Zu Besuch bei 200 schrägen Vögeln: Warum viele Papageien im Tierheim landen

Zu Besuch bei 200 schrägen Vögeln: Warum viele Papageien im Tierheim landen
Sie sind farbenprächtig, aber auch intelligent und eigensinnig. Die artgerechte Haltung ist sehr aufwendig, viele Halter sind damit überfordert.

Nasenkakadu „Nasi“ nimmt die Besucherin in der Voliere ins Visier. Ein paar Flügelschläge später sitzt er schon auf ihrer Schulter, brabbelt in ihr Ohr (man meint, „Hallo“ zu verstehen) und nimmt ein Haarbüschel in den Schnabel.

Ein Vogel als drolliger Hausgenosse, der Menschen mit Plappereien unterhält – so das Klischee. Tatsächlich sind sie aber eigenwillige Charaktere und für die private Haltung nicht gut geeignet. 

Viele enden daher im einzigen Papageientierheim Österreichs; allein 2023 wurden 60 Vögel dort abgegeben. Ein Anlass, das komplexe Wesen der prächtigen Exoten zu beleuchten.

Warum so viele im Heim landen? 

Viele Tierhalter waren schlicht überfordert: Sind die Möbel erst kaputt und die Nachbarn ob des tierischen Dauergeschreis entnervt, wird der Papagei abgegeben. Häufig sind es aber auch behördliche Abnahmen, etwa wenn die Vögel nicht gesetzeskonform gehalten wurden. Denn Papageien müssen zumindest paarweise leben und brauchen eine Voliere mit ausreichend Platz.

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Ein Gelbhaubenkakadu, einer der prächtigen Bewohner des Papageienschutzzentrums in Wien. Die Haltung der Tiere ist anspruchsvoll und teuer, daher landen sie oft im Tierheim. 

Auch „Nasi“ war einst nicht artgerecht untergebracht, vor zehn Jahren landete er daher im Papageienschutzzentrum. „Er ist impulsiv, intelligent und brabbelt die ganze Zeit“, beschreibt Zoologin und Tierheimleiterin Nadja Ziegler. Und „Nasi“ braucht Aufmerksamkeit: Hat er sich einmal auf einer Menschenschulter niedergelassen, ist er nicht leicht zur Rückkehr auf eine Stange zu überreden.

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Die Redakteurin wurde sofort von „Nasi“ in Beschlag genommen. Sein langer Schnabel ist übrigens durchaus
respekteinflößend.

Ähnlich geht es ein paar Volieren weiter zu: Nacktaugenkakadu-Weibchen „Asterix“ kraxelt die Gitterstäbe entlang. Sie möchte um jeden Preis beachtet werden und schreit deshalb sicherheitshalber laut vor sich hin. Eine Gärtnerei hatte den Vogel einst als exotische Zierde gehalten – freilich nicht artgerecht.

Ganz einfach sei es nicht gewesen, die quirlige „Asterix“ in die Vogelgruppe in ihrer Voliere zu integrieren. „Sie hält sich nämlich für einen Menschen und würde wohl lieber in einem Büro sitzen“, scherzt Ziegler und lacht.

Viele Tiere sind fehlgeprägt

Für einen Menschen? Ja, „Nasi“ wie „Asterix“ leiden an  einer sogenannten Fehlprägung. Werden Papageien (Kakadus zählen zu Papageien, Anm.) von Menschen aufgezogen, halten sie Menschen für Artgenossen. 

Ein Dilemma, erklärt Ziegler: „Papageien sind hochsozial. Sind sie aber fehlgeprägt, sind sie nicht in der Lage, richtig mit anderen Papageien zu leben.“ Das wiederum mache die Tiere unglücklich: Sie beginnen, sich die Federn zu rupfen, aus Frust zu viel zu fressen oder sich aggressiv und aufdringlich zu verhalten.

Es ist verboten, Papageien von Hand aufzuziehen

Seit 2005 sei die Handaufzucht durch Menschen in Österreich daher verboten, so Ziegler. Leider komme es dennoch immer wieder vor, da viele Menschen sich so einen „zahmen“ Papagei wünschen. Denn nur ein fehlgeprägtes Tier lässt sich auf der Schulter des Besitzers nieder und plappert auf ihn ein.

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Biologin Nadja Ziegler gründete das Tierheim in den 1990er-Jahren. Sie ist Expertin in Papageienfragen und erklärt: „Wenn sie sprechen, ist es eigentlich ein trauriges Zeichen. Je mehr die Papageien sprechen, desto einsamer sind sie“

Ein Graupapagei im Tierheim sagt etwa gerne das Wort „Sex“

Doch was hat es mit dem Sprechen auf sich? 

Streng genommen ist es nur ein Nachahmen von Lauten. „Der Vogel sucht so die Aufmerksamkeit des Menschen. Die bekommt er damit eher als mit Pfeifen oder Singen“, so Ziegler. „Sprechen ist eigentlich ein trauriges Zeichen. Je mehr sie sprechen, desto einsamer sind sie.“

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Diese Aras kamen im Dezember ins Tierheim. Sie wurden nicht artgerecht gehalten und werden hier nun von Pflegerin Lisa Walden gesundgepflegt. 

Eine Partnervermittlung für Papageien

Wer zu Hause einen einsamen Vogel hat, kann sich übrigens auch an das Tierheim wenden: „Wir bieten eine Partnervermittlung, eine Art Parship für Papageien“, so die Zoologin. Potenzielle Partner können einander in der Voliere kennenlernen. Hat es gefunkt (erkennbar etwa an gegenseitiger Gefiederpflege), kann der Papageien-Partner mit nach Hause genommen werden.

Doch viele werden wohl ihr Leben im Heim verbringen – etwa „Nasi“ oder „Asterix“. „Am besten wären sie natürlich in er Natur aufgehoben“, so Ziegler. Aber man gebe alles, um ihnen auch hier ein Zuhause zu bieten.

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