Streunerkatzen in der Stadt: Eine Falle für Problem-Felle
Es ist ein sonniger Freitag in einem Streifen Grün am Stadtrand. Und Pauline Bruckner ist auf der Suche nach dem roten „Wasti“: einem streunenden Kater, der sich laut Augenzeugen hier herumtreiben soll. Ausgerüstet mit Wasser, Keksen und Insektenspray bezieht sie ihren Arbeitsplatz: das Gebüsch.
Zum Sitzen dient ein niedriger Hocker. Denn wer sitzt, wirkt auf scheue Tiere weniger bedrohlich. Ein Faden führt zu einer Box, die ein paar Meter entfernt steht. Darin wartet ein Schüsselchen: Es gibt Thunfisch, garniert mit Lachsbrösel.
Geht eine hungrige Katze in die Falle, zieht Bruckner am Faden, die Tür der Falle schließt sich. Dann kommt das Tier in eine Transportbox, in der es umgehend zum Tierarzt gebracht und kastriert wird. Danach kommt das Tier wieder zurück in sein Revier.
Sitz-Fleiß
Doch zuerst heißt es für Bruckner: sitzen und warten. Bis zu zwölf Stunden sitze sie manchmal, bis ein Tier in die Falle gehe. „Länger kann man sich eh nicht konzentrieren.“ Bruckner ist pensionierte Berufsdetektiv-Assistentin, nun hilft sie als Ehrenamtliche der Stadt Wien bei der Betreuung der Streunerkatzen. „Ob ich jetzt zwei Jahre einen Mann observiere, und schau’, ob er fremdgeht, oder ob ich auf eine Katze warte: Das ist sehr ähnlich.“
Man müsse in beiden Fällen unauffällig im Hintergrund bleiben. „Aber die Katzen sind mir sympathischer“, fügt sie hinzu. Einst observierte sie vor Banken und Botschaften, heute sitzt sie eben in Parks oder auf Friedhöfen.
Das unbekannte Problem
„Wasti“ ist nur einer von vielen Streuern in Wien – von wie vielen, könne man seriös nicht abschätzen, sagt Bruckner. Tausende könnten es schon sein. Sie leben im Prater, in Simmering, auf jeder grünen G’stetten (siehe auch Infobox unten).
Gemeinhin assoziiert man mit Streunerkatzen magere Kreaturen, die hungrig auf Futter und Rettung von Menschenhand warten. Dennoch ist es nicht geboten, mit Futter und Körbchen zur Rettung auszurücken: „Das sind wilde Tiere, die ihr Revier haben, und nicht in einer Wohnung leben wollen“, betont Tierschutzombudsfrau Eva Persy.
Inzucht, Krankheiten
Katzen vermehren sich aber rasant, damit einhergehen Probleme wie Inzucht und Krankheiten. Die Lösung ist, sie zu fangen und zu kastrieren. Und hier kommt Bruckner ins Spiel.
Das Problem, erzählt sie, sei nicht das Tier, sondern der Mensch. Vielmehr: die Vermenschlichung des Tiers. Das ist der Grund, warum das Revier in der Zeitung nicht näher benannt werden soll. Sonst drohten allerhand Probleme, sagt sie: Menschen setzen Tiere aus, sabotieren Fallen oder fangen Streuner selbst ein.
"Retten, was nicht bei drei auf dem Baum ist"
Auf Facebook bekomme sie laufend Fotos von Katzensichtungen, was helfe, neue Streuer wie „Wasti“ ausfindig zu machen. „Aber es sind halt viele Schreibtischtäter unterwegs, die alles retten wollen, was nicht bei drei auf dem Baum ist.“ Versuchen Wohlmeinende, einen Streuner zu adoptieren, gehe das hundertprozentig in die Hose: „Die Tiere gehen in einer Wohnung buchstäblich die Wände hoch.“
Während Bruckner erzählt, nähert sich miauend eine Katze. Allerdings ist sie nicht rot, sondern getigert. „Das ist die ,Hexi’, die kenn’ ich eh“, sagt Bruckner. „Ich bin für die Katzen nicht die Böse mit der Falle. Die merken sich, dass es bei mir Futter gibt, und kommen, wenn sie mich sehen.“
"Phänomenales Katzengedächtnis"
Ein „phänomenales Katzengedächtnis“ attestiert ihr Persy. Und tatsächlich erkennt Bruckner die Tiere auch nach Jahren wieder. Für sie ist das nichts Besonderes: „Sie erkennen Ihre Bekannten ja auch. Und Katzen sind für mich individueller als Menschen.“ Ihre Bekannte „Hexi“ freut sich derweil über einen Happen Futter und schlüpft zurück ins Gebüsch.
Doch vom roten „Wasti“ keine Spur. Vier Tage muss Bruckner immer wieder in sein Revier zurückkehren, bis er in die Falle geht. Ein Hund, Regen, laute Musik – irgendwas hält das Tier immer fern. Erst am Montag, und zwar um 15.48 Uhr, geht er dann doch in die Falle, schreibt Bruckner dem KURIER.
Und schon am Tag nach der Kastration darf „Wasti“ in sein Revier – zurück in die Freiheit. „Das ist für mich der schönste Moment. Das entschädigt mich für sehr lange Wartezeiten, im Winter bei Kälte oder im Sommer bei brütender Hitze“, schließt Bruckner in ihrem eMail.
Gesetz: Alle Katzen in Wien müssen registriert und gechipt sein. Tiere, die ins Freie dürfen, müssen zudem kastriert sein. Da dies oft missachtet wird, vermehren sich die Katzen auf ihren Streifzügen. Manche Streuner sind auch ausgesetzte Haustiere
200 Streuner werden im Schnitt pro Jahr in Wien kastriert
Woran man sie erkennt: Kastrierten Streunern fehlt ein kleines Stück einer Ohrspitze – daran erkennt man sie auch als Laie auf den ersten Blick
Infos und Hilfe: Gibt es unter www.tieranwalt.at oder 01/31800-7675079
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