Wie aus einem Gewehr ein Fußball mit Herz wurde
„Meine Familie und alle aus unserer Community sind jedes Mal am Boden zerstört“, erwidert der 34-Jährige. Dabei sei er überzeugt, dass Integration klappen könne. Auf seinem Mobiltelefon zeigt er einen Screenshot: Man sieht das Profilbild eines jungen Mannes und daneben ein stilisiertes Gewehr, dargestellt aus Satzzeichen.
„Wir haben den Mann kontaktiert und ihn zu den Fußballspielen unseres Vereins eingeladen“, erzählt Walizadeh. Man habe einander kennengelernt; schließlich sprach er den Mann auf das problematische Symbol an. „Ich glaube, es war ihm gar nicht richtig bewusst, was er damit aussagt“, sagt Walizadeh. Mittlerweile komme der Mann regelmäßig zum Verein, um Fußball zu spielen, er fühle sich eingebunden.
Walizadeh zeigt einen weiteren Screenshot: Neben dem Profilbild sieht man nun einen Fußball und ein Herz.
Entscheidend sei seiner Mahnung nach ein Austausch auf Augenhöhe. „Man kann nicht in einem 24-stündigen Integrationskurs von oben herab erklären, wie Österreich funktioniert.“
Um die Menschen zu erreichen, braucht es Zeit
Doch es brauche Zeit, um Vertrauen aufzubauen. „Und man muss bedenken: Wer in Afghanistan geboren ist, kennt oft nur den Krieg. Viele sind nie zur Schule gegangen. Menschen können sich nicht von heute auf morgen ändern“, sagt er. Aber klar sei auch: „Belästigung und Gewalt sind ein No-Go.“
Entscheidend sei daher, so Walizadeh, bei der Integration keine Zeit zu verlieren.
"Wer nichts tun kann, kommt auf falsche Ideen"
Bis zum Erhalten des Asylbescheids vergehen Monate, oft sogar Jahre. „Wenn junge Männer so lange nur essen und schlafen können, kommen sie vielleicht auf falsche Ideen“, sagt er. „Daher ist es wichtig, dass sie sofort die Sprache lernen, so schnell wie möglich arbeiten – und auch Steuern zahlen. Wenn man hier sofort Unterstützung bietet, kommt das unserer gesamten Gesellschaft hier zugute.“
2015, als eine große Zahl an Flüchtlingen nach Österreich kam, klapperte er mit Deutschbüchern und Notizblöcken die Asylheime ab, um die Neuankömmlinge zum Sprachelernen zu animieren. Seinen Job als Zahntechniker hängte er damals an den Nagel, seitdem arbeitet er hauptberuflich im Migrations- und Integrationsbereich.
Mehr als 200 Mitglieder zählt sein Verein „Neuer Start“ mittlerweile, darunter Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Jugendarbeiter. Sie bieten Workshops zu interkultureller Männerarbeit, in denen es etwa um Beziehungen, Sexualität und gewaltfreie Kommunikation geht.
Burschen und Männer reden über Themen, die sonst oft tabu sind
Es gibt Burschen- und Männer-Cafés, in denen über Männergesundheit oder Konflikte in der Partnerschaft gesprochen wird. Und es gibt jede Menge Sportveranstaltungen, bei denen um die 140 Männer und Frauen dabei sind: neben Fußball etwa auch Volleyball, Taekwondo oder Kickboxen.
Ob die Männer bereit seien, sich mit Themen wie Beziehungen und Gleichberechtigung auseinanderzusetzen?
Auf jeden Fall, sie seien offen und kooperativ, entgegnet der 34-Jährige. Doch um bis dahin zu kommen, brauche es eben Zeit und Geduld. Derzeit arbeite sein Verein auf Spendenbasis, um mehr leisten zu können, bräuchte man Förderungen, so Walizadeh.
Seine Arbeit sei jedenfalls zentraler Teil seines Lebens in Österreich. Denn seiner Erfahrung nach brauche es oft nur einen einzigen Menschen, um einen entscheidenden Unterschied zu machen. Bei ihm war das Regina, seine ehrenamtliche Deutschlehrerin. Sie half ihm auch, eine Lehre zu finden und in Wien Fuß zu fassen.
Mit seiner Arbeit möchte er nun für andere derjenige sein, der das Leben in die richtige Richtung dirigiert.