ÖVP-Chef Karl Mahrer: "Wien muss Sozialleistungen reduzieren"
Karl Mahrer, Chef der Wiener ÖVP, will nach der diesjährigen Wien-Wahl mitregieren, aber nicht um jeden Preis. Die SPÖ müsse bereit sein, notwendige Veränderungen mitzutragen. Besonders bei Migration, Sicherheit und Asyl fordert er eine härtere Gangart.
2024 hat die ÖVP bei allen Wahlen Stimmen verloren. Wie geht es 2025 weiter?
Karl Mahrer: Ich habe das Motto ausgegeben: „2025 wird dein Jahr“ und ich bin überzeugt davon, dass das auch so kommen wird. Es wird das Jahr der Wienerinnen und Wiener, wenn sie bei den Wahlen für die Volkspartei und damit für Veränderung und für ein besseres Wien stimmen. Die SPÖ hat lange allein regiert, in den letzten Jahren mit Anhängseln – mit den Grünen oder jetzt mit den Neos. So kann es nicht weitergehen. Die linken Parteien haben bewiesen, dass sie Probleme schönreden. Wir, als einzige bürgerliche Partei in Wien, wollen etwas ändern. Wir wollen Wien nicht auf den Kopf stellen, aber in manchen Bereichen brauchen wir ganz massive Einschnitte.
Wien ist eine der lebenswertesten Städte der Welt. Was ist am derzeitigen Weg so schlecht?
Wien ist eine wunderschöne Stadt, das ist keine Frage. Wir sollten uns aber nicht von Untersuchungen ablenken lassen, die Wien als lebenswerteste Stadt sehen _ das ist die Sicht von Expats oder Kongress-Touristen. Fragen wir lieber die Wienerinnen und Wiener, speziell jene in den Außenbezirken. Viele dort sagen, sie lieben Wien, es ist ihre Heimat, aber sie sagen auch, dass sie eben diese Heimat verloren haben. Wir müssen ganz konkret auf die Probleme hinschauen, die es tatsächlich gibt.
Welche sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme?
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Bandenkriege sind so selbstverständlich, dass selbst ernannte Friedensrichter miteinander Friedensverhandlungen zwischen Syrern, Tschetschenen und Afghanen durchführen. Auch im Gesundheitsbereich läuft etwas schief, wenn man stundenlang in den Ambulanzen und monatelang auf Operationen warten muss. Und fast die Hälfte der Volksschüler spricht nicht deutsch.
Haben Sie konkrete Änderungsvorschläge?
Ein abgelehnter Asylbewerber bekommt in Wien das Dreifache an Sozialleistungen wie in Niederösterreich, im Burgenland, in der Steiermark oder in Oberösterreich. Wir fordern einen Stopp der überbordenden Sozialleistungen in Wien und eine Anpassung an die umliegenden Bundesländer.
Werdegang: Seit dem Rückzug von Gernot Blümel aus der Politik führt Karl Mahrer die Wiener ÖVP an. Davor war er unter anderem Vizepräsident der Landespolizeidirektion Wien.
Bei der kommenden Wien-Wahl, die planmäßig im Herbst 2025 stattfindet, ist er erstmals Spitzenkandidat
Themensetzung: In den ersten Monaten als Parteichef fiel er mit einem harten Integrationskurs auf und geriet mit diversen Videos, die Obdachlose oder Unternehmer mit Migrationshintergrund zeigten, in Kritik – auch innerhalb seiner eigenen Partei. Von solchen Videos sieht er mittlerweile ab, Hauptaugenmerk ist aber immer noch die Integration
Im Sommer ist die Debatte bereits hochgekocht, vor allem aufgrund einer sechsköpfigen Familie, die viele Sozialleistungen bekommen hat. Ist es redlich, auf dem Rücken einer Familie Politik zu machen?
Es ist redlich, den Menschen Signale zu geben, dass sich Arbeit wirklich auszahlt. Ein Mensch, der heute 40 Stunden arbeitet, jeden Tag in der Früh aufsteht, seine Leistung bringt, der muss sich veräppelt vorkommen, wenn er sieht, dass Menschen rein von Sozialleistungen leben. Das ist eine Provokation. Auf der anderen Seite ist es auch ein Unglück für die Betroffenen, weil die Leute schwer aus dem Sozialsystem rauskommen. Wir als Volkspartei bekennen uns zu Sozialleistungen für all jene Leute, die in einer schwierigen Phase nicht arbeiten können. Aber darüber hinaus brauchen wir Anreize, um Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Derzeit sind diese kaum gegeben, das ist auch eine Aufgabe für den Bund.
Sollte man den Arbeitsmarkt für Asylwerber öffnen?
Das ist eine verfehlte Diskussion. Wir haben derzeit fast 50.000 Asylberechtigte in Österreich, die nicht arbeiten, weil sie schlechte Deutschkenntnisse haben. Diese 50.000 für den Arbeitsmarkt fit zu machen ist ohnehin eine Herkulesaufgabe. Bei Asylwerbern sollte es hingegen nur Sozialleistungen bei gleichzeitiger Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit geben.
Sie greifen die Wiener SPÖ frontal an. Dass sie nach der Wien-Wahl aber nicht wieder den Bürgermeister stellen wird, ist laut Umfragen äußerst unwahrscheinlich. Gibt einen gemeinsamen Nenner für eine etwaige Koalition?
Die wesentliche Frage ist, in welcher Form ein künftiger Koalitionspartner bereit ist, die notwendigen Veränderungen für ein besseres Wien mitzutragen. Es braucht insbesondere bei der SPÖ einen Erkenntnisprozess. Ich sehe in Teilen der Sozialdemokratie Bereitschaft für diese Veränderung. Aber in wesentlichen Teilen der SPÖ sehe ich das noch nicht. Wie die Wahlen ausgehen und welche Möglichkeiten es gibt, das wird man erst nach der Wahl sehen. Aber unser klares Ziel für 2025 ist die Regierung in Wien, damit das Leben in der Stadt verbessert wird.
Apropos Zusammenarbeit: ÖVP, SPÖ und Neos arbeiten noch an der Bildung einer Bundesregierung. Wie optimistisch sind sie, dass sie zustande kommt?
Ich bin sehr zuversichtlich. Auch dass es ein Programm geben wird, das dem Wählerwillen vom 20. September entspricht. Der Wähler hat uns ganz klar signalisiert, er will kein weiter wie bisher bei den Themen Migration, Sicherheit, Budget oder Leistung. Ich bin selbst im Bereich Sicherheit, Asyl und Migration bei den Verhandlungen dabei. Verhandlungsgeheimnisse darf ich nicht ausplaudern. Was ich sagen kann, ist, dass alle drei Parteien auch in heiklen Themen zu gemeinsamen Lösungen kommen wollen.
Kann die Dreier-Regierung fünf Jahre lang halten?
Ja, aber darum braucht es auch ordentliche Verhandlungen. Ich habe 2017 mit der FPÖ und 2019 und den Grünen mitverhandelt. Obwohl es zuletzt nur zwei Parteien waren, sind wir erst nach dem Dreikönigstag zu einem Ergebnis gekommen. Zeitlich sind wir also noch nicht in einem großen Dilemma.
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