Nach Lobautunnel-Aus droht mühsamer Rechtsstreicht
Zwischen den politischen Spitzen von Wien und Niederösterreich herrscht seit jeher bestes Einvernehmen. Dass man aber gleich zu viert eine länderübergreifende Pressekonferenz abhält, das kommt dennoch selten vor.
Doch die gemeinsame Empörung über den von der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler verhängten Baustopp für die Nordostumfahrung schweißt noch mehr zusammen. Und so traten am Donnerstag die beiden Verkehrsreferenten Ulli Sima (SPÖ) und Ludwig Schleritzko (ÖVP), flankiert von Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) und den Gänserndorfer Bürgermeister René Lobner (ÖVP), an, um gemeinsam gegen die Ministerin zu wettern.
Wobei von niederösterreichischer Seite ganz besonders scharf gegen den Koalitionspartner im Bund geschossen wurde: Für Schleritzko sei die vorliegende Evaluierung des Projekts nichts weiter als eine „Privatmeinung“ der Ministerin, der die rechtliche Basis fehle. Schließlich sei der Bau im Bundesstraßengesetz festgelegt worden.
Mit dem Baustopp für die S8 ist NÖ gleich mehrfach betroffen: „Leider agiert die Ministerin aus einer grünen Öko-Bubble heraus. Sie hat sämtliche Einladungen verweigert, sich vor Ort ein Bild zu machen“, wettert Lobner.
Bündnis Wien - Niederösterreich
Niederösterreich will Wien jedenfalls dabei unterstützen, rechtlich gegen die Gewessler-Entscheidung vorzugehen. Details zur möglichen Klage will man noch nicht nennen, diese würden gerade geprüft.
Vorarbeiten gab es bereits im Sommer: Da ließ die Wirtschaftskammer Wien, die eine Klage ebenfalls mittragen will, ein Rechtsgutachten erstellen. Dieses kam zum Schluss, dass die Ministerin der Asfinag gar keine Weisung erteilen dürfe, das Bauvorhaben auf Eis zu legen. Diese könne sogar rechtswidrig sein, hieß es damals.
Komplizierte Rechtslage
Im grünen Umweltministerium blickt man allfälligen Klagen jedenfalls entspannt entgegen. Dort ist man überzeugt, dass das Vorgehen rechtens ist. Tatsächlich ist die Rechtslage kompliziert: Im Bundesstraßengesetz, das der Nationalrat beschlossen hat, ist der Bau einer Schnellstraße zwischen Schwechat und Süßenbrunn explizit festgeschrieben. An dieses muss sich auch die Ministerin halten.
Allerdings: Wann der Bau zu erfolgen hat, das ist im Gesetz nicht verankert. Und auf dieses Weise hat Gewessler freie Hand, das Projekt einfach nicht in das Straßenbauprogramm aufzunehmen, das sie mit der Asfinag vereinbart.
Dass dem so ist, hat sich das Ministerium auch in einem eigenen Rechtsgutachten absichern lassen, das dem KURIER vorliegt: Beim Bundesstraßengesetz „handelt es sich (...) um eine Ermächtigungsnorm, aus der keine Verpflichtung abzuleiten ist – jedenfalls nicht, dass die angeführten Straßen innerhalb einer bestimmten Frist zu realisieren sind“, sagt Dragana Damjanovic, Studienautorin und Jus-Professorin an der TU Wien. Heißt: Die Straße kann gebaut werden, muss aber nicht. Auch der Argumentation im Wirtschaftskammer-Gutachten kann Damjanovic nichts abgewinnen.
Auf heiklem Terrain
Dass Gewessler die Straße dennoch „nicht einfach absagen kann“, meint Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck im Ö1-Gespräch. Die Ministerin habe bei der Ausgestaltung aber einen großen Spielraum. Sie könne etwa ein Alternativprojekt vorschlagen. Sonst „bewegt sie sich auf heiklem Terrain“. Für ein endgültiges Aus des Projekts müsste der Nationalrat das Bundesstraßengesetz abändern – was aber nicht zuletzt an der ÖVP scheitern würde, die für die Projekte ist. Im Ministerium gibt man sich auf KURIER-Nachfrage daher realistisch: Eine parlamentarische Mehrheit für Gewesslers Kurs ist „nicht wahrscheinlich“, das wisse man.
Fix ist daher vorerst nur eines: Die Wiener Stadtstraße, die die Seestadt mit der Umfahrung hätte verbinden sollen, wird auf alle Fälle gebaut. Das kündigte Sima an – und beharrt darauf, dass der Nordteil der S1 gebaut wird.
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