Ein Hollywoodstar ist laut künstlicher Intelligenz der perfekte Polizist
Wie sieht er für Sie aus? Der typische, österreichische Polizist? Sehen Sie die blaue Uniform vor sich? Das Kapperl? Zur Begrüßung ein lautes "Grüß Gott".
Und jetzt stellen Sie sich vor: Dieser österreichischer Polizist ist niemand geringer als Ben Affleck. Hollywoodschauspieler und Mann von Sängerin Jennifer Lopez. Denn bittet man Künstliche Intelligenz (KI) ein Bild eines "typischen" Polizisten zu generieren, dann erhält man in den meisten Fällen eines von - Ben Affleck.
Von der Realität ist dies weit entfernt.
Doch wie realistisch ist es, dass KI künftig in der Polizeiarbeit zum Einsatz kommt? Wo liegen die Gefahren? Wo die Chancen? Und warum spielen Vorurteile dabei keine zu vernachlässigende Rolle?
Der KURIER bat internationale Experten und den Chef des Innovation-Labors der europäischen Polizeibehörde Europol um ihre Einschätzung.
KI steht im polizeilichen Bereich bereits jetzt als eine Art "Co-Pilot" im Einsatz. Wie etwa bei der automatischen Übersetzung von Texten oder der Klassifizierung von Bildern. "Stellen Sie sich vor, Sie haben einen vermeintlichen Drogenboss. Dann kann man mithilfe von KI sehr schnell das Handy des Verdächtigen auf Bilder durchsuchen, die etwa Kokain zeigen", erklärt Gregory Mounier, Leiter des Innovation-Labors der europäischen Polizeibehörde Europol.
Eine Arbeit, die bisher Ermittler für Tage, oder gar Monate blockierte.
KI entmystifizieren
Erinnert alles ein wenig an James Bond? Laut dem Franzosen sei genau das Gegenteil der Fall. Ihm gehe es darum, das Thema um Künstliche Intelligenz zu entmystifizieren. "Wir betreiben keine vorhersagende Polizeiarbeit, mit der sich errechnen lässt, wer, wann zum Täter werden könnte, oder wo sich Straftaten ereignen", erklärt Mounier.
Die Künstliche Intelligenz werde zusammengefasst aktuell von der Polizei vor allem zu einem Zweck genützt: "Um Dinge schneller zu erledigen, als in der Vergangenheit."
Synergien nützen
In dem Innovation-Labor in Den Haag, in dem 22 Experten tätig sind, gehe es somit vor allem um eines: "Herauszufinden, was die Strafverfolgungsbehörden unsere Mitgliedstaaten benötigen und wie wir Synergien nützen können."
Laut der Einschätzung von Mounier würde sich der Großteil der Europol-Partner danach sehnen, Künstliche Intelligenz zu nützen, um noch effizienter zu arbeiten.
Künstliche Intelligenz (KI)
Unter Künstlicher Intelligenz versteht das österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) Systeme mit einem intelligenten (selbstlernendem) Verhalten, die ihre Umgebung analysieren und mit einem gewissen Grad an Autonomie handeln.
ChatGPT
Mit ChatGPT hat künstliche Intelligenz (KI) ein Gesicht bekommen. Der Textgenerator liefert mühelos Antworten auf sämtliche Fragen, verfasst in Eigenregie Emails oder schreibt Computerprogramme.
Virtual Realtiy (VR)
Bei Virtual Reality (VR) kann man in computergenerierte, virtuelle Welten eintauchen, die wie die echte erscheint. Mittels VR-Brillen wird diese Erfahrung noch intensiver.
Doch wie kann gerade die Polizei "richtig" und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben KI einsetzen? Gibt es hier bereits Rahmenbedingungen? Die Antwort kommt schnell und überrascht. "Wir müssen ehrlich sein. Alles in Bezug auf KI passiert so schnell, dass wir die Antworten noch nicht haben. Aber das ist kein Grund, nur herumzusitzen. Man muss sich mit den richtigen Stakeholdern vernetzen, um diese zu finden." Einer davon: die Wissenschaft.
Algorithmische Diskriminierung
Antworten, die auch einen bisher kaum diskutierten Aspekt beinhalten müssten: Wie geht Künstliche Intelligenz mit Vorurteilen um? Siehe das Beispiel von Ben Affleck als Vorlage für den perfekten Polizisten. Ein weißer Mann.
"Es gibt eine algorithmische Diskriminierung. Denken Sie an die automatische Gesichtserkennung. Bei dieser werden etwa dunkelhäutige Menschen als gefährlicher eingestuft, als andere", sagt Lutgarde Vanderwaeren, die bei der belgischen Polizei für das Thema Diversität und Inklusion zuständig ist.
Bevor KI also wirklich bei der polizeilichen Arbeit zum Einsatz kommen kann, seien "moralische und ethnische Standards dringend erforderlich", betont auch die Direktion von Europol, Catherine de Bolle.
Keine KI-Alleingänge
Entscheidend sei laut allen Experten, dass der Einsatz von KI durch die Polizei vor allem transparent zu erfolgen haben. "Die Bevölkerung muss weiter der Polizei vertrauen. Wir müssen lernen, unsere Arbeit dafür zu öffnen", erzählt Wenche Medin, Digitalbeauftragte der Schwedischen Polizei. Die auch unterstreicht: "Niemals darf die KI alleine Entscheidungen treffen. Immer, wirklich immer muss es den Faktor Mensch geben, der in den Prozess eingebunden ist."
Polizeiliches ChatGPT
Einer dieser Prozesse könnte dank ChatGPT künftig bei polizeilichen Ermittlungen dann etwa so aussehen: "Viele verschiedene Strafverfolgungsbehörden, liefern viele unterschiedliche Informationen zu einem Fall. Dann füttert man ein eigens erschaffenes polizeiliches ChatGPT-System mit all diesen Informationen und am Ende geht es quasi nur mehr darum, dass man mit seinem polizeilichen Co-Piloten chattet, die richtigen Fragen stellt und Antworten erhält", sagt Innvoation-Labor-Chef Mounier.
Noch sei dies aber Zukunftsmusik.
VR-Brillen für Polizisten
Doch wie schnell dies zur Realität werden kann, zeigt ein prämiertes Projekt der niederländischen Polizei. Dabei wurden 250 Polizisten mit Virtual-Reality-Brillen ausgestattet. Mit diesen können fünf verschiedene Szenarien durchgespielt und die unterschiedliche Handlungsweisen der Uniformierten aufgezeigt werden.
Ein Beispiel: Eine Gruppe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in einem Einkaufszentrum verhält sich aggressiv, wie geht der Polizist vor? Und: Verhält er sich auch so, wenn es sich bei den Störenfrieden nicht um ausländische Jugendliche, sondern Einheimische handelt?
"Nicht nur Polizisten werden durch diese Brillen ihr Verhalten und vielleicht ihre Vorurteile bewusst. Wir haben die Brillen auch Jugendliche testen lassen, damit sie einmal sehen, wie es Polizisten in solchen Situationen geht", erklärt Projektleiter Bas Böing, der das Projekt leitet.
Was der von Künstlicher Intelligenz generierte Vorzeigepolizist Ben Affleck zu all dem sagt, müsste man an dieser Stelle wohl ChatGPT fragen.
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