auf 14 Quadratmeter. Im Weg stehen sich die zwei Köche bei der Zubereitung trotzdem nicht.

Jeder Handgriff sitzt. Seit dreizehn Jahren kochen Sebastian Neuschler und sein Sous Chef Georg Urak miteinander. Sie sind perfekt aufeinander eingespielt. Während der eine das frische Öfferl-Brot für die wahlweise vegane Bosna mit Senf beschmiert, steht der Zweite im richtigen Moment mit Wurst parat.

Jedem Grätzel sein Standl, heißt es in Wien. Und während viele Ecken der Stadt zunehmend von Kebab-Ständen zugepflastert werden, ergänzt das „Alles-Wurscht“-Standl das Potpourri der größer und diverser werdenden Street-Food-Kultur und mischt Wiener Tradition mit Calamari Fritti.

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