Ein Besuch im Papageien-Tierheim: Ein Käfig voller toller Narren
Sie quasseln, singen und pfeifen Frauen hinterher. Sie sind starrsinnig, aufmüpfig und schreien, wenn sie schlecht gelaunt sind. Und sie erleben Romanzen, Eifersüchteleien und Trennungsdramen.
Papageien faszinieren die Menschen: Ihr Gefieder sowie ihre Intelligenz sind beeindruckend. Ihre Imitationen unserer Sprache sorgen oft für Heiterkeit, ihr permanentes Lärmen kann die Nerven der menschlichen Mitbewohner aber auch arg strapazieren. Und sie ruinieren die Einrichtung und brauchen viel Zeit und Raum. Tiere, die um viel Geld angeschafft wurden, landen schlussendlich manchmal doch im Tierheim.
140 Exemplare 30 verschiedener Arten – etwa Aras, Kakadus und Sittiche – leben im einzigen Papageienheim Österreichs in Wien-Alsergrund. Gegründet wurde es Mitte der 1990er-Jahre von der Zoologin Nadja Ziegler.
„Sex“ und Schimpfworte
Einige ihrer Pfleglinge kennt Ziegler seit Jahrzehnten; zahlreich sind die Anekdoten, die sie erzählen kann. Da war zum Beispiel der Graupapagei, der eine Gruppe japanischer Touristen, die das Heim besichtigten, mit einem üblen Schimpfwort („A...löcher“) begrüßte. Oder die Papageiendame „Pimienta“, die Rocksongs liebte und zu den Refrains tanzte. Oder der andere Graupapagei, der Frauen nachpfiff und gerne provokant das Wort „Sex“ sagte.
Was lustig klingt, ist eigentlich ernst: „Gerade dieses Nachahmen der Menschen kann ein Zeichen von Einsamkeit sein“, erklärt Ziegler. Denn in der Natur leben Papageien als Pärchen oder im Schwarm – die Haltung eines einzelnen Tiers ist mittlerweile sogar verboten. Hat man also einen Papagei, braucht der unbedingt einen Partner.
Hier sind die Vögel aber wählerisch: „Wir wollen unseren Partner ja auch nicht einfach vorgesetzt bekommen“, sagt Ziegler und lacht. Hier bietet das Tierheim ebenfalls Hilfe: „Bei uns gibt es eine Partnervermittlung – quasi ein ,Parship’ für Papageien.“
Ein vorsichtiges Kennenlernen
Wer also einen einsamen Vogel hat, kann mit diesem ins Tierheim kommen. „Stundenweise darf das Tier dann die Papageien in unseren Volieren kennenlernen.“ Wie erkennt man, dass es gefunkt hat? Die Tiere sitzen nebeneinander auf einem Ast, einer würgt für den anderen Futter hervor, es gibt gegenseitige Gefiederpflege oder sie fressen aus einer Schüssel. Dauere das zwei, drei Wochen an, dann passe die Beziehung und sei „nicht bloß ein Strohfeuer“. Dann darf der Besitzer seinen Vogel samt Partner zu sich nach Hause nehmen.
Drama um „Napoleon“
Viele „Beziehungskisten“ habe sie schon mitangesehen, erzählt Ziegler: „Es hat auch schon Papageien-Paare gegeben, die sich getrennt haben, sobald sie hier waren.“ So etwa „Napoleon“ und sein Ex-Weibchen. Sobald die beiden ins Tierheim kamen, verließ er sie – für ein Männchen. „Es gibt auch bei Papageien Homosexualität“, erklärt Ziegler. Das verlassene Weibchen habe die nächsten Tage permanent ,Napoleon’ geschrien und Ohren sowie Nerven der Tierpfleger strapaziert. „Und wir hatten auch schon ein Männchen, das mit zwei Weibchen zusammen war. Die waren dann eifersüchtig“, beschreibt Ziegler.
Andere wiederum haben im Heim ihr Beziehungsglück gefunden: Etwa der hellrosa Molukkenkakadu „Viko“, der hier seit den 1990er-Jahren lebt. „Besonnen, gemütlich und ein sanfter Riese“, beschreibt ihn Natalie Gawin, zoologische Leiterin des Heims. Er ist mit der grünen Amazonenpapagein-Dame „Cora“ liiert.
Das Alter spiele übrigens keine Rolle, betont Ziegler: „Es kamen schon Vögel zu uns, die 45 Jahre allein gelebt haben – auch die haben wir in kurzer Zeit erfolgreich verpartnert.“
Frustfresser
Schwerer haben es Tiere mit einer sogenannten falschen Prägung: „Von Hand aufgezogene Papageien halten sich irrtümlich für Menschen“, erklärt die Heimleiterin. Daher sei das mittlerweile verboten. Die Tiere weichen den Besitzern dann nicht von der Seite, folgen sogar aufs Klo und ins Schlafzimmer. Auf andere Menschen und Tiere regieren sie respektlos bis aggressiv.
Hier fällt es dann schwer, den richtigen tierischen Partner zu finden. Beim betroffenen Vogel wiederum führt das zu Frust: etwa zu Federnrupfen oder Frustfressen.
Mittlerweile sind die Gesetze zur Papageien-Haltung zwar streng, auch die Mindestgröße der Voliere ist etwa je nach Größe des Tiers vorgeschrieben. Doch so sehr uns ihre nahezu menschlich anmutenden Eigenheiten auch faszinieren – wirklich artgerecht ist selbst eine sehr gute Haltung nicht. Wie Ziegler betont: „Es sind eben doch Wildtiere – sie sind nicht domestiziert wie Hunde und Katzen.“
Gründung: Die Zoologin Nadja Ziegler gründete Mitte der 1990er-Jahre den Verein Arbeitsgemeinschaft Papageienschutz, der das Tierheim betreibt. Zuerst lag es in NÖ, kürzlich übersiedelte es nach Wien in die Augasse. Sobald die Umzugsarbeiten erledigt sind, will man hier Schulklassen, Forscher und andere Interessierte begrüßen.
140Tiere werden hier betreut, zu Spitzenzeiten waren es 190. Wer ein Tier abgibt, sollte sich an den Pflegekosten beteiligen
Ehrenamtliche gesucht: Helfer sind immer willkommen. Infos: 0676 / 4990506 oder unter www.papageienschutz.org
Kommentare