Nachwuchs im Fledermaustierheim: Wie verwaisten Babys geholfen wird
Aus einem Gehege ertönt lautes Pfauchen. „Da drinnen ist eine Zweifarbfledermaus. Die tut nur so, die beißt nicht“, sagt Kathy Leibezeder und lacht. „Aber am stressigsten sind Bartfledermäuse: Die schreien dich an und spucken dir das Futter ins Gesicht.“
Während die Tierpflegerin erzählt, öffnet sie eine der transparenten Boxen, die neben dem Gehege stehen. Darin bewegt sich etwas: kleine, dunkelbraune Wesen, die über eine Decke krabbeln. Es sind Fledermausbabys.
Im Fledermaustierheim in der Schadekgasse im 6. Bezirk ist Hochsaison: Denn im Sommer bekommen die Tiere Nachwuchs. Fledermausmamas leben mit den Kleinen in sogenannten Wochenstuben, etwa in Mauerritzen oder in Dachstühlen. Bei Bau- und Gartenarbeiten kann es vorkommen, dass die Wochenstube beschädigt wird und die Kleinen verletzt und hilflos auf dem Boden landen.
Doch was dann tun, wenn man eine Fledermaus findet?
Leibezeder und ihre Kollegen vom Verein „Fledermausstation Österreich“ sind rund um die Uhr erreichbar und holen Tiere in Not, wenn es sein muss, sogar selbst ab. Beim KURIER-Besuch sind Kathy Leibezeder und Joy Hiehsberger im Tierheim im Dienst.
54 Babys werden hier aktuell aufgepäppelt. Dazu kommt die Betreuung von mehr als 40 erwachsenen Tieren, die verletzt wurden und Pflege brauchen. „Ich bin sogar schon von einer Hochzeit abgereist, um eine verirrte Fledermaus einzufangen“, sagt Leibezeder. Nachsatz: „Nicht meine eigene. Aber das wäre mir auch zuzutrauen.“
Die Winzlinge brauchen regelmäßig Futter
Ihren Tagesablauf, den bestimmen momentan die Babys. Leibezeder öffnet eine der Boxen. Sofort krabbeln ein paar Kleine an den Rand und schauen heraus. „Jetzt tun sie so hungrig. Dabei haben sie eh gerade gefressen“, sagt die Tierpflegerin und lacht. Dennoch: Die nächste Fütterung steht schon wieder an.
Vorsichtig nimmt sie einen Winzling aus dem Behältnis. Er ist gerade einmal halb so groß wie ihr Daumen. Leibezeder streichelt den kleinen Körper, der zu vibrieren beginnt. „So kommuniziert das Junge mit der Mama. Normalerweise kuscheln sie und reiben ihre Köpfe aneinander“, erklärt sie. Da die Mutter nicht mehr da sei, streichle sie eben die Tiere.
Über ein dünnes Röhrchen erhält das Baby ein paar Tropfen Katzenaufzuchtmilch. Das Tier öffnet sein winziges Maul und saugt. „Wenn sie meinen Geruch noch nicht kennen, sind sie manchmal unruhig“, erklärt Leibezeder. Haben sie sich beruhigt, lassen sie sich meist anstandslos füttern. „Fledermäuse sind nämlich ziemlich gefräßig.“
Mehrmals pro Nacht läutet der Wecker
Die Winzlinge in der Babybox sind circa eine Woche alt; alle zwei bis vier Stunden brauchen sie ihre Dosis Milch. Das heißt für die Tierpflegerin: Der Wecker läutet mehrmals pro Nacht, durchschlafen oder gar Urlaube sind im Sommer nicht möglich. „Fast wie Fließbandarbeit“, scherzt sie. Und das übrigens ehrenamtlich: Leibezeder und drei weitere Pfleger kümmern sich rund um die Uhr unentgeltlich um die Tiere.
Fledermausstation Österreich: Das Tierheim befindet sich in Wien. Es gibt Außenstellen und Kooperationen in NÖ, OÖ, Graz und Salzburg. Info: fledermausstation.at
Wildtiere: Findet man eine Fledermaus, gilt: nicht angreifen. Die Fledermausstation ist rund um die Uhr erreichbar. Experten geben Anweisung, wie man dem Tier helfen kann. Die Notfallnummer: 0670/6028666
Unterstützung: Wer den Verein unterstützen möchte: AT54 2011 1850 4129 2500 Betreff: Spende
Woher die Liebe zu den Tieren kommt? „Es sind soziale, hochsensible Lebewesen“, sagt Leibezeder. 29 Arten leben alleine in Österreich, und alle haben ihre Eigenheiten: Da gibt es die Krawallmacher, wie die Zweifarb- und Bartfledermäuse. Oder die Tiefenentspannten wie die Alpenfledermäuse.
Weniger Vampir, mehr Batman
„Das Problem ist nur, dass sie dieses Vampirimage haben“, sagt Hiehsberger. Dabei seien Fledermäuse harmlos, ja sogar nützlich, da sie Motten und Mücken fressen. Man wolle die Tiere nicht nur retten, sondern ihnen auch zu einem besseren Image verhelfen – weniger Vampir, mehr Batman, sozusagen.
Doch so sehr sie die Tiere liebe, betont Leibezeder: „Der schönste Moment ist, wenn wir ein gesundes Tier auswildern können.“
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