Kurz-Intimus berät jetzt Wiens ÖVP-Chef Mahrer
Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer hat aufgerüstet – er trägt einen Helm und eine ballistische Schutzweste. Er macht sich auf zu einem „Todestrip“ direkt „an die Front“ – also zum Brunnenmarkt nach Ottakring.
Mahrer hat es dieser Tage nicht leicht. Nicht nur das Satireportal Die Tagespresse – aus dem obige Textpassage stammt – geht mit dem türkisen Parteiobmann humorig hart ins Gericht. Grund für die Aufregung ist ein Kurzvideo, in dem Mahrer beklagt, dass „Syrer, Afghanen und Araber“ am Brunnenmarkt in Ottakring „die Macht übernommen“ hätten.
Ob Mahrer den Tagespresse-Artikel witzig findet? Unklar. Der Verdacht liegt nahe, dass ihm derzeit nicht zum Lachen zumute ist. Und das hat mehrerlei Gründe.
Der erste, offizielle Grund: Er fühlt sich von „Meinungsjournalisten“, der „Stadt Wien“ und der „linken Meinungselite“ bedroht – und ging am Sonntag daher erneut in die Offensive. Die Reaktionen auf seine offenen Worte seien „völlig entgleist“, so Mahrer in einer Aussendung.
Sein Statement werde absichtlich „falsch interpretiert“ und „umerzählt“, sagt Mahrer, der seine Meinungsfreiheit in Gefahr sieht. Er werde sich aber „nicht durch das Schwingen der Rassismuskeule mundtot schlagen lassen.“
Gespielte Empörung
Die Empörung Mahrers, darüber, da sind sich Insider einig, ist eine gespielte: Dem engeren Umfeld des Parteichefs kommt die Debatte gelegen. Sie wirkt Mahrers größtem Problem entgegen: Er ist erst seit Ende 2021 – als Gernot Blümel hinschmiss – Parteichef und einer breiteren Öffentlichkeit noch unbekannt, wie man moniert. Die Umfragen waren schon mal besser.
Daher entschied sich Mahrer vor einiger Zeit zu einem Kurswechsel in der Positionierung: Vom Plan, sich als „konstruktive Oppositionspartei“ nach der nächsten Wien-Wahl als Koalitionspartner der SPÖ zu qualifizieren, ist man abgekommen. Schon bei seiner Neujahrsansprache fiel Mahrer mit grober Rhetorik auf, seither legt er beim Thema Zuwanderung nach. Die alte Linie, die er mit dem besonnenen Landesgeschäftsführer Markus Keschmann ausgearbeitet hat, ist passé.
Einstiges Mastermind
Dafür ist ein nicht Unbekannter zurück auf der politischen Bühne – zumindest hinter den Kulissen: Mahrer wird neuerdings von Stefan Steiner beraten, einstiges Mastermind hinter der Politik des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz. Steiner trat bei der Klubklausur vor einer Woche vor die Funktionäre, offiziell kommuniziert wurde das Engagement des Kurz-Intimus nicht.
Seit drei Wochen hat er einen Vertrag als externer Berater, heißt es aus der Partei. „So wie andere auch.“ Steiner sei „einer der erfahrensten Leute in der ÖVP“, es wäre „unklug, das Know-how nicht zu nutzen“. Breit kommunizieren wollte man das nicht: Man wollte es anders machen als die Bundespartei, die die Rückkehr des Kommunikationsexperten Gerald Fleischmann, der auch dem Kurz-Lager zugerechnet wird, groß verkündet hat und dafür gemischte Reaktionen erntete.
Und: Steiner habe nichts mit dem Brunnenmarkt-Video zu tun, wird betont. Verantwortlich dafür ist offenbar Peter Sverak, der noch unter Blümel als Kommunikationschef der Wiener ÖVP geholt wurde. Das Video sei Teil einer größeren Kampagne.
Parteiinterne Querelen
Steiner wird sich wohl auch um die parteiinternen Querelen kümmern müssen, die Mahrer noch größere Sorgen bereiten werden: Die Progressiven in der Partei sind wenig glücklich mit der neuen Tonalität. Mahrer habe sich zudem „für ein legitimes Thema, nämlich die Probleme bei der Integration, mit dem Brunnenmarkt schlicht den falschen Ort ausgesucht“, kritisieren sie.
Doch auch manche im Mitte-Rechts-Flügel sind unzufrieden: Mahrer könne das Thema nicht glaubwürdig besetzen – und vergreife sich immer wieder bei den Themen und im Ton. Gegenüber der FPÖ fahre er einen Schlingerkurs, heißt es: „Einmal kritisiert er sie für rechte Rhetorik, das nächste Mal überholen wir die Blauen rechts.“
Murren in den Bezirken
In den Bezirksparteien gibt es ebenfalls Kritiker: Bei der ÖVP Ottakring dürfte so mancher über die Positionierung zum bezirkseigenen Markt mehr als unglücklich sein. Und in Floridsdorf, so ätzen einige unter der Hand, sei der gebürtige Afghane Leo Wassiq nur deswegen Bezirksobmann geworden, weil es zu einem Zustrom an neuen Parteimitgliedern kam – mutmaßlich von „fremdländischen Freunden“. Warum bei einer internen Wahl Migranten willkommen seien, am Brunnenmarkt aber nicht, könnten viele nicht nachvollziehen.
Die Tagespresse hat Mahrer ein T-Shirt zugeschickt: „I survived Brunnenmarkt“ ist darauf zu lesen. In der internen Debatte dürfte er noch einige Schrammen erleiden.
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