Wiens FPÖ-Chef Nepp: "Bürgermeister Ludwig ist ein umgänglicher Mensch"

Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp hat zuletzt für Empörung gesorgt, weil der den Standard als "Scheißblatt" bezeichnet hat. Im Interview spricht er über Medien, was der von der Herdprämie hält und was er an SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig durchaus positiv findet.
KURIER: Welche Zeitungen lesen Sie?
Dominik Nepp: Eigentlich alle. Das Erste, was ich in der Früh mache, ist alle Medien online zu durchstöbern.
Sie haben den „Standard“ in einem Posting als „Scheißblatt“ bezeichnet. Ist das als Politiker, der Sie auch eine Vorbildwirkung haben, klug? Bereuen Sie das Posting?
Ich habe Florian Klenk* vom Falter zitiert, der das über eine andere Zeitung gesagt hat. Ich nehme zur Kenntnis, dass es ein Angriff auf die Pressefreiheit ist, wenn ich einen linken Florian Klenk zitiere.
Der Verein der Chefredakteure sieht einen „Angriff auf die Informationsfreiheit“.
Die Pressefreiheit ist nicht in Gefahr! Und noch einmal: Ich habe ein Wort, das nicht in meinem üblichen Sprachgebrauch ist, zitiert und einer linken Blase damit einen Spiegel vorgehalten. Es gibt hier eine Art von Doppelmoral und scheinheiliger Empörung.
Die „Empörung“ führen Sie auf sich, die Medien, die FPÖ, die Koalitionsverhandlungen im Bund, die Wahl in Wien zurück?
Es ist eine künstliche Hysterie, die ein Schreckensgespenst aufbaut, das es nicht gibt. Ich kann Sie beruhigen: Es werden fünf gute Jahre.
Die wann beginnen?
Schritt für Schritt.

Steht die FPÖ-ÖVP-Regierung im Bund am 4.2., dem 25. Jahrestag der Angelobung von Schwarz-Blau?
Das weiß ich nicht. Im Regierungsprogramm sind jedenfalls auch gute Punkte für Wien enthalten.
Laut einer Umfrage der Wiener ÖVP haben 50 Prozent der Wienerinnen und Wiener Angst, dass Blau-Schwarz negative Auswirkungen auf Wien haben wird. Können Sie die Sorge verstehen?
Warten wir das Regierungsprogramm ab und schauen wir dann, ob die Sorge noch besteht.
Dass die Wahl in Wien vom Herbst auf den 27. April vorverlegt wurde…
…ist reines Kalkül von Bürgermeister Michael Ludwig, denn wir kennen die Debatte im Bund und das Milliardendefizit, dass uns Finanzminister Magnus Brunner erst nach der Wahl präsentiert hat. Genau das macht jetzt Ludwig: Er hätte im Juni 2024 den Rechnungsabschluss präsentieren sollen. Wien hat für heuer ein strukturelles Defizit von 3,8 Milliarden Euro zu erwarten. Vor zwei Jahren waren es 4,8 Milliarden Euro, in Summe waren es in den letzten 5 Jahren 14 Milliarden Euro. Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke haben immer Zahlen präsentiert, die getrickst waren. Ludwig wird ohne Hilfe des Bundes das Budget nicht mehr sanieren können. Ludwig wollte unbedingt eine Dreierkoalition im Bund, damit er sein Budget in Wien sanieren kann.
In welchen Bereichen wurde zu viel ausgegeben?
Die Sozialausgaben sind explodiert. Ein Bundesrechnungshofbericht hat schon vor drei Jahren die Kosten der Mindestsicherung kritisiert, doch die SPÖ hat nicht darauf reagiert. Auch im Bereich der Infrastruktur wurde Misswirtschaft betrieben, etwa bei Bauprojekten wie dem KH Nord oder aktuelle dem Bau der U2. Als ich Kind war, da kam die Straßenbahn alle 5 Minuten, bei meinen Kindern sind es 11 Minuten.
Ist das Wiener Linien-Ticket um 365 Euro zu günstig oder muss es mehr kosten, um die Instandhaltung zu gewährleisten?
Das Ticket ist nicht zu günstig. Für gewisse Gruppen wie Pensionisten sollte das Öffi-Ticket auf Null gestellt werden.
27. April 2025
Statt im Herbst wird in der Bundeshauptstadt Wien vorzeitig gewählt, wie Freitag vergangener Woche von Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig und seinem Regierungspartner Christoph Wiederkehr von den Neos beschlossen wurde wurde.
Die SPÖ hält 41,62 % der Stimmen, die ÖVP 20,43%, die Grünen 14,8 % und die Neos 7,47 %. Die Freiheitlichen verloren 23,68 % und erhielten 2020 7,11Prozent der Stimmen.
Dominik Nepp (42) ist seit 2021 Landesparteiobmann der Wiener Freiheitlichen.
FPÖ und ÖVP beraten im Bund angeblich gerade über eine „Herdprämie“. Konterkariert das nicht das Ansinnen beider Parteien, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen?
Ich finde allein schon den Begriff sexistisch, weil er suggeriert, dass die Frau immer zu Hause bleibt. Ein Kind zu betreuen – ob in einer staatlichen Einrichtung oder privaten – kostet Geld. Menschen, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollen, nehmen diese Leistung nicht in Anspruch und sollten über einen Teil dieses Geldes verfügen können.
Diese Prämie bekämen auch jene Migrantenfamilien, die Sie stets kritisieren und sanktionieren wollen.
