Forscher Ferdinand von Hochstetter: Mit der "Novara" nach Neuseeland
In Tagebüchern schrieb der Wissenschafter seine Erinnerungen an Kanus, Tätowierungen, Aal und „Buschjungfrauen“ nieder. Nun werden diese Texte erstmals veröffentlicht.
"Wir saßen nun den Abend mit den Eingeborenen zusammen, man unterhielt sich, so gut es ging. Der Häuptling Waterhouse ist ein Gentleman, der nun seine Stammesgenossen aufforderte, uns Lieder zu singen. Wir sangen den Maori die österreichische Volkshymne und die preußische Nationalhymne, die Maori sangen uns ihre alten Kriegslieder."
Das notierte Ferdinand von Hochstetter am 11. Februar 1859 über die Maori in Neuseeland in sein Tagebuch.
Doch wer war Hochstetter? Obwohl er eine zentrale Figur in der österreichischen Wissenschaft war, ist sein Name nur noch wenigen ein Begriff. Hochstetter war Geologe, Reisender, Ethnograf, Anthropologe, Sammler. Und „ein brillanter Kopf und einer der letzten Universal-Dilettanten“, wie es Mathias Harzhauser, Direktor der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums (NHM), nennt.
Der Aufbruch
Im April 1857 stach der 28-jährige Hochstetter mit der „Novara“ zu einer Weltumsegelung in See, im Zuge derer er neun Monate in Neuseeland verbrachte. Dort untersuchte er nicht nur Gesteine, Kohlevorkommen oder Fossilien, sondern auch Gebräuche und Sitten der Maori: Seine Beobachtungen notierte er akribisch in fünf Tagebüchern.
Diese werden aktuell von Experten des NHM sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften transkribiert und wissenschaftlich kommentiert. Die Erkenntnisse über Hochstetters erstes Tagebuch sind nun als Buch erschienen.
Freilich, Reisen war früher eine beschwerliche Angelegenheit, was auch in Hochstetters Notizen über die „Novara“ deutlich wird: So litt ein Großteil der Besatzung lange an Seekrankheit. "Bis heute habe ich nichts von dem gefürchteten Seeübel verspürt und glaube nun, dass ein Stück Seemannsnatur in mir steckt", hielt Hochstetter fest.
Neuseeland war für Forscher Neuland
Sein erster Eindruck von Neuseeland war übrigens nicht ausschließlich positiv: Die vulkanischen Kegelberge etwa beschrieb er als zusammengeschrumpft. Ebenfalls zu schaffen machten ihm die Hitze und Moskitos, welche gerade in diesen Monaten zu Milliarden die feuchten Urwälder bevölkern.
Nichtsdestotrotz erwachte rasch seine Begeisterung für dieses ferne Land, von dem weite Teile für Forscher noch Neuland waren.
Respekt vor den Maori
Was die Aufzeichnungen deutlich zeigen, ist Hochstetters Respekt vor den Maori: „Das war zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit“, betont Stefanie Jovanovic-Kruspel, stellvertretende Direktorin des Archivs für Wissenschaftsgeschichte im NHM. So hätten andere Forscher Tabus ignoriert und etwa Gräber geplündert.
Nicht so Hochstetter: Er bewunderte etwa die Kanus und Tätowierungen der Indigenen. Wenngleich die Verpflegung für ihn gewöhnungsbedürftig war: Der Wein war stark mit Zucker versetzt. Oft wurde Aal serviert, für europäische Gaumen eine viel zu fette Speise.
Besser gefiel ihm da die eine oder andere einheimische Dame, wobei er manche auch weniger schmeichelhaft als echte neuseeländische Buschjungfrauen bezeichnete.
Zur Person
Christian Gottlieb Ferdinand Hochstetter, geboren am 30. 4. 1829 in Esslingen (Deutschland). 1852 ging er nach Wien. Im April 1857 brach er zur „Novara“-Expedition auf. Darüber veröffentlichte er 1863 das Buch „Neu-Seeland“.1876 wurde er zum ersten Intendanten des Naturhistorischen Museums ernannt
284 Tage verbrachte er in Neuseeland. Seine Beobachtungen hielt er in fünf Tagebüchern fest.
Die neueste Publikation
„Hochstetters Auckland-Tagebuch“, Mathias Harzhauser & Stefanie Jovanovic-Kruspel (Hg.), erhältlich im NHM-Verlag um 35 Euro
Familientreffen in Wien
Sein ansonsten aber großer Respekt und sein Interesse erfreute auch die Maori, da die dies vonseiten der Kolonialherren nicht gewohnt waren. "Ich muss dir danken, denn du bist weither gekommen, uns zu sehen. Ein Volk, das solche Männer hat und sie weit über die Meere sendet, um uns zu sehen, muss ein großes Volk sein", habe ihm einer der Maori gedankt, schrieb Hochstetter in sein Tagebuch.
Tatsächlich dürfte sein Ansehen groß gewesen sein, sagt Jovanovic-Kruspel: „Nachfahren der Maori haben vor einigen Jahren sogar Kontakt zu Nachfahren Hochstetters gesucht. 2016 kam es dann zu einer Art großen Familientreffen in Wien.“
Aufgrund seiner Verdienste wurde Hochstetter 1876 zum ersten Direktor des NHM ernannt – leider verstarb er aufgrund einer nicht diagnostizierten Diabetes fünf Jahre vor der Museumseröffnung. Doch mit der aktuellen Forschung wird ein zentraler Teil seiner Arbeit wieder zum Leben erweckt.
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