Bezirksmuseum Brigittenau: Warum die Geschichte des 20. Bezirks untrennbar mit der Donau verbunden ist, was der „Dritte Mann“ mit der Brigittenau zu tun hat und warum der Leiter des Museums nie weggezogen ist
Denn eigentlich war sie schon zum Abriss freigegeben, bevor sie Anfang der 80er-Jahre gerettet werden konnte. Seit rund 30 Jahren beherbergt sie das Bezirksmuseum Brigittenau.
"Die Brigittenau hat einfach alles"
„Es ist wirklich das schönste Haus in der ganzen Straße“, sagt Richard Felsleitner. Der ehemalige Volks-, Haupt- und Sonderschullehrer sowie Schulinspektor für die Brigittenau leitet das Museum seit rund fünf Jahren. Während er sich auf der kleinen Bank vor dem Museum eine Zigarette dreht, fährt hinter ihm die Straßenbahnlinie 2 vorbei.
Felsleitner lebt seit mehr als 60 Jahren im Bezirk. „Ich bin als Hauptschüler mit meinen Eltern hergezogen, weil wir hier eine größere Wohnung bekommen haben. Und ich bin nie wieder weggegangen.“ Warum auch, „die Brigittenau hat einfach alles“.
Im Donauraum
Die Geschichte des Bezirks in seiner heutigen Form umfasst gerade einmal 125 Jahre seit seiner Abtrennung von der Leopoldstadt. Und sie lässt sich nicht ohne die Geschichte der Donauregulierung erzählen.
Diesem Kapitel ist nun ein eigener kleiner Pavillon, der „Donauraum“, im Garten der Villa gewidmet. Die erst im September eröffnete Dauerausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der jungen Kuratorin Anna Jungmayr von der Stabstelle Bezirksmuseen des Wien Museums. Den Boden des Raums ziert ein Plan des alten Wien mit der unregulierten Donau.
„Sehen Sie, wo heute der 20. Bezirk ist, da war früher nichts als Aulandschaft. Und bis zur zweiten Donauregulierung gab es hier immer wieder ganz grauenhafte Überschwemmungen“, erklärt Felsleitner. Der aktuelle Stadtplan auf dem Tisch darüber ermöglicht den Vergleich zu früher. „Die größten Gegner der zweiten Donauregulierung waren übrigens die ÖVP und die FPÖ“, wird Felsleitner kurz politisch.
Ein Blickfang im Donauraum ist auch der rund 90 Jahre alte Taucheranzug, den Donautaucher bei Bau- oder Bergungsarbeiten trugen, und die riesige Eissäge, mit der Fischerbooten der Weg durch die zugefrorene Donau freigemacht wurde.
In der Villa empfängt die Besucher im ersten Ausstellungsraum ein Hirschgeweih mit der Aufschrift „Brigittenau 1726“. „Ich bin mir nicht sicher, dass das stimmt. 1726 hat es ja die Brigittenau als eigenen Bezirk noch gar nicht gegeben“, sagt der Museumsleiter mit einem Schmunzeln.
Daneben steht die Figur eines Geigenspielers – aus Pappmaché von Volksschulkindern geformt. Er stellt den „armen Spielmann“ aus Franz Grillparzers gleichnamiger Novelle dar. Diese handelt vom Brigittakirtag, der hier schon im 18. Jahrhundert gefeiert wurde. Felsleitners liebstes Ausstellungsstück ist aber die Zither, die einst Anton Karas gehörte. Der Komponist der legendären Filmmusik zum „Dritten Mann“ war ein Ur-Brigittenauer.
Erste Radiosendung Österreichs
Auch dem Thema Kommunikation ist im Museum ein Bereich gewidmet. Schließlich gehörte die Villa einst der „Telephon- und Telegraphenfabrik Czeija, Nissl & Co.“, einem Vorläufer der Firma Alcatel. „Im Nebenhaus hatten Czeija und Nissl einen Privatsender, heute würde man sagen Piratensender“, erzählt Felsleitner.
Und über diesen wurde vor 101 Jahren die erste Radiosendung in Österreich ausgestrahlt. Deshalb wurde im Bezirksmuseum bereits im Vorjahr das 100-jährige Jubiläum des Rundfunks gefeiert. Im 20. Bezirk war man eben schneller.
Natürlich ist die Zeit auch an der Brigittenau nicht spurlos vorübergegangen. „Die Wallensteinstraße war früher eine blühende Geschäftsstraße, es gab Herrenausstatter, Schuhgeschäfte, man konnte sich dort elegantest einkleiden. Mit dem Bau der Millennium City hat das aber alles aufgehört.
Alt-Brigittenauer jammern immer, ich bin da eher fatalistisch und sage ,so is’ hoit’.“ Einer anderen Veränderung, dem neuen Stadtteil auf dem Gelände des ehemaligen Nordwestbahnhofs sieht er hingegen mit Freude entgegen. Denn das Bahnhofsgelände habe den Stadtteil immer geteilt. „Aber wenn die Siedlung fertig ist, wächst der Bezirk zusammen, das wird super. Ich bin dann halt schon sehr alt.“
Über Bezirksgrenzen
Um die berühmten Söhne und Töchter des Bezirks, deren Geburts- oder Sterbehäuser in der heutigen Brigittenau liegen, entbrennt hin und wieder ein nicht ganz ernst gemeintes Tauziehen mit der benachbarten Leopoldstadt. „Der 20. ist halt nicht so gut bestückt mit Prominenten“, sagt Felsleitner.
Adresse Bezirksmuseum Brigittenau und Donauraum, Dresdner Straße 79, 1200 Wien
Öffnungszeiten So 10 bis 12 Uhr Do 17 bis 19 Uhr Feiertags und in den Schulferien geschlossen Eintritt frei
Weitere Infos Auch über die verschiedenen Veranstaltungen des Museums unter bezirksmuseum.at
Aber er hat seine Helden. Ihnen ist im Museum eine eigene Ecke gewidmet, „Opfer des Faschismus“ steht hier groß auf der samtenen Schautafel. Hier ist zum Beispiel die Ordensfrau Maria Restituta zu sehen, die in der Brigittenau aufwuchs und von den Nazis ermordet wurde, „weil sie nicht den Mund gehalten hat“, wie Felsleitner sagt. „Und der Anton Schmid, der hatte hier ein Elektrogeschäft. Als Feldwebel hat er im Zweiten Weltkrieg über 300 Juden aus dem Ghetto von Wilna gerettet.“ Auch er wurde hingerichtet. „Der Oskar Schindler aus Wien. Das sind unsere Helden.“
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