Neues Lokal Tolstoy: Das vegan-digitale Restaurant

Neues Lokal Tolstoy: Das vegan-digitale Restaurant
An der Rechten Wienzeile hat ein neues Lokal eröffnet. "Wir sind vegan, digital und die Zukunft", sagt Gründer Daniil Klubov.

Beim Bärenmühldurchgang, an der Ecke zur Rechten Wienzeile, leuchtet es in den Abendstunden neuerdings pastellfarben. Und zwar aus einem Lokal.

Dessen Schriftzug "Tolstoy" ist rosa-orange, die verglaste Front türkis. "Take away" (zum Mitnehmen) und "Plant-based-Eatery" (Pflanzliche Nahrung) steht in Leuchtbuchstaben in den Fenstern der Küche, in die man von Außen hineinsehen kann.

"Transparenz ist uns besonders wichtig", sagt Daniil Klubov. Auch wenn dieser Satz so klingen mag: Klubov ist kein Politiker der Neos. Sondern der Erfinder des Lokals. 

"Wir haben den Namen Tolstoy gewählt, weil der Autor schon in so frühen Zeiten für die Rechte der Tiere gekämpft hat. Da wussten viele in Europa noch gar nichts von Vegetarismus", so der 30-jährige Russe im Gespräch mit dem KURIER.  

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"Plant-Based-Eatery" gilt als Trendbegriff. Damit wird immer öfter der Begriff "vegan" ersetzt.

In dem kleinen Restaurant gibt es fünf Tische, eine Theke mit hohen Hockern und am Fenster nochmals Sitzgelegenheiten mit Tischen. Die Wände sind zur Hälfte mit weißen Fließen bedeckt, die Lampen wieder in pastelligem Türkis und in Terracotta gehalten.

Wegen des Lockdown sind derzeit natürlich alle Plätze leer.

Vegetarier mit Blättern im Bart

Am Eingang fallen sofort die großen Bildschirme auf: Sie erinnern an die Self-Service-Computer mit Touchscreen von Mc Donalds. "Order here" (Bestelle hier) steht darüber. Auf den Bildschirmen leuchtet allerdings kein gelbes "M", sondern das Gesicht von Tolstoy - in verschiedenen Farben und mit drei Blättern im Bart.

Zum Bestellen gibt es unterschiedliche Pinse, das sind pizzaähnliche, viereckige Teigwarenprodukte. Belegt sind die Pinse mit Pesto, Kürbis, Radicchio, Melanzani, Schwammerln oder Schafskäse - alles auf rein pflanzlicher Basis, also vegan. Sie kosten von 9,90 bis 10,60 Euro. 

"Pinsa ist unser beliebtestes Gericht", sagt Tolstoy-Chef Klubov, "gemeinsam mit den köstlichen Salaten". Erhältlich ist sogar die russische Suppe Borschtsch - vielleicht die einzige Speise, die man weltweit aus Russland kennt. Als russisches Restaurant verstehe man sich aber nicht unbedingt, so Klubov. 

Der junge Unternehmer kommt aus St. Petersburg, studierte aber in Wien an der Diplomatischen Akademie. Er arbeitete dann für die Atom-Agentur (IAEA), um später zur Unternehmensberatung McKinsey zu wechseln. 

100 Standorte geplant

Warum man so einen Job verlässt? "Ich wollte nach vier Jahren nicht mehr beraten, sondern Unternehmer sein", erklärt Klubov. In der USA gebe es bereits zahlreiche Fastfood-Ketten, aber in Europa sei noch Platz dafür. 

Die Zukunft der Ernährung sei auf jeden Fall pflanzlich - und so wie das Restaurant "Swing Kitchen" wolle er vegane Speisen im Schnellmodus verkaufen. 

"Wir wollen die größte pflanzliche Lokal-Kette in Europa werden. Mein Plan ist es, in den nächsten fünf Jahren 100 Standorte zu öffnen", sagt der ambitionierte Gründer. Die Idee sei es, ein Franchise-Unternehmen zu werden, mit zahlreichen Franchise-Nehmern.

