Rendi-Wagner zum 1. Mai: "Das neoliberale Konzept ist gescheitert"

Das Wiener Rathaus, teilweise mit Bauplanen verdeckt, mit Menschen davor, die Abstand halten.
Parteichefin Rendi-Wagner fordert "Beitrag von allen". Bürgermeister Ludwig warnt vor Interessenskonflikten in Folge der Corona-Krise.

Die mit Abstand größte Maiveranstaltung des Landes fällt heuer aus - allerdings nicht ganz ersatzlos. Anstatt auf den Rathausplatz lud die Wiener SPÖ heuer zur virtuellen Maikundgebung in Form einer Fernsehproduktion.

Diese war Mitte der Woche zum Gutteil bereits aufgenommen, ließen die Sozialdemokraten wissen. Gedreht wurde dabei in historischem Gemeindebau-Ambiente, nämlich im Karl-Marx-Hof. Versprochen wurde eine professionelle Produktion - mit wenig überraschenden Protagonisten.

Denn in der Sendung kommen all jene zu Wort, die wohl auch am Rathausplatz dabei gewesen wären. Es sind dies die Wiener SPÖ-Frauenvorsitzende Marina Hanke, Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, der Wiener Parteichef und Bürgermeister Michael Ludwig sowie die Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner.

Den Beginn machte Michael Ludwig. Er zeigte sich in seinem Büro im Rathaus - zu Beginn mit Maske vor dem Gesicht. "Das zeigt, dass der 1. Mai 2020 anders ist als sonst", sagte er.

Auf dem Bildschirm eines MacBooks ist ein Mann im Anzug zu sehen.

Aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft brauche es die Sozialdemokratie mehr denn je. Sie werde darauf achten, wer die Zeche der Krise zahle. "Es wird zu großen Interessenskonflikten und Verteilungskämpfen kommen", warnte Ludwig.

Kritik an 12-Stunden-Tag

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl forderte Erleichterungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Dank ÖVP und FPÖ sind wieder 12-Stunden-Tage möglich. Die Beschäftigen brauchen aber Entlastung.“

Marina Hanke, Vorsitzende der Wiener SPÖ-Frauen, strich die Bedeutung von Frauen in der Krise heraus. „Stellen wir uns vor, Frauen habe keine Lust mehr. Die letzten Wochen haben uns vor Augen geführt, was das heißen wurde. Denn die systemrelevanten Tätigkeiten werden von Frauen erledigt.“

Die Gemeinsamkeit all dieser Aufgaben sei, dass sie nicht oder schlecht bezahlt seien.

Rathausplatz blieb leer

Am Wiener Rathausplatz herrschte derweil am Vormittag gähnende Leere. Nur wenige Genossinnen und Genossen fanden sich ein.

Eine Frau steht vor dem Wiener Rathaus während einer Kundgebung.

Wiener Rathausplatz am 1. Mai 2020

Eine Gruppe von Menschen demonstriert auf einem Platz mit roter Fahne und Kreidezeichnungen.

Wiener Rathausplatz am 1. Mai 2020

Ein rotes Schild mit der Aufschrift „Freundschaft“ vor dem Wiener Rathaus.

Zwei Personen halten ein gelbes Banner mit der Aufschrift „Den 1. Mai fallen lassen ist KAPITULATION!!!“.

Wiener Rathausplatz am 1. Mai 2020

Zwei Männer halten rote Flaggen mit einem weißen Logo vor dem Wiener Rathaus.

Wiener Rathausplatz am 1. Mai 2020

Eine Menschenmenge hält in Wien eine Kundgebung mit Abstandsmarkierungen ab.

Wiener Rathausplatz am 1. Mai 2020

Das Wiener Rathaus mit roten „Freundschaft“-Bannern im Vordergrund.

Eine Menschenmenge demonstriert vor dem Wiener Rathaus.

Eine Demonstration vor dem Wiener Rathaus mit einer roten Fahne mit Hammer und Sichel.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian verwies anschließend virtuell auf die Bedeutung der Gewerkschaften: „Wir erleben nun, was Solidarität in der Praxis bedeutet und das Wirken von Gewerkschaften für den Schutz der Arbeitnehmer“.

Beim „Wiederaufbau und beim Wiederhochfahren“ werde die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit das erste Ziel sein. Dabei sei der Sozialstaat entscheidend, nicht der Markt. „Der Markt regelt zur Zeit überhaupt nichts.“

Jenen, die das Land in der Krise am Laufen halten, müsse in der Folge nicht nur Applaus, sondern auch Lohn zukommen.

Rendi-Wagner: "Beitrag von allen"

Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner durfte im Haus von Bruno Kreisky den sozialen Wohnbau und den freien Hochschulzugang loben.

Vor 130 Jahren fanden die ersten Mai-Feiern statt, holte sie aus. „So wie die Menschen vor 130 Jahren einen Umbruch erlebt haben, stehen auch wir vor einer Zeitenwende. Der Shutdown hat viele Menschen niedergeworfen. Wir müssen ihnen aufhelfen und dürfen niemanden zurücklassen.“

Das neoliberale Konzept sie gescheitert. Nach der Krise gelte es, mit Investitionen die Wirtschaft und die Beschäftigung wieder aufzubauen. "Alle müssen dazu einen Beitrag leisten. Verteilungsgerechtigkeit ist die entscheidende Frage."

Breitere Schulten sollten auch schwerere Lasten tragen, schloss sie.

Bürgermeister als Erklärer

Zwischen den Redebeiträgen war immer wieder Ludwig zu sehen. Und zwar in der Rolle des Erklärers, der – im Zwiegespräch mit dem Historiker Wolfgang Maderthaner und unterlegt von historischen Bildern und der sozialdemokratischen Hymne „Bella ciao“ – den Bogen von Parteigründer Viktor Adler über die Errungenschaften des Roten Wien und die Weltwirtschaftskrise 1929 bis in die Gegenwart spannt.

Außerdem erzählten unter anderem Lehrer, Polizisten und Feuerwehrleute aus ihrem Alltag.

Ludwig will "um jeden Arbeitsplatz kämpfen"

Nachdem am Ende die "Internationale" mit Texteinblendung zum Mitsingen erklang, wandte sich Ludwig noch einmal direkt an die Zuseher. "130 Jahre 1. Mai haben gezeigt, was die SPÖ erreichen konnte. Aber es kommen noch große Herausforderungen auf uns zu." Man werde zeigen, auch diese meistern zu können. 

"Ich kämpfe um jeden Arbeitsplatz in unserer Stadt", versprach Ludwig. Er habe noch viele Visionen: "Ich möchte Sie einladen, diesen Weg mit uns zu gehen", sagte er - wohl im Hinblick auf die Wien-Wahl im Herbst.

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