Innenstadt im Wandel
Doch nur etwa die Hälfte von ihnen hat – wie die Hübners – eine eigene Werkstatt. Im ersten Stock des Hauses Am Graben 28 arbeiten sechs Uhrmacher und eine Uhrmacherin an Räderwerken, Zugfedern und kleinen Zeigern. Die Kunden wissen das zu schätzen – in eine Schublade einordnen lassen sie sich aber nicht.
„Unsere Kundschaft ist sehr gemischt. Viele Touristen und auch viele Leute aus dem Wiener Einzugsgebiet“, erzählt Stüger-Hübner. Darunter viele Stammkunden, die bereits in zweiter oder dritter Generation kommen – und ihre Begeisterung für Uhren in Form von Firm- oder Maturageschenken an die nächste Generation weitergeben. Doch die traditionsreichen Wiener Familienbetriebe im ersten Bezirk schwinden, wie Stüger-Hübner besorgt feststellt.
„Ich finde es schade, dass immer weniger Familienbetriebe den Sprung in die nächste Generation schaffen. Im Moment ist das sichtbarer, weil es am Graben und am Kohlmarkt einige Lokale gibt, die schon länger leer stehen. Aber man muss als Eigentümer auch bei realistischen Mietpreisen bleiben, sonst können sich nur noch große Ketten den Standort leisten – und dann geht der Charme einer Innenstadt verloren.“
Frank Moch, Obmann der Wiener Uhren- und Juwelenhändler, stimmt zu: „Wien ist bei allen großen Konzernen im Fokus. Das zeigt sich auch an der großen Anzahl neuer, meist selbstgeführter ,Monobrand Boutiquen‘. Allerdings ist es wirklich wichtig, dass Wiener Traditionsbetriebe die Individualität, den Charme und Einzigartigkeit der Stadt bewahren können.“
Trend geht nach oben
Dennoch blickt Astrid Stüger-Hübner positiv in die Zukunft. Denn gerade im höherpreisigen Bereich, das zeigt auch die WKW-Untersuchung, sieht es gut aus: Luxus- und Premiummodelle bleiben gefragt, während die unteren Preisklassen schwächeln.
„Alles zwischen 300 und 500 Euro leidet derzeit sehr, manche Uhrenmarken in diesem Bereich gibt es gar nicht mehr.“ Der Trend gehe nach oben. „Aber wenn man sich anschaut, welche Qualität ich für mein Geld bekomme, dann ist das durch bessere Produktionsmöglichkeiten, neue Materialien und Technologien deutlich besser als früher.“
Das exklusivste Stück im Hause Hübner ist übrigens eine Uhr der Marke Jaeger-LeCoultre. „Das ist eine Armbanduhr, die die Zeit schlägt“, erklärt Astrid Stüger-Hübner. „Man weiß also, wie spät es ist, ohne auf die Uhr schauen zu müssen. Technisch ist das für mich die größte Komplikation“, sagt sie bewundernd.
Denn das muss man wissen: Komplikationen sind in der Uhrenwelt etwas Gutes – gemeint sind damit technisch besonders anspruchsvolle Zusatzfunktionen, die über die reine Zeitmessung hinausgehen. Je komplizierter, desto besser. Und das hat seinen Preis: Die Uhr mit dem dunklen Lederarmband schlägt mit rund 350.000 Euro zu Buche.
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