Hietzing: Notquartier im Nobelbezirk

Deutschkurs für Flüchtlinge. Sie sind in den alten Pavillons des GZW untergebracht.
Die 1000 Flüchtlinge sollen in Zukunft in kleineren Einheiten untergebracht werden.

Imposante Villen, verschneite Parks, schmucke Einfamilienhäuser: Hietzing – ein lebenswerter, aber eher teurer Bezirk – ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert: Er hat den größten Grünflächenanteil aller Bezirke, der Altersschnitt ist relativ hoch, der Ausländeranteil wiederum niedrig. Zudem ist er neben der Inneren Stadt der einzige, dessen Einwohnerzahl bis 2034 sinken könnte.

"Bei uns leben zahlreiche EU-Bürger. Und es gibt viele internationale Botschaften sowie Konzerne mit internationalen Mitarbeitern", beschreibt Bezirksvorsteherin Silke Kobald. Dennoch sei Hietzing auch "ein ganz normaler Familienbezirk mit günstigen Wohnungen und Gemeindebauten."

Die Herausforderungen der Zukunft? Die Grünflächen zu erhalten und die Infrastruktur zu verbessern, erwidert sie: "Ich wünsche mir etwa eine Verlängerung der U4 bis Auhof, um die Westeinfahrt zu entlasten." Aktuell stellt sich freilich eine weitere Frage: Im ehemaligen Geriatriezentrum am Wienerwald (GZW) wohnen derzeit 1000 Flüchtlinge – wo sollen sie zukünftig leben?

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"Das GZW war einst der größte Arbeitgeber im Bezirk", schildert Fritz Neuhauser. Der Allgemeinmediziner arbeitete 25 Jahre lang hier, im Sommer 2015 wurde es geschlossen. Im September zogen die Flüchtlinge ein, seitdem ist er einer der freiwilligen Helfer: Er versorgt Kranke und Verwundete und hilft auch bei bürokratischen Problemen. Seine Familie hat zudem einen 19-jährigen Afghanen aufgenommen.

Auf die Frage nach dem Grund für sein Engagement entgegnet er schulterzuckend: "Ich wohne in der Gegend. Und ich bin von der Sinnhaftigkeit überzeugt."

Generell sei die Hilfsbereitschaft der Hietzinger enorm gewesen, erzählt Brigitte Gadnik-Jiskra von der Volkshochschule (VHS) Hietzing: Hunderte halfen beim Putzen, Bettenüberziehen und Kochen. Die VHS etwa bat, Weihnachtsgeschenke für die Flüchtlinge zu spenden: "Ein Ehepaar hat einem jungen Mann sogar eine Geige gekauft", erzählt sie.

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"Sicherheitsbedenken"

Freilich bereite das Quartier vielen Bewohnern auch Sorgen: "Es gibt Sicherheitsbedenken. Frauen fühlen sich unsicher", beschreibt Bezirkschefin Kobald. Daher sie die Polizei in der Nachbarschaft nun verstärkt präsent.

Elke Manner-Prochart, eine der Helferinnen, kann die Ängste grundsätzlich nachvollziehen: "Als meine 18-jährige Tochter angefangen hat, hier zu helfen, hatte ich auch Bedenken." Aber die Tochter ermutigte sie: "Mama, schau dir selbst an, wie es hier wirklich ist."

Die Mutter kam – und blieb als engagierte Helferin. Sie unterrichtet Deutsch, rasch entwickelten sich auch Freundschaften. Ihre Kursteilnehmer feierten gar bei ihr zuhause Weihnachten. Zuweilen sei die Situation aber belastend: "Es ist schwierig, sich abzugrenzen. Oft weine ich nur noch."

Die Schwestern Farideh und Fahimeh Rahimi aus Afghanistan, 16 und 22 Jahre jung, kamen im September ins GZW und lernen nun Deutsch. Sie haben große Pläne: Eine möchte Ärztin oder Polizistin werden, die andere gar Atomphysik studieren. Sie fühlen sich im GZW gut aufgehoben, man sei sehr nett zu ihnen.

"Dennoch kann das Massenquartier keine Dauerlösung sein", betont Kobald. Man suche nach Alternativen: "Die Menschen müssen zukünftig in kleineren Einheiten leben."

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