Ein Besuch im Fledermaus-Tierheim: Wo „Fetti“ wieder fliegen lernt
Was bewahren Sie in einem Weinkühlschrank auf? Wein, Sekt oder Champagner? Was man darin jedenfalls nicht vermuten würde, sind 60 Fledermäuse.
Fledermäuse genießen ja einen zweifelhaften Ruf: Sie gelten als gruselige Gesellen, die nächtens umherflattern, sich in Haaren verfangen könnten, möglicherweise gar Blut trinken oder Corona verbreiten. Zu Unrecht: Tatsächlich sind sie sehr nützliche Tiere, die Schädlinge fressen. Und Blutsauger gibt es hierzulande auch nicht.
Winterschlaf im Kühlschrank
Bei Tierpflegerin Kathy Leibezeder geht die Liebe sogar so weit, dass sie nicht nur ihr Herz, sondern auch Teile ihrer Wohnung an sie verloren hat: Seit Jahren kümmert sie sich ehrenamtlich um verletzte Fledermäuse, zuletzt hat sie sie sogar in einem Weinkühlschrank im Schlafzimmer überwintern lassen: Der ist geräuscharm und hält die Temperatur von 5 bis 6 Grad – ideal für den Winterschlaf gewisser Fledermausarten.
Der Verein: Anfang 2023 wurde der Verein „Fledermausrettung Österreich“ gegründet. Er ist rund um die Uhr erreichbar unter 0670 / 40 27 111.
Das neue Tierheim: Alle Mitarbeiterinnen des Vereins sind ehrenamtlich tätig, die Räumlichkeiten werden von der Tierschutzorganisation „Blauer Kreis“ zur Verfügung gestellt. Wer unterstützten möchte: Spendenkonto: Fledermausrettung Österreich; IBAN: AT64 2011 1847 6916 2700
Zu Jahresbeginn gründete Leibezeder mit drei Gleichgesinnten den Verein „Fledermausrettung Österreich“. Im 6. Bezirk bezogen sie nun Wiens einziges Fledermaus-Tierheim: Hier werden Findeltiere wie Verletzte versorgt und aufgepäppelt. Und auch das Fliegen will wieder erlernt werden: Vor der Auswilderung müssen die Tiere beweisen, dass sie eine kräftige Runde durch den Raum flattern können.
"Fettis" Flugversuch
Eine Fledermaus mit dem liebevollen Spitznamen „Fetti“ plagt sich dabei noch ein wenig: Der erste Flugversuch endet auf dem Boden, wohl wegen des Übergewichts aufgrund des Genusses zu vieler Mehlwürmer. „Fetti“ bekommt also eine Diät und noch ein paar Flugstunden verordnet.
Der Bedarf an Hilfe ist jedenfalls groß: 450 Fledermäuse wurden im Vorjahr von Leibezeder und ihren Kolleginnen betreut, heuer sind es schon um die 80. Hilfsbedürftige Tiere werden immer wieder gefunden: etwa wenn sie sich bei der Hausmauer eingenistet haben und beim Kippen eines Fensters Quetschwunden erleiden. Oder wenn sie von Katzen verletzt oder infolge von Baumfällungen obdachlos werden.
Sehr häufig leben sie in Höhlen oder Spalten, sie können sich aber auch verfliegen: „Ich war schon im Museum für Angewandte Kunst, in der Rossauer Kaserne oder im Justizministerium, um Tiere einzufangen“, erzählt Leibezeders Vereinskollegin Elli Weiss.
Ist eine Fledermaus tagsüber zu sehen oder hält sie sich in Bodennähe auf, braucht sie höchstwahrscheinlich Hilfe: „Besser, man ruft uns einmal zu viel an, als zu wenig“, betont Leibezeder.
Nicht angreifen
Generell gelte wie bei allen Wildtieren: Nicht mit der Hand angreifen, nur mit Handschuhen oder mit einem Tuch. Angst brauche man keine zu haben: „Fledermäuse sind so soziale Tiere, sie werden total unterschätzt“, sagt Leibezeder. „Sie sind wunderhübsch und vielfältig, schließen Freundschaften und kuscheln miteinander.“
Wiewohl Fledermaus nicht gleich Fledermaus ist: 29 Arten gibt es allein in Österreich. „Erst kürzlich wurde eine neue entdeckt: eine Unterart der Bartfledermaus“, sagt Leibezeder. Und jede hat ihre Eigenheiten. Etwa die Zweifarbfledermäuse: Das sind kleine Krawallmacher, die oft pfauchen und schreien. Da sei man oft froh, wenn man sie wieder auswildern könne, sagen die Betreuerinnen und lachen.
Die grüne Kralle
Zwei Wochen lang werden die Tiere im Schnitt betreut. Ausgewildert werden sie dort, wo sie gefunden wurden. Davor müssen sie aber ihre Flugkünste beweisen: Der Kleine Abendsegler etwa macht seinem Namen alle Ehre und dreht eine souveräne Runde durch den Raum. Wer die Flugprüfung besteht, dem wird eine der winzigen Krallen mit grünem Nagellack markiert – das Zeichen, dass das Tier bereit ist, ausgewildert zu werden. Für Leibezeder und Weiss die Belohnung für ihre viele Arbeit. Denn so sehr sie die Tiere auch lieben: „Wir freuen uns am meisten, wenn wir sie wieder freilassen können.“
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