Es geht uns um Wahlfreiheit! Unser Vorschlag ist, dass man im Alter von drei Jahren eine Sprachstandsfeststellung macht. Keine Angst, da muss kein Goethe zitiert werden. Aber Kinder, die diesen Maßstäben nicht entsprechen und zu Hause großgezogen werden, müssen gemeinsam mit ihren Eltern verpflichtende Deutsch-Kurse machen, damit sie bei Schuleintritt auch Deutsch können.
Sind Sie mit dem Begriff Herdprämie einverstanden?
Es ist eine Wahlfreiheit, wie man seine Kinder erziehen will. Wenn Sie jetzt einen Slogan wollen, müssen Sie Spindoktoren oder Masterminds fragen.
Sind Sie für die Einführung von Ambulanzgebühren, um die Spitäler zu entlasten?
Zuerst einmal gehört Aufklärung betrieben. Viele Menschen kommen aus Kulturkreisen, wo es dieses mehrstufige System eben nicht gibt. Das gibt es nicht zuerst den niedergelassenen Arzt, dann den Facharzt, dann die Ambulanz. Dort ist es üblich, gleich ins Spital zu gehen, weil es diese Strukturen in ihren Ländern nicht haben.
Es gibt aber auch die bequemen Österreicher, die einfach am Wochenende gerne in die Ambulanz gehen
Die gibt es auch, ja. Aber die gehen meistens dorthin, weil es schwer ist, auf die Schnelle einen Facharzt zu finden – etwa im Bereich der Kinderärzte. Ich kenne das ich habe selber Kinder. Jemand, der offen hat und gerade verfügbare Slots hat, so dass man als Patient hingehen kann, das ist Mangelware. Hier gilt es, Kassenstellen zu erweitern.
Keine Ambulanzgebühr ein, das 365-Euro-Ticket muss nicht erhöht werden: Wie kommt man in Wien zu Einnahmen?
Es geht nicht um das Einnehmen. Es geht darum, Ausgaben zu kürzen, zum Beispiel im Sozialbereich. Bei der Mindestsicherung geht es um 700 Millionen Euro. Wir zahlen 60 bis 70 Prozent an Nicht-Staatsbürger. Die Kosten für Wohnen und Gesundheit wird für diese Menschen von der Allgemeinheit getragen. Oder bei den Großprojekten, wo es wie beim Krankenhaus Nord Missplanung und fehlendes wirtschaftliches Verständnis gegeben hat. Diese Misswirtschaft im roten Wien muss man stoppen, indem man fähige Menschen hinsetzt und nicht nur loyale Parteifreunde.
Im Burgenland besteht die Möglichkeit, dass Hans Peter Doskozil mit Norbert Hofer die Landesregierung bildet. Ist so etwas in Wien mit Ihnen und dem jetzigen SPÖ-Chef von Wien denkbar?
Jeder, der meine Punkte mittragen will, ist ein potenzieller Koalitionspartner,
Auch wenn Sie jetzt so über diesen potenziellen Koalitionspartner sprechen?
Ich war doch höflich-kritisch. Hart, aber herzlich, wenn man das so sehen will. Ich glaube nur, dass es im Burgenland eher zu einer rot-schwarzen Koalition kommen wird das auch das ist, was insgeheim schon auf Wiener Ebene ausgemauschelt wird.
Wie motiviert man sich, die nächsten fünf Jahre wieder nur in Opposition zu sein.
Da kann man auch Politik umsetzen. Jörg Haider hat anfangs in der Oppositionsphase die Regierenden vor sich hergetrieben. In Wien haben wir das nur mit 7 Prozent geschafft. Im Jahr 2021, waren während der Coronakrise viele Menschen in Kurzarbeit mit 80 Prozent des Gehalts. Viele der sozial Schwachen wohnen im Wiener Gemeindebau und wir haben gefordert, dass dort ein Mietpreisdeckel eingeführt wird, damit es eben zu keiner Erhöhung kommt. Bürgermeister Ludwig hat fünf Mal erhöht mit dem Argument, dass es juristisch nicht anders geht. Jetzt, ein Jahr vor der Wahl, führt er den von uns geforderten Deckel ein. Zu spät für uns, aber anscheinend geht es doch.
In Wien wird Heinz-Christian Strache auch antreten. Befürchten Sie, dass er Ihnen Stimmen wegnimmt?
Nein.
Wird es ein schmutziger Wahlkampf?
Wir führen einen fairen Wahlkampf und werden überraschen. Wir haben die erste Plakatwelle Mitte Februar und sie wird positiv sein.
Gibt es eine Eigenschaft, die Sie an Michael Ludwig schätzen?
Er ist ein umgänglicher Mensch, man kann mit ihm nett plaudern. Es sind aber schwierige und herausfordernden Zeiten mit Rekordarbeitslosigkeit und mit enormen Energiepreisen. In solchen Zeiten braucht man einen Politiker, der auch anpackt. Ludwig war in den letzten fünf Jahren ein Verwalter und kein Gestalter.
*Florian Klenk. Der Chefredakteur des Falter legt nach Erscheinen des Interviews Wert auf die Feststellung, dass Dominik Nepp im KURIER-Interview "eine falsche Behauptung verbreitet. Ich habe keine Zeitung als Scheißblatt bezeichnet, sondern geschrieben, dass ich es für eine vertretbare Meinung halte, wenn jemand Scheißblatt sagt. Gemeint ist damit, dass man das Werturteil dessen, der so etwas sagt, nicht bestrafen soll. Das ist auch die Meinung der Justiz in diesem Fall. Das bedeutet aber nicht, dass ich Heute als Scheißblatt bezeichnet habe. Das eine Mal trete ich also für Meinungsfreiheit ein. Das andere Mal beleidige ich eine Zeitung."
Der Artikel wurde am 24. Jänner aktualisiert.
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