Ein Streifzug durch die alten Gärten der Stadt
Bringt man heute in den eigenen vier Wänden eine Aloe zum Blühen, erregt das in der Regel kaum Aufsehen. Vor etwa 300 Jahren war das noch anders. „Zur Zeit Prinz Eugens blühte zum ersten Mal eine Aloe in seiner Orangerie. Ganz Wien ist hergepilgert, man kannte das damals ja noch nicht“, erzählt Mechthild Bohnert an diesem Spätsommernachmittag im Garten des Belvedere.
Sie muss es wissen, schließlich hat sie Landschaftsarchitektur und Denkmalpflege studiert – und bietet seit zwei Jahren Führungen durch die historischen Gärten Wiens an.
Im Belvedere kommt man auch im Garten nicht am legendären Feldherrn Prinz Eugen vorbei. Kein Wunder, war er es doch, der die Anlage mit dem Oberen und Unteren Belvedere Anfang des 18. Jahrhunderts errichten ließ.
„Als er das Grundstück kaufte, war das hier ein Weinberg“, erklärt Bohnert die Hanglage. Über den Rasen unterhalb des großen Kaskadenbrunnens fährt der Mähroboter. Früher, erzählt Bohnert, habe ein ganzes Heer von Tagelöhnern mit Sensen dafür gesorgt, dass der grüne Teppich vor den Fenstern des Fürsten akkurat getrimmt wurde. „Und manchmal ist man auch mit der Schere da gekniet und hat nachgeschnitten. Das musste ich in einem Praktikum auch schon machen.“
So ein perfekter Rasen, eine an sich völlig nutzlose Fläche, war auch ein wichtiges Machtsymbol gerade wegen des Aufwands, der mit seiner Pflege verbunden war.
Hintergründe verstehen
Die Ausbildung zur Fremdenführerin machte Bohnert aus einem Impuls heraus mitten in der Pandemie, da war sie gerade erst zwei Jahre in Wien. Die Berlinerin war ihrem Lebensgefährten gefolgt, der in Wien ein neues Studium begonnen hatte. „So habe ich Wien gleich richtig gut kennengelernt“, sagt sie lachend. „Ich will bei meinen Führungen auch keinen Fachvortrag halten, sondern einfach erzählen, was sich die Menschen damals beim Anlegen der Gärten gedacht haben. Wenn mir das Freude macht, warum nicht auch anderen?“, erklärt sie ihre Motivation.
Belvedere
Die Schlossanlage mit Oberem und Unterem Belvedere wurde von Johann Lucas von Hildebrandt für Prinz Eugen von Savoyen (1663–1736) erbaut. Damals war es ein außerhalb der Wiener Stadtmauern liegendes Gartenpalais. Den Garten legte der französische Gartenarchitekt Dominique Girard an, der auch in Versailles tätig war. Nach dem Tod Prinz Eugens verkaufte seine Erbin die Liegenschaft an Maria Theresia, die dem Ensemble wegen der Lage den Namen Belvedere gab. Um 1900 wurde das Obere Belvedere Residenz des Thronfolgers Franz Ferdinand.
Wiener Parkführungen
Landschaftsarchitektin und Gartendenkmalpflegerin Mechthild Bohnert bietet (neben klassischen Stadtführungen) Führungen in die Gärten am Ring, den Schlosspark Schönbrunn, den Stadt-, Türkenschanz- und Liechtensteinpark sowie den Augarten an. Weitere Informationen und Anmeldung unter: green-vienna.com
In einem kleinen Baumkreis mit einer runden Vertiefung in der Mitte bleibt Bohnert stehen. „Das hier nennt man ein Boskett, ein Lustwäldchen. Es sollte ein bisschen versteckt sein – im Barock standen Heimlichkeiten hoch im Kurs.“
Kreisförmig angeordnete Kastanien
Die hohe Hecke, die das Boskett wie eine runde Mauer umschließt, ist aus Feldahorn – wie zu Prinz Eugens Zeiten. Auch die kreisförmig angeordneten Kastanienbäume haben in Wien Tradition, sagt Bohnert. Doch es geht ihnen schlecht, wie man auch hier an ihren frühzeitig herbstlich verfärbten Blättern sehen kann. Schuld daran ist die Ende der 1980er-Jahre eingeschleppte Miniermotte, deren Befall die Blätter schon im Sommer welken lässt. Auf Dauer raubt das den Bäumen Energie, die langen Trockenperioden tun ihr Übriges. Und irgendwann gehen die Kastanien ein. Das würde dann das Bild in Wiens Parks und historischen Gärten und im Stadtbild stark verändern.
Auch um diese Themen geht es bei Bohnerts Führungen: Wie kann man das Gesamtbild der alten Parks und Gärten erhalten, wenn die Umstände, auch durch die Auswirkungen des Klimawandels, es einfach nicht mehr zulassen? „Ihr Erhalt ist aber wichtig, weil sie Teil einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft sind, weil sie nicht nur Kunstwerke sind, sondern auch Teil der Stadt. Wenn es Schönbrunn nicht gäbe, wenn es das Belvedere nicht gäbe, wenn es den Stadtpark nicht gäbe, dann wäre Wien einfach nicht Wien“, sagt Bohnert.
Schlendert man den Garten in Richtung Oberes Belvedere hinauf, fallen links und rechts der Mitte die sogenannten Broderieparterres mit ihren ornamentalen Motiven ins Auge. „Der Name leitet sich vom französischen Wort für Stickerei ab“, erklärt Bohnert. „Das Muster entsteht durch geformte Eisenbänder, die in den Boden eingelassen werden. Darin wird Buchs gesetzt, roter Ziegelstaub sorgt für den farbigen Kontrast.“
Die Wahlwienerin, das merkt man bei jeder Erzählung, brennt für ihr Herzensthema. Die Begeisterung für die alten Gärten der Stadt möchte sie auch an ihre Tourgäste weitergeben. Man soll mit einer neu gewonnenen Wertschätzung durch das oft über Jahrhunderte gepflegte Grün gehen, für dessen Schönheit man vielleicht schon aus lauter Gewohnheit blind geworden ist.
Eines ist ihr besonders wichtig: „Wir dürfen nicht vergessen, dass es Menschen gibt, die bis heute sehr hart dafür arbeiten, dass wir hier spazieren und uns an diesem Anblick erfreuen können.“
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