Michael Ludwig: Mit kleinen Schritten zur Macht
In einem Punkt muss Michael Ludwig von seinem Vorbild Michael Häupl noch lernen: Wer flotte Sager des Wiener Bürgermeisters sucht, muss schon sehr tief in den Archiven graben.
Aber vielleicht ist es gerade diese ruhige, oft als farblos kritisierte Art des 59-jährigen Wiener Bürgermeisters, die der Wiener SPÖ erstmals seit 15 Jahren wieder einen Zugewinn bei Wahlen bescherte. Ein Erfolg, den dem früheren Wohnbaustadtrat vom nördlichen Stadtrand Wiens vor wenigen Jahren nicht viele in der eigenen Partei zugetraut hätten.
Aufgewachsen im Floridsdorfer Gemeindebau, studierte er Politikwissenschaften und Geschichte (mit einer Dissertation über die DDR-Einheitspartei SED). Seine berufliche Karriere startete er in der Erwachsenenbildung, sprich in den Volkshochschulen.
Bezirksrat, Bundesrat
Seine politische Karriere begann 1994 als Floridsdorfer Bezirksrat und führte über den Bundesrat 1999 in den Wiener Gemeinderat. 2007 wurde er schließlich Wohnbaustadtrat. In Wien mit seinen rund 220.000 Gemeindewohnungen ein nicht unwichtiges Ressort.
Dass der nach außen hin eher gemütlich und volksnah (wenn es sein muss, auch in Lederhose) auftretende Ludwig nicht zu unterschätzen ist, bewies er in den zähen Grabenkämpfen um die Nachfolge von Michael Häupl als Parteichef und Bürgermeister. Sie brachen bald nach der Wahl 2015 aus, weil der Langzeit-Stadtchef keine Anstalten machte, seine Nachfolge zu regeln.
Verbündete
Früh machte Ludwig öffentlich, dass er Häupl beerben wolle. Dabei wusste er die Teilorganisationen in den großen Flächenbezirken am Stadtrand hinter sich, die mit der aus ihrer Sicht allzu auf die Innenstadt-Bezirke fokussierten Politik unter Häupl nur wenig anfangen konnten.
Bald schon scharte Ludwig eine Art parteiinternes Wahlkampf-Team um sich, bestehend aus engen Vertrauten wie Christian Deutsch, Doris Bures oder Harald Troch. Durchwegs Unterstützer von Ex-Kanzler Werner Faymann – Ludwigs Vorgänger als Wohnbaustadtrat, der 2016 vom linken Parteiflügel demontiert worden war.
Kein Wunschkandidat
Alles andere als der Wunschkandidat von Michael Häupl und des damaligen Partei-Establishments, das mit Andreas Schieder einen Gegenkandidaten aufstelle, setzte sich Ludwig im Jänner 2018 in einer (für SPÖ-Verhältnisse eher ungewöhnlichen) Kampfabstimmung durch. Ludwig war es gelungen, in monatelanger diskreter PR in eigener Sache die Mehrheit der Genossen auf seine Seite zu ziehen. Allen voran die mächtige Gewerkschaft.
Überraschend schnell gelang es Ludwig in den Monaten darauf, die zerstrittene Partei wieder zu einen. Vor allem dank eines Regierungsteams, in dem sich der linke wie der rechte Flügel der Partei repräsentiert fühlte.
„Schieder hätte es wohl kaum geschafft, die Partei wieder so zu beruhigen“, sagt ein Genosse. Allerdings wohl auch deshalb, weil sich die Parteirebellen aus den Flächenbezirken schwer mit einer Niederlage Ludwigs abgefunden hätten.
In diese Zeit fiel auch eine wichtige private Weichenstellung: Im August 2018 heiratete Ludwig seine langjährige Lebensgefährtin Irmtraud Rossgatterer.
Die Politik des Ausgleichs versuchte Ludwig auch als Bürgermeister umzusetzen. Mit Maßnahmen, die sich an ein eher linkes Publikum richten – etwa der zähe Widerstand gegen die von Türkis-Blau geplanten Kürzungen bei der Mindestsicherung, aber auch mit Signalen an eine eher FPÖ-affine Wählerschaft, wie zum Beispiel das umstrittene Alkoholverbot am Praterstern.
Ansonsten verliefen die ersten Monate seiner Amtszeit bis zur Corona-Krise eher unspektakulär. „Er ist aber jemand, der lieber einen kleinen Schritt macht, als zwei zu große“, schildert ein Parteifreund. „Das ist nicht so wie in der Ära von Parteichef Christian Kern, als man beim Aufwachen Angst haben musste, was vielleicht schon wieder passiert ist.“
Zauderer
Diese ruhige, besonnene Art machte sich auch in der Corona-Krise bezahlt, wobei manche Vertraute darin auch ein gewisses Unvermögen sehen, rasch Entscheidungen zu treffen. „Der große Veränderer und Modernisierer ist Ludwig sicher auch nicht. Aber vielleicht ist das gerade in der jetzigen Situation kein großer Nachteil“, sagt ein Genosse.
Eher schwierig und durchwachsen ist Ludwigs Verhältnis zu Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Zunächst warf er öffentlich die Frage auf, ob Partei- und Klubvorsitz nicht eine große Doppelbelastung für sie sei, dann konnte er sich lange nicht zu einer offenen Unterstützung der Parteichefin durchringen, als diese ihren Genossen die Vertrauensfrage stellte.
Anders als sein Parteikollege und enger Vertrauter Hans Peter Doskozil verzichtete er zuletzt jedoch auf parteiinterne Querschüsse. Im Wien-Wahlkampf war Rendi-Wagner aber so gut wie nicht präsent. Präsenter wird nun dafür Ludwig selbst werden. Mit seinem Wahlsieg steigt er zum wohl mächtigsten Mann in der SPÖ auf.
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