Als Spion beim Marktführer Dodo

Klubovs Ambition, sein Ehrgeiz und seine Geschichte könnten einem Film entstammen. Bevor er sich der Gastronomie widmete, musste er nämlich recherchieren. Und er tat das unter anderem undercover. 

Erst arbeitete Klubov ein Monat lang bei einem bekannten veganen Restaurant in Moskau. Kurz darauf bewarb er sich undercover als Küchenhilfe beim russischen Marktführer Dodo in Moskau. "Ich bekam 100 Rubel pro Stunde, das sind circa 1,50 Euro", erzählt er. Er arbeitete dort quasi als Spion, um zu sehen, wie Dodo so erfolgreich werden konnte. 

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Wenn es nach dem Gründer Daniil Klubov geht, soll es bald viele Tolstoys in ganz Europa geben.

Das Start-up ist mittlerweile ein Franchise-Unternehmen, es zählt 457 Pizzerien in Russland und 69 in elf anderen Ländern. Das Herzstück des Moskauer Unternehmens ist kein ausgefallenes Pizza-Rezept, sondern die IT. "Alles ist komplett digitalisiert mit einem eigenen Betriebssystem", sagt Klubov. 

Digitalisierung der Gastronomie

Ein Großteil der Mitarbeiter der Firma Dodo sind Programmierer. Das eigens konzipierte Programm wandelt eingegangene Bestellungen in Arbeitsschritte um, die dann in der Küche auf dem Tablet aufscheinen. Die Küchenmitarbeiter können so Rezepte schnell und einfach nachmachen. 

"Ich konnte viel über die Digitalisierung der Gastronomie lernen. Man kann zum Beispiel genau berechnen, wie lange die Menschen an den Stationen brauchen", erklärt Klubov. 

Es gibt aber auch eine Kehrseite: Dodo wurde dafür kritisiert, dass Mitarbeiter zum Beispiel gefilmt wurden und die Aufnahmen live im Web übertragen wurden. "So weit wollen wir natürlich nicht gehen mit der Transparenz", versichert Klubov.

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Der Touchscreen am Eingang macht die Bestellung möglich. Barzahlen ist hier nicht möglich.

Auf der Tolstoy-Homepage teilt Daniil Klubov - Stichwort Transparenz - minutiös alle seine persönlichen Erfahrungen, Entscheidungen und Entwicklungen mit, die das Restaurant betreffen. Warum wollte er etwas Veganes aufmachen? Warum überhaupt ein Restaurant? Wie ist er mit den Köchen zusammengekommen, die jetzt für ihn arbeiten? Wer sind die Mitarbeiter?

Besonders nett und hilfreich für Nachahmer: In seinen Blog-Artikeln beschreibt er auch, was er aus seinen Fehlern gelernt hat. 

Kein Cash

Und noch etwas macht Tolstoy besonders: Hier gibt es keine Barzahlung. Das ist eindeutig sehr fortschrittlich für Wien. "Wien ist dafür bereit und außerdem muss man sich etwas trauen, nur dann kann man fortschrittlich sein", sagt Klubov. 

Von Dodo hat er sich inspirieren lassen: Auch er hat ein eigenes IT-System. Dieses wurde entwickelt von Rares Bacila. Ab dem Moment der Bestellung läuft alles über dieses System. Natürlich ist auch das Inventarmanagement damit verbunden: "Wenn Pinse verkauft werden, weiß das System, dass zum Beispiel wieder Tomaten nachgekauft werden müssen."

Was früher ein Kellner kommunizieren musste, das macht jetzt also das System. Und gebe es das System nicht, müsste sich jemand anderer um die Nachbestellung der Lebensmittel kümmern. Ersetzt das Programm also den Menschen? 

"Wir sparen Personal und haben so mehr Zeit für einen guten Kundenservice und Kontakt mit den Menschen", entgegnet Klubov. Die Digitalisierung helfe den Menschen, die Arbeitsprozesse zu vereinfachen. Durch die Digitalisierung könnten beispielsweise auch Menschen, die nicht eingeschult sind, große Mengen schnell bearbeiten. 

Info: 4., Rechte Wienzeile 1B. Zustellservice in den Bezirken 1 und 4 bis 9, +43 670 555 96 35

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