Jahrelange Wartezeit: Hunderte Beschwerden über MA 35

Jahrelange Wartezeit: Hunderte Beschwerden über MA 35
Laut Volksanwaltschaft ist die Zahl der Beschwerden in zehn Jahren um 480 Prozent gestiegen. Das liegt auch an der geopolitischen Situation.

„Trotz der bereits seit einem Jahrzehnt anhaltenden Kritik und trotz Aufzeigen der Missstände (...) bestehen die Probleme immer noch“, ist im aktuellen Bericht der Volksanwaltschaft zu lesen, der dem KURIER vorliegt.

Die Kritik bezieht sich auf die MA 35, zuständiges Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, das in der Vergangenheit schon mehrfach mit langen Verfahrensdauern und schwerer Erreichbarkeit aufgefallen ist. Trauriger Tiefpunkt: Im Sommer 2021 wurde publik, dass die Beamten aus Überforderung nicht mehr ans Telefon gehen – ein Problem, das vom zuständigen Stadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) bereits in Angriff genommen wurde.

Zahl der Beschwerden sehr stark gestiegen

Aber auch sonst hakt es: Im Berichtsjahr 2023 beschwerten sich bei der Volksanwaltschaft 445 Personen. Das ist eine weitere Steigerung zu 2022, wo es 399 Beschwerden gegeben hatte. Der Vergleich zu 2013 ist besonders drastisch, das Beschwerdeaufkommen ist seit damals um 480 Prozent gestiegen.

Die meisten „berechtigten“ Beschwerden (nur 51 wurden als nicht berechtigt eingestuft), bezogen sich auf die lange Verfahrensdauer. In einem Fall wurden 84 Monate, also sieben Jahre, keine Verfahrensschritte gesetzt – 46 Monate davon sogar durchgehend. Auch wenn das einen speziellen Ausreißer nach oben darstellt, seien Verzögerungen grundsätzlich an der Tagesordnung – laut Volksanwaltschaft dauern diese „regelmäßig“ zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.

"Verfahrensdauer bereits gesenkt"

Der Reformprozess der MA 35 läuft auf Hochtouren, heißt es im Wiederkehr-Büro auf Anfrage. Man könne heuer schon einige Erfolge verbuchen: „Im Bereich der Einwanderung konnte die durchschnittliche Verfahrensdauer bereits um ein Drittel gesenkt werden, ein telefonisches Servicecenter stellt die Erreichbarkeit sicher und das Business Immigration Office bietet Beratung direkt am Ort der Antragsstellung.“

Auch im Bereich der Einbürgerung, auf die sich der Bericht der Volksanwaltschaft im Wesentlichen bezieht, will man bereits große Fortschritte verbucht haben.

"Muss rasch deutlich verbessert werden"

Teilweise gäbe es leichte Verbesserungen, räumt man auch bei der Wiener ÖVP ein, aber „auch dieses Jahr ist die Kritik der Volksanwaltschaft vernichtend“, sagt Verfassungssprecher Patrick Gasselich. Berichte von Verfahrensschritten, die sieben Jahre lang nicht gesetzt wurden, seien „ein Desaster“.

Seit rund vier Jahren seien die Neos und Stadtrat Wiederkehr verantwortlich für diese Behörde, die Kritik der Volksanwaltschaft reiße aber nicht ab. „Auch in der Stadt Wien haben Behörden zu funktionieren und das muss rasch deutlich verbessert werden“, ärgert sich Gasselich.

Die Volksanwaltschaft kritisiert unter anderem die „jahrelang verabsäumte Personalaufstockung“. Da die Aufgaben erweitert wurden und die Anträge steigen, hätte dies „große Probleme verursacht“.

Bereits zusätzliche Mitarbeiter eingestellt 

Dass der Arbeitsaufwand steige, erklärt man auch im Büro Wiederkehr: Aufgrund der gegenwärtigen geopolitischen Situation sei es zu einem massiven Anstieg der Terminbuchungen gekommen. Konkret kommt es derzeit im Monat statt zu 300 Buchungen zu circa 1.200. „Die dafür notwendigen Kapazitäten werden derzeit aufgebaut“, heißt es weiter. So würde man ständig zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutieren, in Summe heuer zusätzliche 105.

Die Zahl der Neuanträge im Bereich Staatsbürgerschaft hätten sich seit 2018 insgesamt vervierfacht, was die Behörde natürlich vor beachtliche Herausforderungen stelle.

Schwierige Recherchen

Die Volksanwaltschaft hat dazu mehrere Fälle aufgelistet. Jener einer US-Amerikanerin, die als Nachfahrin von NS-Opfern die Staatsbürgerschaft erhalten wollte, sticht besonders ins Auge. Denn seit 2020 gibt es Erleichterungen für diese Personengruppe. 

Das bringt aber auch aufwendige Recherchen mit sich. Besagte Frau habe etwa eine Bestätigung des „Ortodox Rabbinatus“ in Budapest vorgelegt, wonach die Mutter und Großmutter jüdischer Abstammung seien. Aufgrund dieser Bestätigung hätte ihr Tochter auch in Israel heiraten dürfen. Die MA 35 zweifelte diese aber „ohne nachvollziehbare Anhaltspunkte“ an und vermuteten eine „katholische Religionszugehörigkeit der ,Ankerpersonen’“.

Nach Kritik der Volksanwaltschaft nahm die MA 35 das Verfahren wieder auf. In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ wurde ihr schließlich die Staatsbürgerschaftsverleihung in Aussicht gestellt.

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