Nachdem sich die Parteichefs Herbert Kickl und Christian Stocker zu Beginn der FPÖ-ÖVP-Regierungsverhandlungen öffentlich aneinander ab- und Aversionen wie Ressentiments der Vergangenheit vor laufenden Kameras aufgearbeitet haben, versuchte man in einem nächsten Schritt demonstrative Einigkeit.
Erst zu viert - die Parteichefs mit ÖVP-Klubchef August Wöginger und FPÖ-Mandatar Arnold Schiefer anlässlich des EU-Defizitverfahrens - dann zu zweit (Wöginger mit FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs). Um wenige Tage später wieder die Unterschiede auszuloben.
WKO-Präsident und Verhandler Harald Mahrer betont im KURIER-Interview die "dass die Freiheit von Kunst und Kultur unteilbar" ist. ÖVP-Außenminister und Regierungschef Alexander Schallenberg bricht sich in seiner zweiten Regierungserklärung am Mittwoch "eine Lanze für Kunst und Kultur", spricht über die weltweit unter Druck geratene "individuelle Freiheit" - und dass "in Zeiten zunehmender Polarisierungen und Spaltungen die Kultur eine Konstante ist, die uns verbinden kann, die uns Identität, geistige Wehrhaftigkeit und Resilienz geben kann".
Ohne den möglichen künftigen Koalitionspartner - die FPÖ - zu nennen, benennen die ÖVP-Politiker "die rote Linien" zu den Blauen und geben sich gleichzeitig in der Bewahrer- und Beschützerrolle von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung. Anlass dafür liefern nicht nur die Äußerungen von FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp und Funktionäre an einem Stammtisch. Zahlreiche offene Briefe an Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen - von Künstlern bis Universitäten - äußern seit 6. Jänner (Kickl erhält Regierungsbildungsauftrag) ihre Sorge über eine von der FPÖ geführte Regierung.
Diese, erste blau-türkise Bundesregierung, soll gemäß KURIER-Informationen - jedenfalls weit vor der Bundestagswahl in Deutschland (23.2.) angelobt werden.
Dem KURIER erzählen Verhandler, dass bis zum 31. Jänner inhaltlich verhandelt werden soll, um den Sack rechtzeitig vor dem 4. Februar zuzumachen. Warum 4. Februar? Nun, vor exakt 25 Jahren war dies der Tag, an dem ÖVP und FPÖ, damals unter der Führung von Kanzler Wolfgang Schüssel, erstmals angelobt wurden. Es wäre zumindest ein merkenswertes Kuriosum, würde die FPÖ exakt 25 Jahre später selbst den Kanzler stellen, heißt es.
Bis es soweit ist, müssen freilich noch einige Hürden übersprungen werden. Alsda wären:
Sky Shield
Das gemeinsame Beschaffungsprogramm für die Luftverteidigung steht symbolisch für die großen inhaltlichen Differenzen von FPÖ und ÖVP. Während Herbert Kickl Sky Shield als NATO-Projekt grundlegend ablehnt und am liebsten gestern lassen würde, ärgern sich Bürgerliche bei diesem Thema gleich über mehrere Aspekte der FPÖ. Erstens ist Sky Shield kein NATO-Projekt - immerhin sind selbst die Schweizer Teil dieser Beschaffungsgemeinschaft, die einzig und allein den Vorteil hätte, das viele europäische Ländern gemeinsam, damit günstiger, schneller und aufeinander abgestimmt Raketensysteme zur Verteidigung des Luftraums haben. Auch die Behauptung, dass am Ende Soldaten oder Beamten im Ausland bzw. in Brüssel den Finger am Knopf hätten, der über allfällige Abschüsse entscheidet, ist sachlich einfach falsch. Die Entscheidung, was im österreichischen Luftraum passiert, hat überhaupt nichts mit Sky Shield zu tun, sagen Verteidigungsministerium und kundige Verfassungsrechtler wie Walter Obwexer seit Jahren. Natürlich entscheidet ein österreichischer Verteidigungsminister über die Verteidigung des Luftraums über Österreich. Alles andere würde ja auch der Neutralität widersprechen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Koalition an Sky Shield scheitert, ist trotz allem nicht. Warum? Österreich kann nach wie vor aus der Beschaffungsgemeinschaft aussteigen und die Waffensysteme selbst bzw. bilateral kaufen. Diesbezüglich gibt es bereits konkrete Überlegungen in der ÖVP.
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