Grünen-Chefin Pühringer: "SPÖ ruht sich auf Erbe des Roten Wien aus"
Judith Pühringer blickt trotz Schlappen bei diversen Wahlen optimistisch auf den Urnengang 2025. Beim Thema Wohnen will man die „nachlässig und langsam gewordene“ SPÖ antreiben.
Judith Pühringer und Peter Kraus führen die Wiener Grünen als Doppelspitze. Für die kommenden Wahlen braucht man aber nur einen Namen für den ersten Listenplatz - und ein Gesicht nach außen. Die Wahl ist auf Judith Pühringer gefallen.
KURIER: Warum hat man sich für Sie als neue Grüne Spitze entschieden?
Judith Pühringer: Wir haben uns davon leiten lassen, was die Wählerinnen und Wähler gerade am meisten beschäftigt: Teuerung und leistbares Wohnen, die Frage, was in unseren Kindergärten und Schulen los ist. Aber auch das Klimathema. All diese Themen verbindet die soziale Gerechtigkeit. Und das ist das Thema, das in meiner DNA liegt. Das ist der grüne Faden, der sich durch mein ganzes Leben zieht, da habe ich 15 Jahre lang gearbeitet, bevor ich in die Politik gegangen bin. Dafür brenne ich.
Heuer haben die Grünen bei allen Wahlen verloren. Wie wollen Sie 2025 in Wien das Ruder herumreißen?
An den Wahlergebnissen gibt es nichts zu beschönigen. Die Wien-Wahl steht aber auf einem anderen Blatt. Einfach deshalb, weil Wien anders ist. In Wien wachsen die Bäume der FPÖ auch nicht in den Himmel. Da gibt es andere Mehrheiten. Und in Wien können wir fix davon ausgehen, dass die SPÖ den Bürgermeistersessel wieder innehaben wird.
Warum glauben Sie, dass die FPÖ in Wien weniger Zuwachs haben wird?
Wien hat eine sehr, sehr gute Tradition klar gegen Rechtsextremismus und autoritäre Tendenzen aufzutreten. Ich bin sehr stolz auf die Weltstadt Wien, die bei dieser Frage in den letzten Jahrzehnten sehr stabil geblieben ist. Zudem könnten der FPÖ Stimmen weggenommen werden, wenn Heinz-Christian Strache wirklich antritt,
Streben Sie wieder eine Regierungsbeteiligung an?
Ja, wir wollen mitgestalten. Die Frage, die sich in Wien stellt, ist, ob die SPÖ mit der ÖVP in eine Koalition und damit zurück in eine Betonvergangenheit geht. Oder wird sie gemeinsam mit uns Grünen in eine progressive Zukunft gehen, wo es darum geht, die Stadt grüner und das Leben der Menschen leichter zu machen.
Die Neos gibt es auch noch.
Die sind sehr, sehr unsichtbar geblieben. Man hat sie nicht wirklich gespürt und wahrgenommen. Wo man sie jetzt sehr wohl wahrnimmt, ist bei einem riesigen Systemversagen, nämlich im Bereich Kindergarten und Schule. Die Neos haben bei ihrem Kernthema einfach komplett ausgelassen.
Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr sagt sehr oft, dass er am Bund scheitert. Kann Wien alleine überhaupt etwas ändern?
Wir haben alle die Statistiken gelesen, wie schlecht die Deutschkenntnisse der Kinder in Wiener Volksschulen sind. Man kann in Wien dafür sorgen, dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht alleingelassen werden, indem man genügend Personal, vor allem Sprachförderkräfte zur Verfügung stellt. Und der zweite Punkt: In Hernals gibt es eine Schule, in der 99 Prozent der Kinder eine nichtdeutscher Erstsprache haben. Hundert Meter weiter gibt es eine Schule, in der 99 Prozent der Kinder Deutsch als Erstsprache haben. Wie kann das sein? Es sind zwei öffentliche Volksschulen. Das ist zutiefst unfair den Kindern gegenüber. Unser Vorschlag ist, dass wir die sozioökonomischen Hintergründe der Kinder mitberücksichtigen, um dann dafür zu sorgen, dass Kinder besser verteilt sind und dass es nicht diese zwei Extreme gibt.
Es ist extrem wichtig, die Teuerung aber auch. Beim leistbaren Wohnen ruht sich die SPÖ auf dem Erbe des Roten Wien aus. Ja, das ist ein stolzes Erbe, aber jetzt gibt es keine mutigen und innovativen Schritte mehr.
Was wäre so ein Schritt?
