Naturhistorisches Museum sucht neues Zuhause für das riesige Pflanzenarchiv

Ein Buch aus dem Jahr 1591 in der botanischen Sammlung des Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien
Die botanische Sammlung mit 5,5 Millionen Objekten zählt zu den größten der Welt. Doch die Kisten stapeln sich bereits bis zur Decke.

Behutsam öffnet Botanikerin Tanja Schuster das  Buch mit grünem Stoffeinband: Die vergilbten Seiten zeigen getrocknete und gepresste Pflanzen, manche sind auch mit Zeichnungen versehen. Umblättern ist nur mit Sorgfalt und Stoffhandschuhen erlaubt, denn das Buch stammt aus dem Jahr 1591 und ist eines von zehn Exemplaren, die weltweit existieren. 

Pressen, trocknen und anschließend auf Papier anbringen: Obwohl zwischenzeitlich mehrere Jahrhunderte vergangen sind, haben sich die Methoden, Pflanzen zu sammeln und zu archivieren, nicht wesentlich verändert.

Eine der weltweit größten Sammlungen wird in Wien aufbewahrt

Rund 5,5 Millionen solcher Herbarien (so nennt man die Papierbögen mit Pflanzen) werden im Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien mittlerweile aufbewahrt, vom Buch aus 1591 bis hin zu Objekten aus der Gegenwart. Die botanische Sammlung zählt zu den zehn größten weltweit – platzt mittlerweile aber aus allen Nähten. Daher stellte NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland am Dienstag Pläne für ein neues „Haus der Botanik“ vor, in dem das Archiv künftig untergebracht sein könnte. 

Gleich vorweg: Noch handelt es sich bei den Plänen für das „Haus der Botanik“  bloß um Entwürfe, wie eine Aufbewahrungsstätte für das riesige Pflanzenarchiv aussehen könnte.

Naturhistorisches Museum sucht neues Zuhause für das riesige Pflanzenarchiv

Wie könnte ein "Haus der Botanik" aussehen? Studentinnen und Studenten haben Modelle entworfen.

Studenten der Technischen Universität Wien haben dafür verschiedene Modelle designt, die bis 30. Mai in einer Sonderschau im Saal 21 im NHM zu besichtigen sind. 

Was ein Archiv alles verrät

Wozu es überhaupt ein  Pflanzenarchiv braucht? Grundsätzlich verwenden Forscher die Pflanzenbelege, um Arten beschreiben oder vergleichen zu können. 

Doch die Pflanzen erzählen noch weit mehr. Etwa über Klimaveränderungen: „Wir können vergleichen, wann und wo welche Pflanzen gewachsen sind, wann diese geblüht haben und ob sich die Blütezeit verschoben hat“, erklärt Botanikerin Tanja Schuster. Ebenso kann man etwa Pflanzen aus der vorindustriellen Zeit auf ihre Schadstoffbelastung hin untersuchen.

Auch Historiker greifen in ihrer Arbeit immer wieder auf Pflanzenarchive zurück: „In der Zeit des Sklavenhandels wurden zum Beispiel mit den Menschen auch Pflanzen aus Afrika verschleppt“, so Schuster. Die Wege der Pflanzen erzählen also viel darüber, wo der Mensch zur jeweiligen Zeit unterwegs war. 

Naturhistorisches Museum sucht neues Zuhause für das riesige Pflanzenarchiv

Das Buch aus dem Jahr 1591: Pflanzen, die nicht gepresst und getrocknet werden konnten, wurden abgebildet. Hier zu sehen ist eine Paprikapflanze, die wohl aus Amerika stammt.

Auch das Buch aus dem Jahr 1591 gibt in dieser Hinsicht interessante Einblicke: Schuster zeigt die Zeichnung einer Pflanze mit roten Paprikaschoten. „Was nicht aufgeklebt werden konnte, wurde gezeichnet oder gemalt“, erklärt sie. „Der Paprika, den wir hier sehen, muss aus Nordamerika stammen, denn den gab es bei uns nicht.“

Volle Regale und unzählige Kartons

Derzeit stapeln sich die Kartons mit Herbarbögen im Museum bis unter die Decke. Die Digitalisierung und Erfassung des gesamten Bestandes gestalte sich sehr aufwendig, erklärt Heimo Rainer, Leiter der Botanischen Abteilung. 

Die Sammlung im NHM: Mit 5,5 Millionen Objekten beherbergt das NHM eine botanische Sammlung, die zu den zehn größten und bedeutendsten der Welt zählt. 

Die Entwürfe: Studentinnen und Studenten der Technischen Universität Wien haben Entwürfe für ein potenzielles "Haus der Botanik" erarbeitet. Der Fokus lag dabei auf dem Bereich des ehemaligen Glacis, also dem Bereich entlang der ehemaligen Stadtmauer. Heute verläuft dort die Ringstraße. 

Die Modelle: Besichtigen kann man die dreidimensionalen Modelle von 8. Mai bis 30. Mai im Saal 21 im Naturhistorischen Museum. 

Die Modelle der Studenten, die den nahezu unzähligen Herbarbögen ein neues, größeres Zuhause bieten könnten, sind im Bereich der Ringstraße angesiedelt: „Einem Bereich, der seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts praktisch nur noch auf den Individualverkehr ausgerichtet ist“, sagt Architekt Gerhard Schnabl von der TU Wien.  

„Ich weiß aber, dass das ein komplizierter Platz ist, wo Stadt, Land, Bund und Privatiers mitreden“, fügt Vohland hinzu. „Aber wir wollten unsere Idee einmal in den Raum stellen und einen Diskurs dazu anregen.“

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