Der Lobautunnel ist abgesagt – aber wie geht’s jetzt weiter?
Auch in der Fachwelt schlägt das Aus für den Lobautunnel hohe Wellen. Von einem „für Österreich sehr ungewöhnlichen Vorgehen“ der Umweltministerin spricht etwa Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung. Er hat das Projekt Nordostumfahrung viele Jahre als Gutachter begleitet.
Er kritisiert, dass die Erarbeitung der Evaluierung völlig intransparent und ohne substanzielle Einbeziehung der betroffenen Bundesländer erfolgt sei. „Es sind nicht einmal die Autoren des Berichts bekannt.“ Schremmer fordert, dass alle Unterlagen offengelegt werden, damit sie einer fachlichen Diskussion unterworfen werden können.
Weiters vermisst er eine Alternative zum gekippten Projekt. Für ihn ist klar, „dass eine sechste Donauquerung notwendig ist; daran besteht unter den Experten – mit wenigen Ausnahmen – seit Ewigkeiten Einigkeit.“ Auf sie zu verzichten würde eine Verlagerung der in Wien vorgesehenen Bevölkerungsentwicklung ins Umland bewirken. Dies würde aber insgesamt viel mehr Verkehr, CO2-Ausstoß und Bodenversiegelung auslösen als das Projekt selbst.
Mehr noch: „Jetzt wieder neu mit der Planung zu beginnen, bedeutet, dass bis Baubeginn zehn weitere Jahre vergehen, sagt Schremmer. „Das heißt aber auch, dass die bereits fixierten Stadtentwicklungsprojekte mit all ihren bereits getätigten Investitionen auf Eis liegen. Hier geht es um Milliardensummen“, betont der Experte.
Fokus auf die Schiene
Ganz anderer Meinung ist der Verkehrsplaner Ulrich Leth, der an der TU Wien forscht. Er sieht keinen Bedarf an der sechsten Querung – oder zumindest nicht in der vorliegenden Form. „Es ist generell Unsinn, immer von der sechsten Donauquerung zu sprechen. Es gibt nämlich schon jetzt elf“, sagt er. Nämlich dann, wenn man die Querungen für den Öffi-Verkehr mitzählt. „Der Tunnel war nie die Lösung für das Verkehrsproblem, im Gegenteil“, sagt Leth.
Man müsse auf einen Öffi-Ausbau setzen, „der allen nutzt, auch dem Schwerverkehr“. Heißt: Je mehr Menschen mit den Öffis fahren (etwa auch wegen des Parkpickerls), desto geringer sei die Belastung auf bestehenden Straßenverbindungen. „Dann entsteht dort trotz Güterverkehrs kein Stau.“
Mittelfristig müsse man mehr Schwerverkehr auf die Schiene bringen, sagt Leth.
Ein Ausbau des Bahnnetzes schaffe neue Optionen: Wenn etwa der (langsamere) Personennahverkehr und der Güterverkehr nicht mehr die gleichen Bahnstrecken nutzen wie der Personenfernverkehr, schaffe das ungleich mehr Kapazitäten. Konkrete Idee: „Die Ostbahnbrücke, die ein Flaschenhals ist, weil hier S-Bahn, Fern- und Güterverkehr fahren, von zwei auf vier Gleise ausbauen.“
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