Im Gemeindebau muss man für eine echte Energiewende sorgen, Gas muss raus, erneuerbare Energie muss rein. Es wird zu langsam saniert, zu wenig in Dämmung investiert. Wir haben die Stadtregierung darauf hingewiesen, dass die Wohnbeihilfe überhaupt nicht an die Teuerung angepasst wurde. Man ist auf unseren Vorschlag eingegangen und hat die Wohnbeihilfe an die Inflation angepasst. Gleichzeitig ist die Wohnbeihilfe aber immer noch zu kompliziert geregelt. Im Bund gibt es aber auch Hebel.
Was würden Sie sich von der nächsten Bundesregierung erwarten?
Das Mietrechtsgesetz muss umfassend reformiert werden. In manchen Stadtteilen ist der Lagezuschlag doppelt so hoch wie die Grundmiete. Wir bauen mit öffentlichen Mitteln U-Bahnen und Parks und wegen der Verbesserung schnellen dort die Mietpreise in die Höhe. Die perverse Situation, dass Vermieter davon profitieren und Gewinne machen, muss abgestellt werden. Wir wollen einen Deckel bei den Mieten. Außerdem sind unbefristete Mietverträge derzeit sehr selten, das ist wie ein Lottojackpot. Das muss man ändern.
Warum haben Sie das nicht selbst in der Regierungsbeteiligung durchgesetzt?
Weil es eine große Herausforderung mit der ÖVP war. Aber wir haben einiges im Bereich Wohnen vorangetrieben, etwa die Abschaffung der Maklergebühren. Das war schon ein ganz wesentlicher Punkt, der Mieterinnen und Mieter direkt zugutekommt.
Das Thema Wohnen ist untrennbar mit der WienerSPÖ verbunden. Wie wollen die Grünen thematisches Oberwasser bekommen?
Die Wienerinnen und Wiener haben gerade das Gefühl haben, dass da etwas nicht mehr passt. Die SPÖ ist nachlässig und langsam geworden. Und da schieben wir jetzt an. Wir kritisieren, aber gleichzeitig machen wir Vorschläge. Uns ist es etwa gelungen, dass die Stadt bei den sogenannten Horrorhäusern aktiv wird, wo Menschen unter völlig unwürdigen Bedingungen überbordende Mieten zahlen müssen. Zwangsverwaltung war immer ein rotes Tuch, jetzt ist sie gekommen.
Das Thema Klimaschutz hat bei den vergangenen Wahlen nicht gezogen und Sie sprechen hauptsächlich von sozialer Gerechtigkeit. Ändern die Grünen Ihre Ausrichtung?
Nein, ganz im Gegenteil. Das Klimathema ist ein zutiefst soziales Thema ist, weil es immer um die Frage von Verteilung geht. Wer kann sich im Sommer abkühlen? Wer hat einen Balkon zur Verfügung? Wer hat wieviel Platz? Wir zeigen, wie sehr diese Fragen zusammenhängen.
Wir befinden uns mitten in einer Wirtschaftskrise. Den Grünen wird immer vorgeworfen, dass sie unter dem Deckmantel des Klimaschutzes gegen Unternehmer arbeitet. Was sind Ihre Argumente dagegen?
Das sehe ich ganz anders. Ich bin selbst Betriebswirtin, ich habe betriebswirtschaftliches Wissen und auch einen volkswirtschaftlichen Hintergrund. Wenn man auf Klima-Themen setzt, ergeben sich gerade im wirtschaftlichen Bereich wahnsinnig viele Jobs. Gerade heute waren die Rauchfangkehrer da. Die haben jetzt völlig neue Betätigungsfelder. Sie sind wie Energieberater. Das ist jetzt ein Green Job und man sieht hier auch sehr schön, wie diese Transformation stattfindet. Viele Unternehmen sind bereit, auch ihre Schritte zu gehen. Die Stadt hat die Aufgabe, das zu sehen, das zu fördern und das auch mit konkreter Auftragsvergabe an Unternehmen, die sozial und ökologisch nachhaltig arbeiten, zu unterstützen.
Die Grünen waren in der Frage Heumarkt gespalten - und in den vergangenen Monaten bei dem Thema auffallend schweigsam. Wie ist Ihr Standpunkt?
Die Frage ist, wie wir gut mit den Welterbe-Kriterien der UNESCO umgehen. Das ist ein intensiver Nachdenkprozess, der vor allem die Stadtregierung fordert.
Das war jetzt aber keine Meinung.
Ich bin für eine Lösung im Sinne einer Vereinbarkeit des Weltkulturerbes und guter, zeitgenössischer Architektur.
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