Wien: Von der Pensionopolis zur Weltstadt

Wien boomt: Zahlreiche Bezirke können in den kommenden zwanzig Jahren mit Zuwachsraten von zwanzig Prozent und mehr rechnen.
Wien wird jünger, bunter, internationaler. Was bedeutet das für das Zusammenleben in der Stadt?

Wie wird das Wien der Zukunft aussehen? Fest steht: Wien wird wachsen. Bereits 2029 könnte die Stadt einwohnermäßig die Zwei-Millionen-Marke knacken. Wien wird immer internationaler, zudem wird die Bevölkerung Wiens jünger und älter zugleich. Doch was bedeuten die Veränderungen für das Leben in der Stadt? Der KURIER beleuchtet in einer Serie, wie Wien für die Zukunft gerüstet ist.

"Noch in den 1960er-Jahren war Wien das älteste Bundesland Österreichs", beschreibt Klemens Himpele, Leiter der für Statistik zuständigen MA 23. Nicht umsonst trug die Hauptstadt den wenig schmeichelhaften Beinamen Pensionopolis, die Einwohnerzahl sank stetig. Der Tiefpunkt war 1987 mit "nur" 1,48 Millionen Einwohnern erreicht. Von grau, verschnarcht und langweilig ist jedoch längst keine Rede mehr. In den vergangenen 15 Jahren stieg die Einwohnerzahl um 300.000 auf 1,8 Millionen. Rund 200.000 neue Bewohner werden bis 2029 erwartet. Wie es Himpele veranschaulicht: "Wien ist quasi um Graz gewachsen – und Linz kommt noch."

Einige Bezirke boomen regelrecht: Die Brigittenau, Favoriten und die Leopoldstadt können in den kommenden 20 Jahren mit Zuwächsen von mehr als 20 Prozent rechnen. Spitzenreiter ist die Donaustadt, die mit einem Plus von gar 34 Prozent Favoriten als einwohnerstärksten Bezirk überholen könnte. Selbst das dicht bebaute und zentral gelegene Mariahilf muss sich auf künftig zwanzig Prozent mehr Einwohner einstellen.

Hier zeichnet sich eine interessante Dynamik ab: Menschen, die neu nach Wien ziehen – egal, ob aus dem In- oder Ausland – bevorzugen tendenziell Innenstadtbezirke. Die Stadtentwicklungsgebiete in den äußeren Bezirken wiederum profitieren stark vom Zuzug von Menschen aus inneren Bezirken.

Wien: Von der Pensionopolis zur Weltstadt

Immigration

Stichwort Zuwanderung: 33 Prozent der Einwohner Wiens sind im Ausland geboren. Ein Spitzenwert innerhalb der EU – nur in London und Brüssel ist der Anteil höher. In neun Bezirken stellen Deutsche die meisten Migranten, in elf Bezirken sind es Serben und in drei Bezirken Türken. Den höchsten Migrantenanteil hat Rudolfsheim-Fünfhaus (38,5 Prozent), den niedrigsten Liesing (14,6 Prozent).

Am stärksten wachsen wird der Ausländeranteil übrigens in Neubau, Alsergrund und der Josefstadt: Die MA 23 rechnet mit einem Plus von acht bis zehn Prozent. Derzeit stammen zahlreiche Zuwanderer aus Osteuropa oder Deutschland – die Türkei spielt kaum noch eine Rolle. Infolge der Fluchtbewegungen werden künftig zudem deutlich mehr Syrer und Afghanen in Wien leben.

Kinder und Senioren

Verändern wird sich auch die Anzahl der Jungen und Senioren: Zwar ist die Geburtenrate mit 1,4 Kindern seit langem stabil – da Wien wächst, leben aber mehr potenzielle Mütter in der Stadt. Zudem sind 80 Prozent der Zuwanderer unter 30. Andererseits wird der Anteil der Menschen über 75 in der kommenden Dekade um fast 40 Prozent steigen.

Auch der Arbeitsmarkt wandelt sich: Derzeit sind 150.000 Wiener ohne Job, vor zehn Jahren waren es halb so viele. Bis zu 100.000 Arbeitslose könnten in den kommenden fünf Jahren hinzukommen. Mehr als 55 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Österreich leben in Wien, Tendenz steigend.

Prognosen in diesem Sektor sind aufgrund der Flüchtlingsströme schwierig: Noch ist unklar, wie viele kommen und welche Qualifikationen sie haben. Derzeit leben 18.300 Flüchtlinge in Wien in der Grundversorgung – um 11.200 mehr als noch 2014.

Langfristig ortet Winfried Göschl, stellvertretender Landesgeschäftsführer des AMS Wien, aber keineswegs nur Probleme: "Sobald die Babyboomer in Pension gehen, hätten wir ohne Zuwanderung eine Überalterung. Immigration beschert uns einen Wachstumsschub."

Auch Himpele von der MA 23 ist optimistisch: "Wien ist nicht mehr die kleine Stadt am Eisernen Vorhang, sondern auf der Weltkarte angekommen. Die Herausforderungen, die auf uns zukommen, sind schaffbar." Doch wie ist die junge Weltstadt für die Zukunft gerüstet?

Lesen Sie im 2. Teil im KURIER über das Zusammenleben im Schmelztiegel Favoriten.

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